Unsere Kinder zwischen Nachahmung und fehlendem guten Vorbild

  • Veröffentlicht:12.01.2011
  • Kategorie:Kinder
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In der Stille der Nacht steigt Anas aus seinem Bett, um in das Bett seines Vaters zu klettern, damit sein Vater ihn umarmt und an seine Brust drückt. Allerdings muss er überrascht feststellen, dass das Bett seines Vaters leer ist. Er sucht im Haus, bis er im entlegensten Zimmer eine bewegende, traurige Stimme vernimmt. Er schleicht sich heran und sieht seinen Vater betend vor ihm stehen. Seine Augen schauen wie festgenagelt auf etwas, was er niemals vergessen wird. Die Augen seines Vaters, der vollkommen im Gebet versunken ist, stehen in Tränen. Er spürt die Anwesenheit seines Sohnes nicht. Genauso heimlich wie er gekommen war, schleicht er sich wieder in sein Bett zurück. In seinem Gedächtnis hatte sich etwas eingeprägt, was nie wieder zu löschen war. Er hatte die Süße des andächtigen Gebets erfahren. Er hatte das Nachtgebet kennengelernt, das er später sein ganzes Leben praktizieren wird.

 
Wie wäre es gewesen, wenn sein Vater ihm täglich von der Theorie des Nachtgebets erzählt hätte, ohne jegliche Praxis vorzuweisen? Hätte es denselben Erfolg gehabt, diese Ibâda mit solch einer Stärke und Beständigkeit in das Herz des Jungen zu säen?
 
Liebe Erzieher!
 
Das Nachahmen ist eine wichtige Phase in der Kindheit. Das Kind lernt viele Verhaltenszüge, Werte und Grundlagen dadurch, dass es versucht, andere nachzuahmen. Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass das Kind wie ein Schwamm ist, der alles um sich herum aufsaugt und sich den Umgebenden anpasst, indem es ihr Verhalten und ihre Art und Weise nachahmt.
 
Im Kindesalter ahmt das Kind seine Eltern, Geschwister, Lehrer und die ihn gewöhnlich umgebenden Personen nach. Das Mädchen nimmt die Charaktereigenschaften ihrer Mutter an, der Junge die des Vaters. Sie ahmen ihre Rede- und Gangart, ihre Verhaltensweisen und ihre Umgangsformen mit anderen nach. Das Kind nimmt jede Kleinigkeit auf. Daher sieht man es jeden Tag einem neuen Gedanken nacheifern, je nachdem, was es gesehen oder gehört hat. Je mehr ein Kind an eine Person gebunden ist, desto stärker tritt dieses Verhalten auf. Dies gilt vor allem dann, wenn die Bindung der beiden positiver Natur ist.
 
Beim Nachahmen von Gewohnheiten spielen Intelligenz und Gedächtnisvermögen eine wichtige Rolle. Ein Kind, das gut lern- und aufnahmefähig ist, kann Gewohnheiten somit auch schneller erlernen, seien sie gut oder schlecht.
 
Es ist ein seelisches Bedürfnis des Kindes
 
Jedes Kind entwickelt sich einem Vorbild entsprechend und lernt von ihm. Dies sind meist die Eltern oder ein Elternteil. Die Kinder haben allgemein ein seelisches Bedürfnis, die Persönlichkeiten, die sie lieben, anzunehmen.
 
Durch die Nachahmung gewinnt das Kind Selbstbewusstsein. Es ahmt vor allem Erwachsene nach und fühlt sich ihnen somit gleichgestellter.
 
Das Kind ordnet sein Verhalten und legt seine Richtung zu siebzig Prozent bis zum siebten Lebensjahr fest. Dann können wir gut erkennen, wie weit sein Horizont reicht und von wem er sich beeinflussen lässt. Die Kinder sehen das Verhalten ihrer Eltern immer als richtig an. Daher folgen sie ihren Eigenschaften und Gewohnheiten.
 
Dies belegt folgender Hadîth des Propheten bezüglich der Fitra (natürlichen Veranlagung): "Jedes Geborene wird mit der Fitra (natürlichen Veranlagung) geboren. Seine beiden Eltern machen es dann zu einem Juden, Christen oder Feueranbeter." Überliefert von Al-Buchârî und dem Imâm Muslim.
 
Die Kinder unter den Prophetengefährten waren eingefleischte Nachahmer des Gesandten Allâhs . Jedem Verhalten und jeder Ibâda folgten sie sofort.
 
Von Ibn Abbâs ist überliefert, dass er sagte: "Ich verbrachte eine Nacht bei meiner Tante Maimûna, der Prophet betete (am Abend). Als ein Teil der Nacht vorüber war, stand der Gesandte Allâhs auf und verrichtete kurz mit Wasser aus einem aufgehängten Wasserschlauch die Gebetswaschung, dann betete er. Da stand ich auf und wusch mich zum Gebet, wie er sich zum Gebet gewaschen hatte. Dann kam ich und stellte mich an seine Linke, worauf er mich berichtigte und mich an seine Rechte nahm. Dann betete er, soviel Allâh wollte." (Übereinstimmend überliefert.)
 
