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Die Geschichte meines Haddsch - Teil 1

Die Geschichte meines Haddsch - Teil 1

Leichte, sanfte Tonwellen flossen um mich herum. Das Gebäude schien so trübe, oder kam es mir nur so vor? „Allâhu Akbar (Allâh ist größer)“ hallte aus allen Richtungen. Tausende von Händen streckten sich verzweifelt in die Nacht, in der Hoffnung ein Ziel auf der Steinsäule zu treffen. Indem ich meinen Kopf langsam bewegte, als wäre ich in einem Traum, beobachte ich alles um mich herum. Es schien, als wäre ich in der Zeit stehen geblieben, und ich versuchte genauer zu sehen, wonach die Hände sich auszustrecken schienen, indem ich meinen Kopf leicht in die Höhe bewegte. Eine große Steinsäule stand vor ihnen, mit einer Wolke von Steinen um sie herum.

War dies der Ort an dem der Satan versuchte, den Propheten Abraham zu verführen? Es wurde mir langsam klar, wo ich war, um vier Uhr morgens schien das meiste des Lebens verschwommen zu sein. Ein Ruck zu meiner Linken weckte mich aus meinem Schlaf. Ich erhob langsam meinen Kopf und sah meinen Ehemann mir etwas zurufen. Er sah verzweifelt aus, jedes Wort schien meine Aufmerksamkeit ergreifen zu wollen, aber ich sah nur, wie sein Mund sich bewegte und Worte formte. Ich wandte mich wieder der Steinsäule zu und erstarrte in Ungläubigkeit: „Bin ich wirklich hier?“
Nochmals brachte ein Ruck zu meiner Linken meine Aufmerksamkeit auf meinen Mann zurück, der an mir hing. Dieses Mal versuchte ich, mich darauf zu konzentrieren, was er sagte, anstatt dass er nur den Hintergrund meines Erstaunens darstellte. Mit einem verzweifelten Keuchen kam er näher an mein Gesicht: „Lass meinen Arm los!“ Seine Worte erklangen laut. Ich schaute auf meinen linken Arm, der wie eine Krebszange um den Arm meines Ehemannes geklammert war. Indem ich meinen Kopf nach rechts drehte, sah ich meinen kleinen weichen Beutel an einer Schnur an meiner rechten Hand hängend. Ich dachte still bei mir, als mich plötzlich alles traf, ich schnellte zurück in die Realität, als wäre ich von einem Blitz getroffen. Ich drehte meinen Kopf zurück zu meinem linken Arm und realisierte, dass ich den rechten „Wurfarm“ meines Mannes in einem festen Todesgriff hatte.
„Ah...,“ hob und senkte ich meinen Kopf, „er muss werfen und ich habe seinen rechten Arm.“ Wie in einem Film ließ ich seinen Arm los, er sah erleichtert aus und fing sofort an zu werfen. Ich schaute ihm zu, wie in einem dunklen Kino, wie er warf und dabei „Allâhu Akbar“ sagte. Es war aufregend ihm zuzuschauen, aber bevor ich es mir zu gemütlich machen konnte, drehte er sich zu mir in absoluter Ekstase und schrie über die Menge hinweg: „Wirf!“
„Wirf?“ fragte ich mich selbst. O nein, ich bin einfach zu weit entfernt. Ich blickte auf all die Leute vor mir und wusste, dass mit meinem Ruf die Letzte zu sein, die in der Schule für irgendein Spiel gewählt wurde, das irgendetwas mit Werfen zu tun hat, weil jeder vor mir in Gefahr war. Ich schaute zu Muhammad, öffnete meinen Mund und rief „Nein!“ Er schaute zu mir, während die Menschen hoch kamen wie Regenwolken. „Wirf!“ schrie er nochmals. „Nein, es ist zu weit!“ Das war es, sagte ich ihm, ich muss nur näher kommen, oder ich kann nicht werfen. „Lynn,“ schüttelte er seinen Kopf ungläubig, „wir können nicht noch näher kommen, du musst werfen.“ „Ich kann nicht so weit werfen, vielleicht treffe ich jemanden,“ sagte ich. Muhammad schaute zu mir: „Wirf hoch und ziele!“ Das ist ein guter Ratschlag für jemanden, der werfen und zielen kann, aber ich wurde mir bewusst, dass es vergeblich war ihn zustimmen zu lassen, dass wir näher heranrücken.
Eine Stimme zu meiner Rechten brauste an mir vorbei „Aqsa...“ Dies war unser persönlicher Führer unserer Gruppe. Ein 150 kg schwerer Bruder aus Afrika – er schien eine gute Wahl zu sein. Er marschierte mit uns allen zu den Steinsäulen und wedelte mit einem Teil seines Obergewandes in der Luft, damit wir ihm durch die Menschenmenge folgten. Er wusste offensichtlich, was er machte, und wir waren alle bereitwillig zu folgen. Ich wurde mir darüber klar, dass bald unsere gesamte Gruppe mit dem Werfen fertig sein würde, und ich diskutierte immer noch mit meinem Mann über die Distanz. Mit dem verzweifelten Wunsch nicht zurückgelassen zu werden oder von unserer Gruppe getrennt zu werden, öffnete ich die Schnur meines kleinen Beutels und zog ein Steinchen heraus.
