Die positiven und negativen Seiten des Neids

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Der Neid ist eine krankhafte, tadelnswerte Eigenschaft. Er gehört zu den schlimmsten Krankheiten des Herzens, die den Neider vernichten.

 
In einem arabischen Gedicht heißt es:
 
Wie Allâh doch den Neid erschuf, wie gerecht er doch ist! Es begann mit dem Neider und tötete ihn schlussendlich.
 
Der Prophet verbat seiner Gemeinschaft den Neid, indem er sagte: "Beneidet einander nicht!"
 
Weiterhin sagte er : "Die Krankheiten der (vorigen) Gemeinschaften haben sich bei euch eingeschlichen: Der Neid und der Hass." Überliefert von At-Tirmidhî.
 
Der edle Qurân verbat den Gläubigen, die Gnaden anderer zu begehren. Gleichzeitig forderte er sie auf, dies von Allâh zu erbitten und Seine Güte zu erhoffen. Allâh, der Erhabene, sagt: „Und wünscht euch nicht das, womit Allâh die einen von euch vor den anderen bevorzugt hat. Den Männern kommt ein Anteil von dem zu, was sie verdient haben, und den Frauen kommt ein Anteil von dem zu, was sie verdient haben. Und bittet Allâh (um etwas) von Seiner Huld. Allâh weiß über alles Bescheid.“ (Sûra 4:32)
 
Dieser edle Vers spricht über den Neid. Als Neid bezeichnet man das Begehren einer Gnade, die ein Muslim von Allâh erhalten hat, so dass diese auf einen selbst übergeht. Man bezeichnet mit Neid auch das Begehren von Dingen, die im Islâm nicht möglich sind, wie etwa dass Frauen begehren, dem Mann in religiösen Regeln wie dem Dschihâd oder in weltlichen Regeln wie der Erbschaft oder dem Ablegen eines Zeugnisses gleich zu sein. Man bezeichnet ihn weiterhin als das Begehren von Dingen, die den physischen Gesetzen Allâhs (den Naturgesetzen) widersprechen. Dazu gehört das Begehren der Frauen, Männer zu sein (und umgekehrt) und dieselben Fähigkeiten wie diese zu besitzen. Weiterhin das Begehren eines Mitglieds dieser Gemeinschaft, ein Prophet zu werden, nachdem uns Allâh berichtete, dass der Prophet Muhammad der letzte der Propheten ist.
 
Dem Gegenüber lesen wir in der Sunna die Aussage des Gesandten Allâhs : "Kein Neid außer in zweien: Einem Mann, dem Allâh ein Vermögen gewährte, das er islamisch korrekt ausgibt; und einem Mann, den Allâh mit Weisheit versah, auf deren Basis er urteilt und lehrt." Überliefert von Al-Buchârî und dem Imâm Muslim.
 
Der Hadîth belegt, dass Neid nur in zwei Fällen nicht negativ, sondern sogar positiv ist. Diese beiden Fälle sind der Wunsch nach Wissen, um dieses umzusetzen und zu lehren und der Wunsch nach Vermögen, um es im Guten auszugeben.
 
Möglicherweise bereitet manchem der Hadîth mit dem vorangegangen Vers Zweifel. Der Vers verbietet grundsätzlich den Neid auf Dinge, die andere Personen als Gnade von Allâh erhalten haben. Der Hadîth verbietet den Neid allgemein und nimmt dabei nur zwei Angelegenheiten aus: Den Wunsch nach Wissen und den Wunsch nach Vermögen. Wie verstehen wir nun das Verbot des Verses und die Ausnahme des Hadîthes?
 
Die Hadîth-Gelehrten beschäftigten sich mit diesem Problem und antworteten wie folgt: Der Hadîth weist den Gläubigen an, sich die gleichen religiösen und weltlichen Gaben zu wünschen, die Allâh Seinen anderen Dienern gewährte. Der Vers wiederum verbietet dem Gläubigen, sich die Gabe selbst, die Allâh einem Seiner Diener geschenkt hat, zu wünschen. Der Vers verbietet dem Diener somit etwas zu begehren, das sich in den Händen eines anderen befindet, auf dass es in seinen Besitz übergeht. Der Hadîth ermutigt den Muslim hingegen, sich die gleichen Gnaden zu wünschen, die Allâh Seinen anderen Dienern gewährte, ohne dass sie dem Besitzer abhanden kommen.
 
Die Gelehrten haben den Neid in zwei Kategorien gegliedert: den positiven und den negativen. Den postivien Neid nennt man den "glücklichen" Neid. In diesem Fall begehrt der Mensch eine Sache, die dem gleicht, was ein anderer besitzt, ohne dass der andere diese verliert. Mit dem Neid ist jedoch meist der negative Neid gemeint: Dieser bezieht sich auf das Begehren, dass der Besitz eines anderen verschwindet, wobei es zweierlei ist, ob diese Gabe auf den Neider oder eine andere Person übergeht.
 
Dem Verständnis nach ist der in dem Vers gemeinte Neid der negative. Der Neid, den der Hadîth fordert, ist wiederum der positive Neid. Der Unterscheid zwischen diesen ist enorm.
 
Die Gemeinsamkeiten zwischen dem Vers und diesem Hadîth treffen ebenfalls auf folgende Aussage des Propheten zu: "Auf der Welt gibt es lediglich vier Menschentypen: Einen Diener, dem Allâh Vermögen und Wissen bescherte, der seinen Herrn diesbezüglich fürchtet, seine Verwandtschaftsbande damit pflegt und das Recht Allâhs daran kennt. Dieser hat die beste Stellung. Weiterhin einen Diener, dem Allâh Wissen bescherte, aber kein Vermögen. Er hat eine aufrichtige Absicht, er sagt: 'Wenn ich vermögend wäre, würde ich das tun, was die und die Person tut.' Er hat seine Absicht und ist dem Ersten im Lohn gleich. Und einen Diener, dem Allâh Vermögen bescherte, aber kein Wissen. Er handelt mit dem Vermögen ohne Wissen und fürchtet seinen Herrn nicht darin. Er pflegt seine Verwandtschaftsbande nicht damit und erkennt das Recht Allâhs diesbezüglich nicht. Dieser hat die schlimmste Stellung. Und einen Diener, dem Allâh weder Vermögen, noch Wissen bescherte. Er sagt: 'Wenn ich vermögend wäre, würde ich das tun, was die und die Person tut.' Er hat seine Absicht und gleicht dem Dritten in der Bestrafung." Überliefert von At-Tirmidhî, der diesen Hadîth als Hasan-Sahîh einstuft.
 
Abschließend fassen wir zusammen: Der Gläubige darf sich wünschen die frommen Taten zu verrichten, die sein gäubiger Bruder begeht. Er darf sich wünschen, die gleichen Taten zu verrichten und soll darauf hinarbeiten. Vom Gläubigen wird sogar verlangt, dass er sich in der Religion nach dem richtet, der über ihm ist und sich auf diesem Weg anstrengt. Allâh, der Erhabene, sagt: „…und darum sollen die Wettbewerber wetteifern…“ (Sûra 83:26)
 

Wenn ihm jemand in einer religiösen Handlung voraus ist, bemüht er sich ihn einzuholen und trauert über seine Nachlässigkeit. Es ist nicht der Neid um das, was Allâh dem anderen gab, sondern der Wettstreit und die Trauer über die eigene Nachlässigkeit. Dasselbe gilt für die weltlichen Dinge: Der Gläubige darf seinen Herrn bedenkenlos um das Erlaubte und Mögliche bitten.

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