Ein Ramadân-Leitfaden für den rituellen Rückzug im Itikâf

  • Veröffentlicht:20.08.2010
  • Kategorie:Itikâf
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Im Islâm spricht man beim Itikâf von einer Anbetungsform, bei der man in einer Moschee verweilt um Allâh näher zu kommen. Das Wort Itikâf kommt von der arabischen Wurzel ´akafa, was bedeutet sich aus irgendeinem Grund an einen bestimmten Ort zu binden, oder jemanden oder etwas an einem Ort festzuhalten, indem man ihn oder es daran hindert, an einen anderen Ort zu gehen.

 
Der Hintergrund dieser Art von Anbetung im Islâm ist, dass es auf dieser Welt viele Ablenkungen gibt, die den Menschen vergessen lassen, warum er auf der Welt ist und wohin er letztendlich gehen wird. Daher braucht eine Person manchmal mehr als nur fünf tägliche Gebete um den Geist wiederzubeleben. Aus diesem Grund bietet der Islâm seinen Anhängern den Itikâf, die Möglichkeit sich Allâh gegenüber vollkommen zu ergeben und sich eine Zeit lang so weit wie möglich von allen weltlichen Angelegenheiten zu entfernen. Das Ziel des Itikâf ist es, in der Moschee zu verweilen und sich mit dem Gebet, dem Nachdenken, der Rezitation des Qurân, der Teilnahme an Unterrichten und ähnlichem zu beschäftigen.
 
Der Itikâf ist im Islâm keine Pflicht. Vielmehr ist er eine Anbetungsform, die im Ramadân dringend empfohlen wird, vor allem in den gesegneten letzten zehn Tagen. Der Itikâf in den letzten zehn Tagen des Ramadân, vor allem das Erwarten der Laila Al-Qadr, wird so nachdrücklich empfohlen, dass einige Gelehrte es als eine kollektive Sünde erachten, wenn niemand in der Gemeinschaft ihn während dieser Tage verrichtet. Es gibt viele authentische Berichte über den Propheten , dass er den Itikâf genau in dieser Zeit verrichtete.
 
Die vier Bestandteile des Itikâf
 
Der Itikâf beinhaltet vier grundlegende Elemente:
1. Der ihn Verrichtende.
2. Die Absicht ihn zu verrichten.
3. Der Ort des Itikâf.
4. Die Tat an sich (Für eine Zeit lang in der Moschee zu verweilen)
 
Der erste Bestandteil: Der den Itikâf Verrichtende
 
1. Er muss ein Muslim sein.
2. Er muss zurechnungsfähig sein.
(Diese Bedingung schließt die Verrichtung des Itikâf durch Verrückte, Berauschte, Bewusstlose, oder sehr junge Kinder aus, die wesentliche Dinge nicht ausreichend unterscheiden können, also Kinder unter fünf oder sechs Jahren.) Dies bedeutet nicht, dass wer zu dieser Gruppe gehört keinen Itikâf machen dürfe. Vielmehr bedeutet es, dass die Tat des Verweilens in der Moschee nicht als Anbetungshandlung von ihnen betrachtet wird. (Gleichermaßen begingen sie keine Sünde, falls sie dort etwas falsch machten.)
3. Er darf nicht im Zustand großer ritueller Unreinheit (Dschanâba) sein
(Dschanâba ist ein körperlicher Zustand, der Ghusl (rituelle Ganzkörperwaschung) erfordert, verursacht durch ehelichen Geschlechtsverkehr, Ejakulation, Menstruation, und Blutungen nach der Geburt).
 
Daher darf weder eine menstruierende Frau noch eine Wöchnerin den Itikâf verrichten, da sie in diesem Zustand nicht in der Moschee bleiben darf. Außerdem muss man nach dem Beischlaf oder einer Ejakulation den Ghusl verrichten, bevor man den Itikâf beginnt beziehungsweise fortsetzt, da es ebenso verboten ist in diesem Zustand in der Moschee zu bleiben.
 
Es gibt keine Meinungsverschiedenheit darüber, dass der Itikâf einer unverheirateten Frau gültig ist. Wenn sie verheiratet ist, muss sie die Erlaubnis ihres Ehemannes haben, um ihn (den Itikâf) rechtsgültig zu machen.
 
Der zweite Bestandteil: Die Absicht zum Itikâf
 
Die Absicht muss man, wie bei jeder Anbetungshandlung, bewusst fassen. Wenn der den Itikâf Verrichtende die Moschee verlässt, ist sein Itikâf beendet. Wenn er zurückkehrt um nochmals den Itikâf zu verrichten, muss er seine Absicht erneuern.
 
Der dritte Bestandteil: Der Ort des Itikâf
 
Über den Ort des Itikâf sind sich die Gelehrten einig, dass er nur in einer Moschee verrichtet werden darf, da er ansonsten ungültig wäre: Im Qurân steht hierzu (ungefähre Bedeutung): „…während ihr euch (zur Andacht) in die Gebetsstätten zurückgezogen habt…,“ (Sûra 2:187) darüber hinaus verrichtete der Prophet niemals den Itikâf außerhalb einer Moschee.
 
Die Gelehrten sind sich auch einig, dass der Itikâf in den drei Heiligen Moscheen (Makka, die Prophetenmoschee in Madîna, und Al-Masdschid Al-Aqsa in Jerusalem) besser ist als anderswo, und dass gleichermaßen der Itikâf in einer „zentralen“ Moschee gegenüber dem Itikâf in einer „am Rande liegenden“, sprich einer „lokalen“ Moschee bevorzugt wird.
 
