Gedanken zum altehrwürdigen Haus

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Ich besuchte den über 80 jährigen Haddsch-Pilger Uthmân Dâbû vor dessen Tod im westafrikanischen Gambia. Er lebte in seinem bescheidenen Haus in einem kleinen Dorf nahe der Hauptstadt Banjul. Er erzählte mir von seiner langen Reise zu dem altehrwürdigen Haus vor über 50 Jahren, als er mit seinen vier Freunden aus Banjul nach Makka lief. Sie überquerten den afrikanischen Kontinent von Westen nach Osten ohne jegliche Transportmittel. Lediglich zu kurzen, unregelmäßigen Zeiten war ihnen das Benutzen von Reittieren möglich. Erst als sie das Rote Meer erreichten, fuhren sie mit dem Schiff zum Hafen von Dschidda.

 
Eine Reise voller Wunder und seltsamer Ereignisse! Wenn man sie aufschreiben würde, wäre es eines der bedeutendsten und informativsten Reisebücher. Die Reise dauerte über zwei Jahre. Gelegentlich ließen sie sich in einer Stadt nieder, um sich zu erholen und etwas Geld für die Reise zu verdienen. Dann zogen sie weiter.
Ich fragte ihn: „Ist der Haddsch nicht nur für den verpflichtend, der dazu in der Lage ist? Ihr wart doch zu dieser Zeit nicht in der Lage dazu, oder?“
 
„Das stimmt! Allerdings haben wir uns eines Tages an die Geschichte des Propheten Abraham erinnert, als er mit seiner Familie in ein unbepflanztes Tal zu Allâhs heiligem Haus ging. Da sagte einer von uns: Jetzt sind wir jung, stark und gesund. Wie lautet unsere Entschuldigung Allâh dem Erhabenen gegenüber, weshalb wir die Reise zu seinem Haus unterlassen haben? Wir werden nur noch schwächer, warum warten wir also? So begeisterten wir uns untereinander und trieben uns gegenseitig zur Reise an, Allâh den Erhabenen um Hilfe bittend.“
 
Die Fünf zogen los. Sie hatten Versorgung für nicht mehr als eine Woche dabei. Ihr Hauptantrieb war das Befolgen der Anordnung Allâhs des Erhabenen Sein altehrwürdiges Haus zu besuchen.
 
Auf ihrem Weg begegneten ihnen Probleme und Erschwernisse, die nur Allâh wirklich kennt. Wie viele Nächte verbrachten sie hungrig, bis sie fast gestorben wären! Wie viele Nächte wurden sie von Raubtieren gejagt, die ihnen den kostbaren Schlaf nahmen! Wie viele Nächte waren sie von Angst umgeben, weil Diebe den Reisenden in jedem Tal auflauerten?
 
„Wir glaubten damals, dass eine Nacht die schlimmste war. Immer wenn eine neue Nacht kam, glaubten wir aber, dass die vorige Nacht viel besser gewesen war.“
 
Scheich Uthmân sagte: „Eines Nachts wurde ich während der Reise gebissen. Daraufhin befielen mich starkes Fieber und Gliederschmerzen, so dass ich gelähmt war und nicht schlafen konnte. Ich konnte den Tod förmlich spüren, wie er durch meine Adern schnellte. Ich verfolgte die Sterne, bis ich dachte, alle Sterne des Himmels wären unter meiner Aufsicht. Meine Gefährten gingen zur Arbeit und ich verweilte im Schatten eines Baumes, bis sie am Ende des Tages zurückkehrten. Der Teufel flüsterte mir ein: "Wäre es nicht besser gewesen, wenn du zu Hause geblieben wärst? Wieso lastest du dir mehr auf, als du tragen kannst? Hat nicht Allâh den Haddsch nur für denjenigen zur Pflicht gemacht, der dazu in der Lage ist?"
 
Mir sank das Herz in die Knie und ich wäre beinahe schwach geworden. Als meine Gefährten kamen, sah einer von ihnen in mein Gesicht und fragte nach meinem Befinden. Ich schaute weg und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Es überkam mich. Als ob er fühlte, was in mir ist. Er sagte: "Steh auf, verrichte Wudu und bete! Dann wirst du nur Gutes finden, in schâ Allâh: „Und sucht Hilfe in der Standhaftigkeit und im Gebet! Es ist freilich schwer, nur nicht für die Demütigen, die daran glauben, dass sie ihrem Herrn begegnen werden und dass sie zu Ihm zurückkehren.“ (Sûra 2:45-46)
 
