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Wird man für die Sünden anderer zur Rechenschaft gezogen?

Wird man für die Sünden anderer zur Rechenschaft gezogen?

Zu den schönen Namen Allâhs gehört „Der Gerechte“. Die Gerechtigkeit ist die Grundlage der herabgesandten Bücher, und mit ihr wurden Himmel und Erde erschaffen. Es gehört zum Islâm, dass der Mensch Verantwortung trägt und somit auch für seine Taten zur Rechenschaft gezogen wird. Falls diese gut sind, werden sie mit dem Besten vergolten, und falls sie schlecht sind, wird dementsprechend bestraft. Aus dieser Grundregel folgt, dass der Mensch keine Last beziehungsweise Sünde eines anderen zu tragen hat und auch nicht für die Taten anderer Menschen bestraft wird. Dies wird vom Islâm, sowie vom gesunden Menschenverstand abgelehnt.

Der edle Qurân erklärt dies an mehreren Stellen, sprich, dass man nicht die Sünden der anderen zu tragen hat, sondern für seine eigenen Taten Rechenschaft ablegen muss: „Und keine lasttragende (Seele) nimmt die Last einer anderen auf sich.“ (7:164)
Auf der anderen Seite steht in einem Hadîth: „Der Tote wird dafür bestraft, dass seine Angehörigen laut über ihn weinen.“ Berichtet von Al-Buchârî und Muslim.
In der zweiten Überlieferung heißt es: „Der Tote wird für das laute Weinen der Lebenden bestraft.“ Ebenfalls von Al-Buchârî und Muslim berichtet. Die Hadîthe deuten darauf hin, dass der Verstorbene am Klagen der Trauernden leidet.
Es scheint ein eindeutiger Widerspruch zwischen obigem Vers und den beiden Hadîthen zu bestehen, da der obige Vers angibt, dass man nicht für die Sünden anderer zur Rechenschaft gezogen oder bestraft wird, wobei die beiden Hadîthe besagen, dass man für die Sünden anderer bestraft wird. Wie kann man also beide Bedeutungen zusammen in Einklang bringen?
Die Gelehrten erklären, dass der obige Vers und der Hadîth in Einklang zu bringen sind und es nicht den geringsten Widerspruch gibt:
1. Die Pein, die den Toten durch das laute Weinen seiner Angehörigen heimsucht, ist auf ihn selbst zurückzuführen, da er seine Angehörigen vor seinem Tod damit beauftragte, dass sie bei seinem Tod laut klagen und schreien sollen. Somit wird er für diese Beauftragung bestraft, die im Islâm verboten ist. Falls der Tote aber vor seinem Tod klarstellte (durch das Testament oder mündlich), dass niemand bei seinem Tode laut weinen oder schreien darf, seine Angehörigen es aber trotzdem tun, hat er keine Pein zu befürchten, sondern jener, der diese Tat begeht. Allâh sagt nämlich: „Und keine lasttragende (Seele) nimmt die Last einer anderen auf sich.“
Die Gelehrten fügen dem noch hinzu, dass es die Angewohnheit der Araber vor dem Islâm war, ihre Angehörigen vor dem Tod damit zu beauftragten nach ihrem Tod laut zu klagen und zu schreien. Dies war ihre Tradition, bis der Islâm kam und diese abschaffte. Die Mehrheit der Gelehrten vertritt diese Meinung.
2. Die Strafe trifft den Toten, weil er wusste, dass seine Angehörigen bei einem Todesfall laut klagen und schreien, oder er vernachlässigte es, ihnen diese Tradition zu verbieten. Falls er ihnen aber vor seinem Tod diese Tat untersagte und jene dies trotzdem taten, hat er keine Pein zu befürchten, sondern nur seine Angehörigen, die laut schreien und weinen sündigen. Er hat nichts zu befürchten, da er seine Pflicht getan hat. Die Befürworter dieser Aussage verpflichten, dass man seinen Angehörigen diese Tat verbieten muss, falls man weiß, dass es ihr Brauch ist. Falls er dies unterlässt, wird er für seine Unachtsamkeit bestraft, da Allâh sagt: „Und keine lasttragende (Seele) nimmt die Last einer anderen auf sich.“ (Sûra 66:6)
3. Dass das Wort Bestrafung hier metaphorisch zu verstehen ist, also die Empfindung von Schmerzen und nicht die wirkliche Bestrafung. Die Bestrafung des Toten liegt also darin, dass er traurig über das laute Weinen und Schreien seiner Angehörigen ist, sowie darüber, dass sie sich (dadurch) nicht an die islâmischen Gesetze halten. Dieser Meinung ist At-Tabarî, der Qâdî Iyâd und Ibn Taimiya, die diese Meinung mit der Aussage des Propheten  möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken beweisen: „Ich schwöre bei Dem, in Dessen Hand die Seele Muhammeds ist, wenn einer von euch klagt, wird euer (toter) Freund Tränen weinen. Deswegen, o Diener Allâhs, quält nicht eure Verstorbenen!“ Berichtet von Ibn Abû Schaiba und At-Tabarânî. Ibn Hadschar sagte dazu: "Die Überlieferungskette ist gut (hasan)".
Der Verstorbene spürt das Klagen seiner Angehörigen und Freunde und ist auf Grund ihrer Traurigkeit auch traurig, und dies bereitet ihm Schmerzen.
Dieser Hadîth verdeutlicht auch, dass es nur verboten ist, mit lauter Stimme zu weinen und zu schreien, zu weinen ist jedoch nicht verboten, solange man nicht schreit. Dies ist erlaubt und nicht vom Hadîth beabsichtigt.
Somit ist klar, dass der Mensch nicht für die Sünden anderer bestraft wird, außer wenn er der Grund für deren Sünde ist (wie z.B. der Vater, der bei der Erziehung seiner Kinder nachlässig war). Hierauf wird er für seine Nachlässigkeit bestraft. Ansonsten gilt die allgemeine Regel:
„Allâh erlegt keiner Seele mehr auf, als sie zu leisten vermag. Ihr kommt (nur) zu, was sie verdient hat, und angelastet wird ihr (nur), was sie verdient hat.“ (Sûra 2:286)

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