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Suhaib Ar-Rûmi

Suhaib Ar-Rûmi

Ungefähr zwanzig Jahre vor dem Beginn der Sendung des Propheten, also etwa Mitte des sechsten nachchristlichen Jahrhunderts, regierte ein Araber namens Sinân ibn Malik die Stadt Al-Uballah im Auftrag des persischen Kaisers. Die Stadt, die jetzt Teil von Basra ist, liegt am Ufer des Euphrat. Sinân  lebte in einem luxuriösen Palast am Ufer des Flusses. Er hatte mehrere Kinder und mochte besonders einen Jungen, der zu jener Zeit knapp fünf Jahre alt war. Sein Name war Suhaib. Er war blond und von heller Gesichtsfarbe sowie lebhaft und aufgeweckt und machte seinem Vater große Freude.

 
Eines Tages nahmen ihn Suhaibs Mutter und einige ihrer Familienmitglieder zu einer Stadt namens At-Thânî für ein Picknick mit sich. Was ein entspannter und freudiger Tag werden sollte, wurde zu einem entsetzlichen Erlebnis, das das Leben des jungen Suhaib für immer verändern sollte. An diesem Tag wurde die Stadt Ath-Thâni von einer Kampftruppe byzantinischer Soldaten angegriffen. Die Bewacher, die das Picknick bewachten, wurden überwältigt und getötet. Alle Besitztümer wurden beschlagnahmt und eine große Zahl an Menschen wurde gefangen genommen. Unter ihnen war Suhaib ibn Sinân .
 
Suhaib wurde zum Verkauf zu einem Sklavenmarkt des byzantinischen Reiches gebracht, dessen Hauptstadt Konstantinopel war. Danach wurde er von einem Sklavenhalter zum anderen gereicht. Sein Schicksal unterschied sich nicht von dem Tausender anderer Sklaven, die die Häuser, Paläste und Schlösser von byzantinischen Herrschern und Adligen füllten. Suhaib verbrachte seine Kindheit und seine Jugend als Sklave.
 
Etwa zwanzig Jahre lang blieb er auf byzantinischem Boden. Dies verschaffte ihm die Möglichkeit ein wenig Wissen und Verständnis über Byzanz und dessen Gesellschaft zu erlangen. In den Palästen der Adligen sah er mit seinen eigenen Augen die Ungerechtigkeiten und die Verderbtheit des byzantinischen Lebens. Er verabscheute diese Gesellschaft und sagte sich später: „Eine Gesellschaft wie diese kann nur durch eine Sintflut gesäubert werden.“
 
Suhaib wuchs natürlich griechisch-sprachig auf, die Sprache des byzantinischen Reiches. Er vergaß praktisch das Arabische. Aber er vergaß nie, dass er ein Wüstensohn war. Er sehnte sich nach dem Tag, an dem er wieder frei sein würde, um sich seinem Volk anzuschließen. Bei der ersten Gelegenheit flüchtete Suhaib aus der Sklaverei und begab sich direkt nach Makka, das ein Schutz- und Zufluchtsort war. Dort nannten ihn die Leute auf Grund seiner eigenartig schweren Sprache und seiner blonden Haare Suhaib „Ar-Rûmî“ oder „der Byzantiner“. Er wurde der Sachwalter von ´Abdullah ibn Yudan, einem Adligen in Makka. Er begann zu handeln und wuchs. Er wurde sogar sehr reich.
 
Eines Tages kam er von einer seiner Handelsreisen nach Makka zurück. Ihm wurde gesagt, dass Muhammad, der Sohn von ´Abdullah damit begonnen hatte, die Menschen dazu aufzurufen allein an Allâh zu glauben und sie aufforderte gerecht zu sein und gute Taten zu verrichten und ihnen schändliche und verwerfliche Taten verbot. Er erkundigte sich umgehend, wer Muhammad war und wo er sich aufhielt. Es wurde ihm gesagt: „Im Haus von Al-Arqam ibn Abû Al-Arqam. Sei trotzdem vorsichtig, dass kein Quraischi dich sieht! Wenn sie dich sehen, dann machen sie die schlimmsten Dinge mit dir. Du bist ein Fremder hier und weder gibt es eine Stammesbindung, um dich zu schützen, noch hast du irgendeinen Stamm, der dir hilft.“
 
Suhaib ging vorsichtig zum Haus Al-Arqams. An der Tür traf er ´Ammâr ibn Yâsir, den jungen Sohn eines jemenitischen Vaters, den er kannte. Er zögerte einen Moment und ging dann zu ´Ammâr und sagte: „Was willst du hier, ´Ammâr?“ -  „Was willst du eigentlich hier?“, gab ´Ammâr zurück. „Ich will zu diesem Mann gehen und persönlich von ihm hören, was er sagt.“ - „Das will ich auch tun.“ - „Dann lass uns gemeinsam mit Allâhs Segen hineingehen!“ Suhaib und ´Ammâr traten ein und hörten zu, was Muhammad sagte. Sie waren beide sogleich überzeugt von der Wahrheit seiner Botschaft. Das Licht des Glaubens erfüllte ihre Herzen. Bei dieser Versammlung, gelobten sie dem Propheten den Treueeid und erklärten, dass es keine Gottheit  gibt außer Allâh und dass Muhammad der Gesandte Allâhs ist. Sie verbrachten den ganzen Tag in der Gesellschaft des edlen Propheten.
 