Gib ihm einen Euro, denn das ist besser als ihm tausend zu geben
 
Ein Euro Taten sind besser als tausend Worte. Das Vorbild wird ständig daran gemessen, wie die Eltern handeln und wie sie sich verhalten. Die Kinder beobachten ihre Mütter und Väter stets, egal ob sie sich freuen, wütend sind, diskutieren, oder mit anderen kommunizieren, sie ahmen sie in allem nach.
 
Du, lieber Erzieher, bist das wichtigste Vorbild! Dein Verhalten ist es, was dein Kind am stärksten befolgt. Daher wird es von seinem natürlichen Drang zum Guten nicht profitieren, wenn er sieht, dass die Eltern nicht mit vorbildlichem Charakter und tadellosem Verhalten vorangehen. Es nützt nichts, wenn die Eltern ihren Kindern täglich zahlreiche Ratschläge und Anweisungen geben, solange sie dies nicht selber praktizieren.
 
Welch arme Kinder, deren Väter nicht richtig beten. Diese Kinder wachsen auf und sehen nur dieses kalte inhaltslose Gebet.
 
Von Al-Fudail ibn Iyâd ist überliefert: Mâlik ibn Dînâr sah einen Mann, der nicht richtig betete. Er sagte: "Möge Allâh Sich seiner Kinder erbarmen!" Da wurde er gefragt: "O Abû Yahyâ, er verrichtet sein Gebet schlecht und du bittest für seine Kinder um Erbarmen?" – "Er ist ihr Ältester und von ihm werden sie lernen."
 
Der Erzieher sollte das Beobachtungsvermögen der Kleinen nicht unterschätzen, wenn er einen Fehler macht oder übertrieben vor ihnen handelt. Er soll nicht denken, dass er noch klein sei und es nicht begreife. Was er nicht weiß, ist, dass die Augen dieses Kleinen wie die Linsen einer Kamera sind. Sie nehmen alles auf, Moment für Moment.
 
Wie kann man diese Eigenschaft des Nachahmens bei Kindern nutzen?
 
Das Kind ahmt oft und schnell nach. Egal ob gut oder schlecht, es wird nachahmen. Es macht seinen Vater nach, egal ob es das Beten ist oder das Rauchen.
 
Damit wir von diesem natürlichen Drang profitieren, müssen wir ihn folgendermaßen in die richtige Bahn lenken:
 
- Die Kindererziehung verläuft grundsätzlich nach dem Beispiel des Gesandten Allâhs . Allâh, der Erhabene, erwählte ihn zu einem Vorbild für uns Muslime: Er, der Erhabene, sagt: „Ihr habt ja im Gesandten Allâhs ein schönes Vorbild, (und zwar) für einen jeden, der auf Allâh und den Jüngsten Tag hofft und Allâhs viel gedenkt.“ (Sûra 33:21)
 
Der Vater richtet die Aufmerksamkeit seines Kindes mit Worten und Taten aus der Sunna auf sich. So beeinflusst er es und weckt in ihm die Frage nach dem Grund für des Vaters Tun. Der Vater kann nun antworten: "Weil der Prophet Muhammad dies tat. Er ist unser Vorbild und wir lieben ihn."
 
Die Bindung des Kindes an die Persönlichkeit des Propheten macht es zu einem ausgeglichenen, frommen und religiösen Menschen. Liebt es seinen Propheten ), liebt es auch seine Religion. Und die Sunna des Propheten wird ihm wichtig sein. Dieses Vorbild wird ihm ein Schutz vor negativen Einflüsse und schlechten Vorbildern sein.
 
- Man lehrt ihnen die Lebensgeschichte des Propheten und die Geschichten der bedeutenden Muslime. Den Kindern diese segensreichen Lebensgeschichten zu erzählen ist der beste Weg, um sie auf den Weg des Propheten zu führen.
 
- Ein weiterer Weg ist die Bereitstellung von Medien, die sie auf lebendige und anziehende Art den Vorbildern näher bringen. Dazu gehören unter anderem: Kindergerechte DVDs, CDs und Bücher in schönen Farben.
 
- Unbedingte Trennung zwischen den Kindern und ihren schlechten Vorbildern: Wählen Sie ihren Kindern fromme Freunde und suchen Sie den Kontakt zu frommen Verwandten, Bekannten und Nachbarn, die Kinder in seinem Alter haben. Geachtet werden muss dabei besonders auf gutes Benehmen. Denn das Kind folgt denjenigen, die sich in seinem Alter befinden oder älter sind. Dasselbe gilt für die Sportkameraden: Es ahmt sie in sämtlichen Verhaltensweisen nach und ist nicht zufrieden damit, schlechter als sie zu sein. Es will ihnen ständig gleichkommen oder sie übertreffen.
 
Zu guter letzt
 
Die Tatsache, dass Allâh, der Erhabene, das Nachahmen zu einer grundlegenden Eigenschaft des Kindes gemacht hat, ist für uns eine immense Verantwortung gegenüber unseren Kindern. Wenn dem Kind das gute Beispiel fehlt, sei es Mutter, Vater, Erzieher oder Lehrer, wird ihm später weder Mahnung noch Bestrafung etwas helfen.
 

Möge Allâh uns dazu Kraft geben, sie zu Lichtern der Rechtleitung zu erziehen, die den Menschen ein Vorbild im Guten sind!

 

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