Die Gelehrten sind sich aber nicht einig, ob eine Frau in der Gebetsecke (Musalla) ihres Hauses Itikâf machen kann oder nicht. Die Mehrheit ist der Meinung, dass ihr Itikâf in der Gebetsecke ihres Hauses nicht gültig ist, weil Al-Baihaqî über Ibn Abbâs in seinem Buch As-Sunan Al-Kubrâ (Bd. 4, S. 316) erklärte: „Es ist eine nicht islamkonforme Handlung (Bid'a), dass eine Frau in der Gebetsecke ihres Hauses Itikâf macht.“
 
Die Hanafiten waren der Meinung, dass es zulässig ist, weil es laut ihrer Meinung unerwünscht sei, dass eine Frau den Itikâf in der Moschee verrichtet.
 
Der vierte Bestandteil: Die Zeit des Verweilens im Itikâf
 
Das Verweilen für eine bestimmte Zeit ist der wesentlichste Bestandteil, der die Anbetung im Itikâf ausmacht.
 
Die Meinung der meisten Gelehrten besagt, dass die Absicht des Itikâf für eine beliebige Zeit – selbst für weniger als eine Stunde - als Itikâf angesehen werden kann.
 
Sie stimmten jedoch überein, dass derjenige, der diese Anbetung zu verrichten wünscht, wenigstens einen Tag und eine Nacht in der Moschee verbringen sollte, da nichts vom Propheten berichtet wurde, dass er den Itikâf in einer kürzeren Zeitspanne verrichtete.
 
Es ist außerdem wünschenswert während dem Itikâf zu fasten.
 
Dinge die Itikâf ungültig machen oder beenden
 
1. Geschlechtsverkehr: Der Beweis hierfür ist der Vers 187 in Sûra 2, dessen ungefähre Bedeutung folgende ist: „...Und verkehrtnicht mit ihnen, während ihr euch (zur Andacht) in die Gebetsstätten zurückgezogen habt...“ Die bevorzugte Meinung ist, dass inniges Berühren, das zu Geschlechtsverkehr führt, wie etwa Küssen und Streicheln, den Itikâf ebenfalls ungültig macht.
 
2. Die Mosche verlassen: Die Moschee unnötigerweise zu verlassen beendet auch den Itikâf, obwohl es eine ziemlich ausgiebige Diskussion darüber gibt, was als notwendig angesehen wird. Es gibt keine klaren Linien, die das Nötige vom Unnötigen trennen, doch es ist größtenteils offensichtlich. Wenn jemand die Moschee verlässt um zu duschen, zu essen, aufgrund einer Krankheit behandelt zu werden und ähnliches, dann beendet dies eindeutig nicht den Itikâf.
 
3. Berauschung: Ob durch Alkohol, Drogen, oder andere Stoffe, beendet die Berauschung den Itikâf.
 
4. Das Austreten aus dem Islâm: Dies macht den Itikâf ungültig.
 
5. Der Beginn der Menstruation oder Wochenblutung: Dies beendet den Itikâf.
 
Unerwünschtes im Itikâf
 
1. Sich von Gerede fernzuhalten, um Allâh näher zu kommen. Der Grund hierfür ist, dass die Enthaltsamkeit vom Reden als eine Form der Andacht im Islâm nicht vorgeschrieben ist. Es schadet jedoch nicht unnötige Unterhaltungen zu vermeiden.
 
2. Unnötigerweise zu reden oder sich in Diskussionen und Unterhaltungen verwickeln.
 
3. Sich mit religiösen Unterrichten zu beschäftigen, die Diskussionen beinhalten. Hierüber sind sich manche Gelehrte uneins, ob dies für den im Itikâf Befindlichen wünschenswert oder unerwünscht ist. Der Beweis derjenigen, die meinen, dass es wünschenswert ist, ist, dass das Erlernen von Angelegenheiten der Religion eine Anbetungshandlung ist, solange man damit beabsichtigt, anderen zu nutzen oder selbst zu profitieren und nicht zu prahlen. Der Beweis derjenigen, die es für unerwünscht halten, ist, dass nie berichtet wurde, dass der Prophet sich an solchen Unterhaltungen im Itikâf beteiligte.
 
4. Das Tragen prunkvoller Kleidung. Was hier als „prunkvoll“ angesehen wird, hängt von dem ab, was die Leute dieser Zeit und dieses Ortes für mehr als normale, gepflegte und saubere Kleidung erachten. Man muss wissen, dass das Ziel des Itikâf ist, dass man sich von weltlichen Angelegenheiten zurückzieht. Daher sollten diejenigen, die den rituellen Rückzug des Itikâf beabsichtigen, sich zweier falscher Absichten entledigen, ihre Absicht korrigieren und sich auf ihre Anbetungshandlungen konzentrieren.
 
Die beiden erwähnten zu vermeidenden Absichten sind:
 
1. Miteinander in Wettbewerb zu treten, indem man Itikâf um der Familie, des Reichtums und des Ansehens willen macht.
2. Ängste über den weltlichen Schaden, der durch den Itikâf entstehen könnte, oder über Vorteile, die einem infolge des Verrichtens des Itikâf vorenthalten werden könnten.
 
Die Ermahnung während der Anbetungshandlungen:

3. Erinnere dich unaufhörlich daran, dass du zur Anbetung im Itikâf bist und dass du bald zu Allâh zurückkehren wirst!

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