Nachts, im Schutze der Dunkelheit, verließen sie das Haus Al-Arqams. Ihre Herzen leuchteten vom Licht des Glaubens und ihre Gesichter strahlten vor Freude. Danach folgte das gewohnte Verhaltensmuster. Die Götzen dienenden Quraisch erfuhren von Suhaibs Annahme des Islâm und begannen damit ihn zu schikanieren und zu verfolgen. Suhaib bekam seinen Teil der Qual in derselben Weise wie Bilâl, ´Ammâr und dessen Mutter Sumayya, Chabbâb und viele Andere, die sich zum Islâm bekannten. Die Bestrafung war unmenschlich und schlimm, doch Suhaib ertrug alles mit einem geduldigen und mutigen Herz, da er wusste, dass der Weg ins Paradies mit Dornen und Schwierigkeiten bepflastert ist. Die Lehren des Propheten flößten ihm und anderen Gefährten eine seltene Stärke und seltenen Mut ein.
 
Als der Prophet seinen Anhängern die Erlaubnis gab, nach Madîna auszuwandern, beschloss Suhaib den Propheten und Abû Bakr zu begleiten. Die Quraisch durchschauten jedoch seine Absichten und vereitelten seine Pläne. Sie setzten Wächter auf ihn an, um ihn davon abzuhalten aufzubrechen und den Besitz, das Gold und das Silber, das er durch Handeln erwirtschaftet hatte, mitzunehmen. Nach dem Aufbruch des Propheten und Abû Bakrs, wartete Suhaib weiter den richtigen Zeitpunkt ab, sich ihnen anzuschließen. Er blieb erfolglos. Die Augen seiner Bewacher waren immer aufmerksam und wachsam. Die einzige Lösung war, auf eine List zurückzugreifen. In einer kalten Nacht gab Suhaib vor, Magenprobleme zu haben und verließ wiederholt das Haus, als würde er seine Notdurft verrichten. Seine Geiselnehmer sprachen sich gegenseitig zu: „Keine Sorge. Al-Lât und Al-´Uzzâ beschäftigen ihn mit seinem Magen!“ Sie entspannten sich und der Schlaf überkam sie. Suhaib schlich leise heraus, als würde er auf die Toilette gehen. Er bewaffnete sich, machte ein Reittier bereit und brach in Richtung Madîna auf.
 
Als seine Geiselnehmer aufwachten, bemerkten sie aufgeschreckt, dass Suhaib weg war. Sie machten ihre Pferde bereit und begannen eine heiße Verfolgungsjagd und holten ihn schließlich ein. Als er sie sich nähern sah, kletterte Suhaib auf einen Hügel. Seinen Pfeil und Bogen bereit haltend rief er: „Männer der Quraisch! Ihr wisst bei Allâh, dass ich einer der besten Bogenschützen bin und mein Ziel nicht verfehle. Bei Allâh, wenn ihr euch mir nähert, werde ich mit jedem Pfeil, den ich besitze, einen von euch töten! Dann werde ich mit meinem Schwert zuschlagen!“ Ein Sprecher der Quraisch antwortete: „Bei Allâh, wir werden dich nicht mit deinem Leben und deinem Geld entkommen lassen! Du kamst schwach und arm nach Makka und hast viel bekommen.“ -  „Was würdet ihr sagen, wenn ich meinen Besitz zurücklasse?“, unterbrach Suhaib. „Würdet ihr mir den Weg frei machen?“ - „Ja!“, stimmten sie ein. Suhaib beschrieb den Ort in seinem Haus in Makka, an dem er das Geld gelassen hatte und sie erlaubten ihm zu gehen. Er ritt so schnell er konnte nach Madîna, in Erwartung mit dem Propheten zu sein und die Freiheit zu haben, Allâh in Frieden anzubeten.
 
Immer wenn er sich auf seinem Weg nach Madîna müde fühlte, stärkte ihn der Gedanke den Propheten zu treffen und er ritt noch entschlossener weiter. Als Suhaib Qubâ erreichte, ein wenig außerhalb von Madîna, wo der Prophet selbst nach seiner Auswanderung ankam, sah der Prophet ihn sich nähern. Er war überglücklich und grüßte Suhaib mit strahlendem Lächeln. „Dein Handel war erfolgreich, o Abû Jahja! Dein Handel war erfolgreich!“ Er wiederholte dies drei Mal. Suhaibs Gesicht strahlte vor Freude, als er sagte: „Bei Allâh! Niemand ist vor mir zu dir gekommen, Gesandter Allâhs, und nur Gabriel kann dir davon berichtet haben.“ Ja gewiss! Suhaibs Handel war erfolgreich. Die göttliche Offenbarung bestätigt dessen Wahrheit: „Unter den Menschen gibt es manchen, der sich selbst im Trachten nach Allâhs Zufriedenheit verkauft. Und Allâh ist sanftmütig gegenüber den anbetend Dienenden.“ (Sûra 2:207).
 