Ströme von Gedanken über diese Nacht, die Jahre zu dauern schien, trafen mich aus Muzdalifa. Auf der Fahrt zu dieser großen flachen Wüstenlandschaft zeigte unser Fahrer hinter die Busse und sagte uns, dass wir die Nacht dort verbringen sollten. Während wir uns durch die Busreihen schlängelten, erreichten wir letztendlich Muzdalifa. Es war ein riesig flaches Land, wo wir am Abend zelten würden, vor unserem großen Tag am zehnten Dhû Al-Hiddscha. Ein Fest für alle Anderen, aber für uns war es der größte Tag unseres Haddsch.
Muhammad und ich legten unsere „spezielle Haddsch-Matte mit aufblasbaren Kissen“ hin; es schien ein gemütlicher Platz zu sein, neben dem Polizeizelt, um den Wind abzublocken. Dies war eine besondere Zeit – wir hatten gerade einen vollen Tag in der Arafa-Ebene hinter uns, wo wir Allâh anbeteten und um Vergebung unserer Sünden baten. Als wir nach Muzdalifa zogen, ging mir der Hadîth durch den Kopf „Das Abendgebet ist vor euch.“ Es war seltsam, das Abendgebet nicht rechtzeitig zu beten, aber es war alles Teil der Gnade Allâhs – Allâhs Plan. Der Regen und der Wind werden alle durch Allâhs Gnade entsandt: Ich dachte, dass ich sowieso etwas primitiv leben müsste, aber ich realisierte es nicht zu dieser Zeit.
Nachdem wir Abend- und Nachtgebet kombiniert hatten, war ich erstaunt darüber all meine Steinchen auf der „Haddschi-Spezial-Matte“ zu finden, die mit einigen Rucksäcken, einem Liter abgefüllten Wassers und einigen staubigen Schuhen fest verbunden war. Als ich den Haufen von Steinen direkt unter den Matten durchsuchte, häufte ich sie hoch auf und begann damit, nach denen zu suchen, die am geeignetsten schienen. Worte von lieben Freunden, die sagten „Benutze nicht die aus Beton, die sind zu leicht!“ drangen in meinem Kopf. Ich warf diese schnell zu meiner Rechten, und als ich mich zu meiner Rechten drehte, kam Muhammad gerade zurück vom Gebet.
„Wie läuft es?“ fragte er mit blutunterlaufenen Augen. Weil ich mich schuldig fühlte, dass ich so selbstbewusst war, versuchte ich meine Stimme auf einen irgendwie ähnlichen Zustand zu senken. Katzenschlummer wurde mein spezielles Heilmittel während des Haddsch, zusammen mit 2,000 mg Vitamin C und Multivitaminen. Der Prophet Muhammad  möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken , sagte, dass es für jede Krankheit ein Heilmittel gibt. Also entschloss ich mich der Krankheit zuvorzukommen, bevor sie mich traf, obwohl ich wusste, dass es alles in Allâhs Händen liegt. Ich schob den Steinhaufen zu Muhammad; „Kannst du dir sie mal ansehen? Ich möchte niemandem wehtun, falls sie zu groß sind.“ Es war dunkel, aber ich konnte hören, wie Muhammad einige meiner wertvollen Steinchen zurück in die Wüste warf. Mit hochgezogenen Augenbrauen und nachdem ich gemerkt hatte, dass der Haufen zur Hälfte seiner ursprünglichen Größe geschrumpft war, drehte ich mich zu ihm und fragte: „He, was machst du mit all meinen Steinchen?“ Muhammad drehte sich etwas zu mir und immer noch werfend sagte er: „Sie sind zu groß.“
„Nun, du kannst sie nicht einfach so wegwerfen,“ sagte ich, während ich näher zur Kante meiner Matte rückte um nach anderen zu suchen. Während ich murmelnd sagte: „Es bereitete mir viel Mühe sie zu finden,“ hob ich die Matte hoch und schob einige unter ihr versteckte graue Steinchen nach außen. Wütend suchte ich weiterhin neue aus und warf sie vorsichtig in Muhammads Richtung. Es erschien wie eine lange Zeit, aber am Ende hatte ich endlich genug. Ich wusste tief in mir, dass Muhammad Recht hatte, aber ich war zu müde um etwas zuzugeben – ich wollte nur schlafen gehen. Das ist es, was wir machen sollten, es ist die Tradition des Propheten  möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken , in Muzdalifa gut zu schlafen, damit man für den großen Tag gut ausgeruht ist.

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