Der Kern des Islâm – Begreifen wir das Wesentliche nicht?

10/04/2019| IslamWeb

Für Manche ist ein Bild von Monet lediglich ein Zusammenfügen von Punkten. Für andere ist es ein perfektes Meisterstück. Für Manche ist der Islâm lediglich ein Kodex von Regeln und Bestimmungen. Doch für diejenigen, die verstehen, ist er eine perfekte Lebensanschauung.

Als Muslime konzentrieren wir uns oft so sehr auf die Gebote und Verbote im Islâm, dass wir nicht über den Tellerrand hinausblicken. Der Islâm kam, um unsere Verhaltensweise zu vervollkommnen, und trotzdem sind wir bereit, zu brüllen und zu schreien, um einen Streit um Opferfleisch zu gewinnen. Der Islam kam, um eine Verbindung mit unserem Schöpfer herzustellen, und während wir den Hidschâb und Kufis (Kopfbedeckung für Männer) tragen, schieben wir unsere Gebete hinaus.

Der Islâm kam, um eine Gemeinschaft von Gläubigen zu etablieren. Doch während wir unsere Moscheen mit Gold und Silber schmücken, bleiben unsere Gebetsreihen leer. Der Islâm kam, um uns über Allâh zu unterrichten, und obwohl wir Seine Worte auf unseren Halsketten tragen und unsere Häuser damit ausschmücken, bleiben unsere Herzen bei der Rezitation dieser Verse unberührt und unser Leben unverändert. 

Der Islâm kam, um uns zu einer Bruderschaft zu machen, dennoch spalten wir uns und entfremden uns voneinander wegen Angelegenheiten wie das Sichten der Mondsichel oder Wahlen.

Dies soll natürlich nicht bedeuten, dass die Gebote und Verbote im Islâm nicht wichtig sind. Sie sind äußerst wichtig. Das Problem ist, dass wir vergessen haben, wofür sie stehen. Das Tragen islâmischer Kleidung sollte beispielsweise niemals verharmlost werden. Doch wir haben vergessen, dass dieser Hidschâb und dieser Bart lediglich Symbole unserer größeren Gottergebenheit sind. Wenn wir diesen Hidschâb und diesen Bart tragen und dies keine Auswirkung auf unseren Charakter hat, dann bedeutet dies, dass wir das Wesentliche nicht begriffen haben.

Wenn wir Tausende von Euros dafür ausgeben, unsere Moscheen auszuschmücken, jedoch dann unsere Moscheen lediglich dazu nutzen, um unseren Status zur Schau zu stellen und Diskussionen zu gewinnen, dann ist uns deren zugedachter Zweck entschwunden. Und wenn wir für jeden Inhaltsstoff von Gesichtsseife das auswendig kennen, was harâm und halâl ist, jedoch Geschäfte besitzen, die mit Zinsen gegründet wurden, und Alkohol verkaufen, haben wir Allâhs Religion dann nicht ad absurdum geführt?

Diese Religion verwandelt die Menschen von den Niedrigsten der Niedrigen zu den Statthaltern Allahs auf Erden. Der Qurân besagt: „Und als dein Herr zu den Engeln sagte: »Ich bin dabei, auf der Erde einen Statthalter einzusetzen« (…)“ (Sûra 2:30).

Als Statthalter Allâhs auf Erden ist uns eine sehr große Verantwortung übergeben worden. Es ist ein anvertrautes Gut, das so schwer ist, dass selbst die Berge sich davor scheuten. Allâh berichtet uns im Qurân: „Wir haben das anvertraute Gut den Himmeln und der Erde und den Bergen angeboten, aber sie weigerten sich, es zu tragen, sie scheuten sich davor. Der Mensch trug es – gewiss, er ist sehr oft ungerecht und sehr oft töricht.“ (Sûra 33:72).

Als Gläubige sollten wir diese Verantwortung niemals aus den Augen verlieren! Die Erfüllung dieses Auftrags macht uns aus „(…) den Niedrigsten der Niedrigen (…)“ (Sûra 95:5) zur „(…) besten Gemeinschaft, die für die Menschen hervorgebracht worden ist (…)“ (Sûra 3:110). 

Doch wie können wir zu dieser „… besten Gemeinschaft …“ werden? Allâh beschreibt es in Seinem Offenbarungsbuch: „Ihr seid die beste Gemeinschaft, die für die Menschen hervorgebracht worden ist. Ihr gebietet das Rechte und verbietet das Verwerfliche und glaubt an Allâh (…)“ (Sûra 3:110).

Der Kern dieser Anstrengung besteht darin zu glauben, uns für die Wahrheit einzusetzen und gegen das Schlechte anzukämpfen. Sobald wir diesen edlen Einsatz aufgeben, gehören wir zu den Menschen, die Allâh in der Sûra Al-Asr (103) als Menschen in einem Zustand des Verlusts beschreibt. Allâh beschreibt auch jene, die vor diesem Zustand bewahrt werden: „Außer denjenigen, die glauben und rechtschaffene Werke tun und einander die Wahrheit eindringlich empfehlen und einander die Standhaftigkeit eindringlich empfehlen“ (Sûra 103:3).

Wenn wir also weiterhin diesen übergeordneten Auftrag und Zweck ignorieren, dann werden wir die perfekte Lebensanschauung lediglich in ein Zusammenfügen von Punkten transformieren.

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