Einführung in die Qurânwissenschaften - Teil 5: Historische Fakten über die Niederschrift des Qurân

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Historische Fakten über die Niederschrift des Qurân

 

Schon in der frühen Zeit des Islâm gab, es also schriftliche Blätter des Wortlautes verschiedener Sûren des Qurâns. Verschiedene geschichtliche Tatsachen geben uns Rechenschaft über das, was geschah. In der Reihe solcher Berichte gehört die Bekehrungsgeschichte von Umar ibn Al-Chattâb (auch mit verschiedenen Überlieferungen), die bekannteste aller Bekehrungen, welche die islâmische Geschichte kennt. Umar, der spätere zweite Kalif gilt als die vierzigste Person, die den Islâm angenommen hatte; das war im Jahre 8 vor der Hidschra (Jahr 5 der Sendung).

 

Er war ursprünglich einer der gefährlichsten Gegner der jungen muslimischen Gemeinde, ein Mann von 30 oder 35 Jahren. Er verfügte über enorme Muskelkraft und Energie und liebte Spiel, Wein und Poesie. Er galt als ebenso gefühlvoll wie jähzornig.
 
Eigentlich hatte er an dem Tag, an dem die Handlung spielt, vor, den Propheten zu töten. Doch gerade als er zu ihm hingehen wollte, erfuhr er, dass sich seine Schwester Fâtima und deren Mann Sa’îd ibn Zayd dem Islâm angeschlossen hatten. Wutentbrannt lief er zu ihrem Haus Schon auf der Straße vor der Haustür hörte er, wie jemand den beiden den Qurân vortrug. Umar stürmte in das Zimmer. Der Rezitator versteckte sich, so schnell er nur konnte, während Fâtima die Qurânblätter an sich nahm und unter ihren Beinen versteckte.
 
„Was war das für ein Murmeln, das ich hörte?“, herrschte Umar sie an. „Du hast nichts gehört“, versuchten Fâtima und ihr Mann ihn zu beruhigen.
 
Da rief Umar: „Doch, das habe ich, bei Allâh, und ich weiß, dass ihr Muhammad in seiner Religion folgst!“
 
Er wollte auf seinen Schwager losgehen, aber Fâtima warf sich zwischen die beiden, so dass ihr Umar unbeabsichtigt einen gewaltigen Schlag versetzte.
 
„Ja, wir haben uns zum Islâm bekehrt, und wir glauben an Allâh und Seinen Gesandten - so tu nun, was du willst.“, riefen Fâtima und Sa’îd.
 
Umar jedoch bereute schon sein Verhalten, das Blut im Antlitz seiner Schwester rührte ihm das Herz. Mit sanfter Stimme fragte er sie nach der Schrift. Nachdem Fâtima das Versprechen abgenommen hatte, dass er sich einer rituellen Waschung unterziehen ließ, da kein Unreiner den Qurân berühren dürfe, händigte sie ihm die Blätter aus. Umar begann, die Sûra Tâhâ (Nr. 20) zu rezitieren. Nach wenigen Versen schon hielt er ein und rief:
 
„Wie wunderschön, wie erlesen ist diese Rede (mâ ahsana hadhâ Al-kalâm wa-akramah)!“
 
Nachdem er zu Ende gelesen hatte, suchte er sofort Muhammad auf, um sich vor ihm zum Islâm zu bekehren.
 
Der Verlauf der Schlacht von Siffîn im Jahre 657 belegt, dass dem Schriftstück schon sehr früh ein hoher Status zukam. Die Soldaten des militärisch unterlegenen Mu’âwîa hefteten Blätter mit Texten aus dem Qurân auf die Spitzen ihrer Lanzen und hielten somit den damaligen Kalifen Alî ibn Abû Tâlib Von einem Angriff, mit allen für die weitere Geschichte des Islâm so weitreichenden Konsequenzen ab.
 
Vernünftigerweise muss angenommen werden, dass die allerersten Offenbarungen, die der Prophet erhalten hatte, nicht sofort niedergeschrieben wurden, einfach weil es damals weder Gläubige noch Gefährten gab. Es bestand keine Gefahr, dass der Prophet sie vergessen konnte, denn er trug sie oft bei seiner Andacht für Allâh und in seinen Unterhaltungen mit den neu zu Bekehrenden vor. Außerdem waren diese Texte der ersten Zeit weder lang noch zahlreich.
 
Als der Prophet Muhammad verstarb, war der ganze Qurân aufbewahrt und niedergeschrieben, jedoch auf losen Blättern. Doch hat der Prophet nach vorherrschender muslimischer Auffassung  keine Sammlung aller schriftlich fixierten Sûren anfertigen lassen.
 
Einige jener, die als gute Kenner des Qurân geachtet waren, fielen in Schlachten. Der Kalif Abû Bakr erkannte daraufhin sofort die zwingende Notwendigkeit, den Qurân zu kodifizieren; diese Aufgabe wurde schon wenige Monate nach dem Tode des Propheten erfüllt. Dies geschah folgendermaßen:
 
Der Feldherr und spätere Kalif Umar ibn Al-Chattâb gab dem ersten Kalifen Abû Bakr (623-634) den dringenden Rat, den Qurân zu sammeln und in einem zuverlässigen Exemplar der Gemeinde zugänglich zu machen. „Wie können wir etwas tun, was der Gesandte Allâhs selbst niemals getan hat?“, erwiderte (nach einer Überlieferung) Zayd ibn Thâbit, als er von Umars Vorschlag erfuhr, die verstreuten Manuskripte zu sammeln. Diese Aussage lässt erkennen, wie wichtig die Aufgabe war und welche Bedeutung dieser Arbeit für die Sache des Islâm (auch später) zukam.
 
Nach einigem Zögern beauftragte Abû Bakr den Schreiber des Propheten Zayd ibn Thâbit mit der Aufgabe, eine Abschrift des vollständigen Textes in Form eines Buches vorzubereiten. Der Kalif machte es ihm jedoch zur Pflicht, zwei schriftliche Zeugnisse für jeden Vers zu finden, ehe dieser in die endgültige Abschrift aufgenommen wurde. Auf Verlangen des Kalifen brachten die Einwohner von Madîna ihm die in ihrem Besitz befindlichen Abschriften der Textstücke; die Reichen hatten sie auf Pergament oder auf Leder aufgezeichnet, die Armen auf flachen Steinen oder gar auf zerbrochenen Scherben.
 
Die Quellen versichern, dass lediglich zwei Verse sich auf die schriftliche Überlieferung nur eines einzigen Menschen stützten; der ganze Rest fand sich in mehrfachen Aufzeichnungen nach dem direkten Diktat des Propheten.
 
Die Abschrift, genannt Mushaf (Gesammelte Blätter) wurde bei dem Kalifen Abû Bakr aufbewahrt. Nach dem Tode Abû Bakrs wurde diese Urausgabe des Qurân seinem Nachfolger Umar (634-644) übergeben. Nach ihm wurde sie seiner Tochter Hafsa, eine der Witwen des Propheten, anvertraut. Diese Urausgabe des Qurân ist die Grundlage der späteren, auch der heute als kanonisch geltenden Fassung des Qurân.
 

Wie lange damals schon die Gewohnheit des Niederschreibens der Offenbarung bestand, lässt sich nicht genau angeben; aber zweifellos wuchs die Zahl der Muslime ebenso wie die Zahl der Abschriften des heiligen Textes in den letzten achtzehn Lebensjahren des Propheten immer mehr an.

 

Einführung in die Qurânwissenschaften - Teil 4: Niederschrift des Qurân

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