Wie viele Menschen in Deutschland hörte ich zum ersten Mal in der Schule vom Islâm. Da ich aber ein konfessionell gebundenes Gymnasium besuchte, konnte von einer objektiven Darstellung dieser anderen Weltreligion wohl kaum die Rede sein. Die vorurteilsträchtige Unterrichtsführung provozierte meinen Widerspruchsgeist. Ich wollte mich selbst informieren. Dabei entsann ich mich einiger Bekannter, die auch dem Islâm angehörten. Auf diesem Weg bekam ich meine erste deutsche Qurân-Übersetzung. Eifrig begab ich mich an diese ,,Lektüre“, ich las und verstand zunächst nur sehr wenig. Zu sehr war die christliche Erziehung in mir verwurzelt, ich kam nicht davon ab, das im Qurân Gelesene mit der Bibel zu vergleichen und zu kritisieren. Schließlich erreichten meine Bemühungen einen toten Punkt. Ich wandte mich von meinen Untersuchungen über den Islâm ab.
Nach dem Abitur machte ich eine Reise nach Großbritannien. Bei einem Besuch im Regent-Park sah ich dann plötzlich etwas, wodurch ich mich zunächst in den Orient versetzt glaubte - da stand doch wahrhaftig eine Moschee vor mir. Ihre goldene Kuppel blitzte in der Sonne. Ich ging näher heran. Es war wohl gerade Zeit zum Gebet. Ich konnte mich erinnern - die Muslime beteten fünfmal am Tag. Zu meinem großen Erstaunen sah ich, dass auch Frauen in die Moschee gingen; also war der Islâm doch nicht so frauenfeindlich, wie man mir erzählt hatte. Ich spürte plötzlich das Verlangen, meine vor über einem Jahr begonnenen Studien fortzusetzen, oder war es doch noch etwas anderes, was mich antrieb? Natürlich neugierig und mit klopfendem Herzen betrat ich die Moschee.
Offensichtlich versammelten sich die Gläubigen nach Geschlechtern getrennt. Also ging ich einer Frau nach, die auch eben eingetreten war. Sie eilte zu einem Waschraum - natürlich, die Muslime wuschen sich vor dem Gebet, das hatte ich gelesen. Interessiert sah ich zu. Eine Frau, die ich so intensiv beobachtet hatte, fragte mich, ob sie mir zeigen solle, wie man ,,Wudû“ macht. Wudû, was war denn das?
Ach so, die Muslime wuschen sich also nicht einfach so, sondern sie hatten ein bestimmtes Ritual. Während also diese freundliche Muslima mir die einzelnen Teile der Waschung zeigte, bekam ich das Gefühl, dass mit dem Staub auch alle meine Sorgen, meine Sünden und alles, was mein Herz belastet hatte, abgewaschen wurden. Mit einem Mal fühlte ich mich frei. Die Muslime, die mir wohl angesehen haben muss, dass ich zum ersten Mal in einer Moschee war, lieh mir einen Gebetsschleier und stellte sich mit mir zum Gebet auf. Natürlich hatte ich auch keine Ahnung, wie man im Islâm betete, also folgte ich einfach den Bewegungen der anderen Frauen und sprach mein Gebet in deutscher Sprache. Der Gott, zu dem ich nun betete, das spürte ich, dieser Gott kannte mich gut. Es war kein anderer als der, zu dem ich immer gebetet hatte. Es gab nur einen Gott. War das nicht das Glaubensbekenntnis der Muslime?
Ja, es ist kein Gott außer Gott. Und das arabische Wort für Gott ist Allâh. Ich spürte, dass ich den Beginn eines roten Fadens entdeckt hatte und diesen weiterverfolgen musste. Ich war der Wahrheit auf der Spur. Nach dem Gebet bat ich die Muslime, mir etwas mehr vom Islâm zu erzählen. Sie brachte mich in einen Kreis von anderen Muslimen. Dort erzählte man mir viel Neues und gab mir auch Material. Ich beschäftigte mich aufs Neue mit dem Qurân in seiner vollen Tragweite, aber die Tatsache, dass dies das offenbarte Wort Gottes ist, das er durch Gabriel an den Propheten Muhammad übermittelt hat. Wenige Tage später trat ich in London zum Islâm über.
Als ich nach Hause kam, lud ich alle meine Freunde ein, ich hatte ein richtiges Festessen bereitet, und vor Beginn unserer gemeinsamen Mahlzeit berichtete ich ihnen, dass ich von nun an eine Muslima sein wolle, dass ich an Allâh - den Erhabenen - und seine Gesandten glaube und meinen Namen in Rabeya Sultana geändert hatte. Die meisten freuten sich mit mir, weil sie spürten, dass mir ein großes Glück widerfahren war. An diesem Abend konnte ich noch, Al-Hamdu li-llâh, schon viele Fragen über den Islâm beantworten und wenigstens bei meinen Freunden viele Missverständnisse ausräumen.
Von da an begann mein Lernprozess, der bis heute nicht beendet ist. Ich musste mich mit meinen Eltern auseinandersetzen und versuchen zu verdeutlichen, warum ich nun kein Fleisch mehr aß, das nicht im Namen Allâhs geschlachtet worden war, warum ich keinen Alkohol mehr trank, ja noch nicht einmal eine Weinbrandbohne anrührte, warum ich im Monat Ramadan von morgens bis abends nichts aß und trank. Ich hatte jedoch, al-hamdu li-llah, eine Mutter, die dafür Verständnis zeigte.
Leider waren die Behörden nicht so einsichtsvoll. Allein als ich meinen Austritt aus der christlichen Kirche amtlich machen wollte, redete der Beamte fast eine volle Stunde auf mich ein, um mir diese ,,Dummheit“ auszureden. Als Frau freiwillig zum Islâm, wusste ich denn, auf was ich mich da einließ? Sicher würde ich in irgendeinem Harem landen. Solche und ähnliche abenteuerlichen Vorstellungen begegneten mir auf Schritt und Tritt. Aber ich bin noch heute dankbar für jede Konfrontation in dieser Hinsicht; denn hier kann ich mit Allâhs Hilfe helfen, die Vorurteile auszuräumen, die in Deutschland gegen den Islâm bestehen. Ich stellte fest, dass es in Deutschland viele Muslime gab, auch deutsche Muslime, dass es islâmische Zentren gab und sogar richtige Moscheen, und ich fühlte mich, als ich zum ersten Treffen der deutschsprachigen Muslime kam, als sei ich in eine Familie aufgenommen worden. Es war wichtig zu spüren, dass ein Muslim nie allein ist.