Die zwei Arten der Rechtleitung im Qurân

29/07/2010| IslamWeb

Über den Qurân sagt Allâh am Anfang der zweiten Sûra: ,,(...) ist eine Rechtleitung für die Gottesfürchtigen“ (Sûra 2:2). Demnach ist der Qurân für die Gottesfürchtigen sowohl im Diesseits als auch im Jenseits eine Rechtleitung. In derselben Sûra lesen wir nach der Bestimmung der Verpflichtung zum Fasten über die Eigenschaft des Qurâns: ,,als Rechtleitung für die Menschen“ (Sûra 2: 185)

 

Dem Wortlaut des ersten Verses nach bezieht sich die Rechtleitung des Qurân lediglich auf die Gottesfürchtigen. Laut des zweiten Verses bezieht sie sich hingegen auf alle Menschen, denn das Wort "Menschen" ist allgemeiner gehalten, trifft also sowohl auf die Gottesfürchtigen und Gläubigen, als auch auf andere zu.

 

 Man könnte nun meinen die zwei Versen widersprächen einander, die Gelehrten sagen jedoch, dass die Verse im Einklang stehen. Der Begriff "Rechtleitung" bedeutet im Qurân nämlich zweierlei: Die Rechtleitung im Sinne von "hinweisen" und "den Weg zeigen", zu dieser Art Rechtleitung sind die Gottesgesandten und deren Nachfolger in der Lage. In diesem Sinne sagt Allâh: ,,Und jedes Volk hat einen, der es rechtleitet“ (Sûra 13:7). Das heißt, dass es in jedem Volk Menschen gibt, die es auf den rechten Weg hinweisen. In eben diesem Sinne sagt Allâh auch: ,,Und du leitest ja wahrlich zu einem geraden Weg“ (Sûra 42: 52). Allâh bestätigt hiermit, dass die Gesandten sowie deren Nachfolger auf den Weg des Glaubens leiten, also hinweisen, einladen und ermahnen.

 

Doch nur Allâh, der Makellose und Erhabene, leitet im Sinne der zweiten Bedeutung recht: Er leitet und festigt die Herzen, so sagt Allâh: ,,Gewiss, du kannst nicht rechtleiten, wen du gern (rechtgeleitet sehen) möchtest. Allâh aber leitet recht, wen Er will.“ (Sûra 28: 56). Der Begriff der Rechtleitung in diesem Vers bezieht sich darauf, dass man den Weg der Gläubigen einhalten kann. Genau dies bedeutet folgender Vers: ,,Allâh lädt zur Wohnstätte des Friedens ein und leitet, wen Er will, zu einem geraden Weg.“ (Sûra 10: 25).

 

 Genauer gesagt: Die Rechtleitung, die der Qurân erwähnt, trägt zwei Bedeutungen: eine Rechtleitung von allgemeiner Natur und eine im engeren Sinne. Unter der allgemeinen Rechtleitung versteht man den Hinweis auf die Wahrheit und die korrekte Beweisführung. In diesem Sinne sagt Allâh: ,,Den Thamûd haben Wir den rechten Weg gewiesen. Sie aber zogen dem rechten Weg die Blindheit vor. “ (Sûra 41: 17). Dies bedeutet: Wir zeigten ihnen den rechten und den falschen Weg und sorgten dafür, dass der rechtschaffene Weg sowie der Irrweg klar erkennbar sind. Doch sie entschieden sich für den Weg des Unglaubens. Sie hatten also völlige Entscheidungsfreiheit und wurden darin geprüft, dem Diener wurde also die freie Wahl überlassen und er wurde auf diese Entscheidungsfreiheit hingewiesen. Dafür spricht das Ende desselben Verses: ,,Sie aber zogen dem rechten Weg die Blindheit vor. “ Das Gleiche gilt auch für die Aussage Allâhs: ,,und zeigten ihm die beiden Wege (des Guten und Bösen)?“ (Sûra 90: 10). Dies bedeutet: Wir zeigten ihm deutlich den Weg des Guten und den Weg des Übels.

 

Mit der besonderen Rechtleitung hingegen ist gemeint, dass Allâh den Menschen nicht nur auf den Weg des Glaubens hinweist, sondern ihn vielmehr dazu führt, Seinen Geboten zu gehorchen und es ihm erleichtert, dem Weg der Erlösung zu folgen. Diese Art verdient aber nur derjenige, der danach strebt und sich darum bemüht. In diesem Sinne sagt Allâh: ,,Das sind diejenigen, die Allâh rechtgeleitet hat.“ (Sûra 6: 90) und auch: ,,Wen Allâh rechtleiten will, dem tut Er die Brust auf für den Islâm.“ (Sûra 6: 125). Nach dieser Erklärung dürfte es nicht mehr schwer fallen, die Verse über die spezielle Rechtleitung der Gottesfürchtigen, sowie über die allgemeine Rechtleitung aller Menschen zu verstehen.

 

Somit klärt sich auch die vermeintliche Diskrepanz zwischen dem Vers: ,,Gewiss, du kannst nicht rechtleiten, wen du gern (rechtgeleitet sehen) möchtest.“ (Sûra 28: 56) und dem Vers: ,,Und du leitest ja wahrlich zu einem geraden Weg“ (Sûra 42: 52) Die Rechtleitung im ersten Vers, die dem Propheten  möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken abgesprochen wurde, ist also die spezielle Rechtleitung, also der Erfolg durch Allâh, den Makellosen und Erhabenen. Die dem Propheten  möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken zugesprochene Rechtleitung, die im zweiten Vers erwähnt wird, ist demnach die Rechtleitung im allgemeinen Sinne oder anders ausgedrückt der Hinweis auf den Weg; sie bezieht sich auf seine Aufgabe, die er so vortrefflich ausführte und somit den Menschen einen klaren Weg hinterließ, der tags wie nachts gleich deutlich zu erkennen ist; wer sich jedoch davon abwendet, wird zugrunde gehen.

 

Die Qurânkommentaroren erklärten Verse wie den zweiten Vers der zweiten Sûra ,,eine Rechtleitung für die Gottesfürchtigenjedoch auch anders, daher sollte man bei einem Thema wie diesem solche Interpretationsmöglichkeiten nicht außer Acht lassen:

 

Allâh der Makellose erwähnte, dass Er speziell die Gottesfürchtigen rechtleitet - auch wenn der Qurân alle Geschöpfe rechtleitet - um sie auszuzeichnen, zu ehren und ihren Vorzug zu bezeugen, weil sie an Ihn und Seine Botschaft glauben. Die spezielle Rechtleitung bezieht sich auf den Werdegang: Wer sich fest an die Richtschnur des Qurân klammert, der wird zu den Gottesfürchtigen gehören. Ihre Rechtleitung wurde speziell erwähnt, weil sie tatsächlich durch ihn rechtgeleitet wurden, auch wenn Allâh jedem den rechten Weg zeigt, egal ob Muslim oder Nichtmuslim. In letzterem Sinne sagt Allâh: ,,als Rechtleitung für die Menschen“ (Sûra 2:185)

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