Ich spürte Erleichterung und Allâh nahm mir meine Trübsal, walhamdu lillâh. Sie sehnten sich ständig, endlich die beiden heiligen Stätten zu erreichen, damit die Schmerzen, Anstrengungen und Gefahren der Reise nachließen. Drei von ihnen starben auf dem Weg, der letzte von ihnen in der Weite des Meeres. Das Besondere an seinem Tod war sein letzter Wille, den er seinen beiden Gefährten mitteilte: Wenn ihr die heilige Moschee erreicht, berichtet Allâh dem Erhabenen von meiner Sehnsucht danach, Ihn zu treffen. Und bittet Ihn darum, mich und meine Mutter mit dem Propheten im Paradies zu vereinen!“
 
Uthmân sagte: „Als unser dritter Gefährte verstarb, überfiel mich starke Trauer. Es war der schwerste Vorfall für mich auf dieser Reise. Er war der Stärkste und Geduldigste unter uns gewesen. Ich fürchtete zu sterben, bevor ich die Gnade erhalte, die heilige Moschee zu betreten. Ich zählte die Tage und Stunden, bis ich aus dieser Glut befreit wurde. Immer wenn ich eine Wolke sah, die sich gen Hedschas richtete, hatte ich stärkere Sehnsucht, den Hedschas zu erreichen.
 
Als wir Dschidda erreichten, erkrankte ich heftig und fürchtete, dass ich noch vor der Ankunft in Makka stürbe. Daher äußerte ich meinem Gefährten den letzten Wunsch, dass er mich in meiner Ihrâm-Kleidung begraben und mich so weit er konnte Makka annähern sollte. Ich hoffte darauf, dass Allâh mir so meine Belohnung mehren und mich unter den Frommen aufnehmen würde.
 
Wir verbrachten einige Tage in Dschidda, bis wir den Weg nach Makka fortsetzten. Ich atmete schnell und Freude erfüllte mein Gesicht. Die Sehnsucht trieb und zog mich, bis wir die heilige Moschee erreichten.“
 
Uthmân schwieg eine Weile - er hielt seine Tränen zurück. Er schwor bei Allâh, dem Erhabenen, dass er noch nie so einen schönen Augenblick erlebt hatte wie den Augenblick, als er die edle Ka`ba erblickte.
 
Dann sagte er: „Als ich die Ka`ba sah, warf ich mich dankend vor Allâh nieder und weinte aus Respekt und Ehrfurcht wie ein Kind. Gibt es denn ein edleres Haus und einen großartigeren Ort?
 
Dann erinnerte ich mich an meine Gefährten, die es nicht bis zur heiligen Moschee geschafft hatten. Ich dankte Allâh dem Erhabenen für Seine Gnaden und Seinen Vorzug mir gegenüber. Dann bat ich Ihn, den Makellosen, sie für ihre Schritte zu belohnen, ihnen nicht die Belohnung zu verwehren und uns im Paradies, also am Sitz der Wahrhaftigkeit bei einem allmächtigen Herrscher zu vereinen.“
 
Ich verließ das Haus von Uthmân folgenden Vers wiederholend: „Und beeilt euch um Vergebung von eurem Herrn und einen Paradiesgarten, dessen Breite Himmel und Erde umfasst. Er ist für die in Ehrfurcht gegenüber Allâh Demütigen bereitet.“ (Sûra 3:133)
 
Ein ernstes Streben nach Gehorsam. Ein Streben, das weder von Faulheit noch von Nachlässigkeit befallen wird. Ein Streben, das weder Schmerzen noch Kummer aufhalten. Ein Streben, unter dem alle Hinderungen und Strafen zerbrechen. Ein Streben mit aufrichtigem Willen, das von einem Herz ausgeht, das mit der Liebe zu Allâh und Seiner Anweisung verbunden ist.
 
Ich verließ das Haus, folgenden Vers wiederholend: „Und rufe unter den Menschen zum Haddsch auf, dass sie zu dir kommen zu Fuß undauf jedwedem schlanken Reittier aus jedweder fernster Gegend.“ (Sûra 22:27)
 
Dann dachte ich über viele der heutigen Muslime nach, die die Bedingungen für die Verpflichtung zum Haddsch erfüllt haben. Trotzdem sind sie nachlässig und zögern das Erfüllen dieser Pflicht hinaus. Diese Leute sollten sich an die Aussage des Propheten erinnern: "Wer den Haddsch beabsichtigt, der soll sich beeilen! Denn er wird möglicherweise an einer Krankheit leiden, einen Irrweg gehen und Bedürftigkeit ausgesetzt sein." Überliefert von Imâm Ahmad und Ibn Mâdschah, Al-Albânî erklärte den Hadith für akzeptabel.

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