Was bedeutet Geld und was bedeutet Gold und was bedeutet die ganze Welt, solange der Glaube bleibt! Der Prophet beglückwünschte Suhaib zu einem großartigen Handel. Er wurde vom Propheten gelobt und als Vorreiter des Islam für die Byzantiner beschrieben.
 
Zusätzlich zu seiner demütigen Ehrfurcht gegenüber Allâh und seiner Besonnenheit war Suhaib manchmal auch leichtherzig und hatte einen Sinn für Humor. Eines Tages sah ihn der Prophet Datteln essen. Er bemerkte, dass Suhaib an einem Auge eine Entzündung hatte. Der Prophet sagte zu ihm lachend: „Isst du reife Datteln, obwohl du an einem Auge eine Entzündung hast?“ „Was ist dabei?“, antwortete Suhaib. „Ich esse sie mit dem anderen Auge.“ Suhaib war auch für seine Großzügigkeit bekannt. Er gab all seine Zuschüsse aus dem Fiskus um Allâhs willen, um den Armen und den Notleidenden zu helfen. Er war ein gutes Beispiel für den Qurân-Vers: „und sie geben – aus Liebe zu Ihm - Speise zu essen einem Armen, einer Waisen und einem Gefangenen“ (Sûra 76:8). Er war so großzügig, dass ´Umar einmal bemerkte: „Ich habe dich so viel Essen verteilen sehen, dass du sehr verschwenderisch zu sein scheinst.“ Suhaib antwortete: „Ich habe den Gesandten Allâhs sagen hören: „Der Beste von euch ist derjenige, der Essen verteilt.““ Suhaibs demütige Ehrfurcht gegenüber Allâh und sein Ansehen unter den Muslimen war so hoch, dass er von ´Umar ibn Al-Chattâb auserwählt wurde, die Muslime in der Zeit zwischen dessen Tod und der Wahl dessen Nachfolgers zu führen. Als er im Sterben lag, nachdem er von Abû Lu’lu‘a, einem Feueranbeter, während des Leiten des Morgengebets schwer verwundet worden war, ließ ´Umar sechs Gefährten kommen: ´Uthmân, ´Alî, Talha, Zubair, ´Abdurrahmân ibn ´Auf und Sa´d ibn Abû Waqqâs. Er bestimmte keinen von ihnen als seinen Nachfolger, denn wenn er dies, gemäß einem Bericht getan hätte, „hätte es für eine kurze Zeit zwei Kalifen gegeben, die sich gegenüberstehen.“ Er wies die Sechs an, unter sich und mit den Muslimen drei Tage lang zu beraten und einen Nachfolger auszuwählen, und dann sagte er: „und lasst Suhaib die Leute im rituellen Gebet führen!“ In der Zeit, in der es keinen Kalifen gab, wurde Suhaib die Verantwortung und die Ehre zuteil, das rituelle Gebet zu führen und - mit anderen Worten - das Oberhaupt der Gemeinschaft der Muslime zu sein. Suhaibs Ernennung durch ´Umar zeigt, wie gut Menschen vieler verschiedener Hintergründe in der islamischen Gemeinschaft integriert und geehrt werden.
 
Einst, in der Zeit des Propheten, versuchte ein Heuchler namens Qais ibn Mutatiya Gespött und Schande in Teilen der Gemeinschaft zu verbreiten. Qais stieß auf einen Lehrkurs, in dem Salmân Al-Fârisî, Suhaib Ar-Rûmî und Bilâl Al-Habaschî  möge Allah mit ihnen zufrieden sein saßen und merkte an: „Die Aus und die Chazradsch setzten sich für die Verteidigung dieses Mannes (Muhammad) ein. Und was tun diese Leute, die mit ihm sind?“ Mu´âdh war wütend und benachrichtigte den Propheten darüber, was Qais gesagt hatte. Der Prophet war sehr verärgert. Er ging in die Moschee und der Gebetsruf wurde durchgeführt, weil dies die Methode war, die Muslime für eine wichtige Ankündigung zu versammeln. Dann stand er auf, lobpreiste Allâh und sagte: „Euer Herr ist Einer. Euer Urvater ist einer. Eure Religion ist eine. Nehmt euch in Acht! Das Araber-Sein wurde euch nicht durch eure Mütter oder eure Väter verliehen. Es ist auf Grund der Zunge [der arabischen Sprache]. Wer auch immer also Arabisch spricht, der ist ein Araber.“

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