Das Kalifat von Uthmân – Teil 6

9468 1866

Abû Ayyûb Al-Ansârî leitet das Gebet

 
Auf Grund seiner Unfähigkeit zur Moschee zu kommen, bestimmte der Kalif Abû Ayyûb Al-Ansârî dazu diese Aufgabe zu übernehmen. Nach ein paar Tagen jedoch begann Al-Ghâfiqî ibn Harb, der Anführer der Aufrührer, die Gebete zu leiten. Wie Muhammad ibn Abû Bakr, der Statthalter von Ägypten, arbeitete auch Muhammad ibn Hudhaifa gegen den Kalifen. Als Abdur-Rahmân ibn Udais von Ägypten aus in Richtung Madîna marschierte, begleitete ihn Muhammad ibn Abû Bakr. Muhammad ibn Hudhaifa blieb jedoch in Ägypten zurück.
 
Als die Aufrührer einen Tumult begannen, schickte Alî seine beiden Söhne Al-Hasan und Al-Husain , damit sie sich mit verschränkten Armen an der Tür von Uthmân ibn Affân hinzustellen und die Aufrührer am Eindringen in dessen Haus zu hindern. Talha und Az-Zubair schickten ebenfalls ihre Söhne, die ihr Voranschreiten aufhielten. Die Aufrührer wussten genau, dass jeglicher Schaden, der ihnen zugefügt würde, bedeutete, die volle Wucht des Zorns der gesamten Banu Hâschim ertragen zu müssen. Jedoch waren die Aufrührer auch in Eile, weil die Ankunft von Streitkräften aus den Provinzen ihren Plan vereiteln könnte. Deshalb brachen sie in ein angrenzendes Haus ein und drangen in das Haus des Kalifen ein, indem sie über dessen Mauern kletterten.
 
Der Märtyrertod Uthmân ibn Affâns
 
Als die Aufrührer den Brief zeigten, der in seinem Namen geschrieben wurde, erklärte Uthmân ibn Affân, dass dieser eine Fälschung sei. Abdurrahmân ibn Udais, der Anführer der Aufrührer, wies dies zurück, indem er sagte: „Wenn du ein Lügner bist, dann bist du nicht dafür geeignet, weiterhin Kalif zu sein. Für den Fall, dass deine Behauptung wahr ist, sollte man solch einen schwachen Kalifen nicht herrschen lassen, wenn er nicht einmal dazu fähig ist, seine Verwaltung zu kontrollieren und es zulässt, dass irgendjemand irgendetwas in seinem Namen schreibt.“ Schließlich forderte Abdurrahmân ibn Udais den Kalifen Uthmân ibn Affân auf, das Kalifat aufzugeben. Dieser sagte jedoch: „Ich kann das Gewand nicht ausziehen, das Allâh mich anziehen ließ.“ Dies bedeutet, dass er sich weigerte den Posten des Kalifen aufzugeben.
 
Als das Ausmaß der Belagerung stärker wurde und sogar die Wasserversorgung gestoppt wurde, ging Uthmân ibn Affân auf das Dach seines Hauses und erinnerte sie an seine Opfer, die er für den Islam erbracht hatte, und an die Stellung, die er innehatte, nachdem er den Islam angenommen hatte. Ein Teil der Aufrührer schien ihm zu vergeben, doch Mâlik ibn Al-Aschtar griff ein, um sie an ihrem Plan festhalten zu lassen. Als die Aufrührer zudem von der Ankunft von Hilfsstreitkräften aus den Provinzen überzeugt waren, entschieden sie sich dazu, den Kalifen zu töten.
 
In dieser Zeit entschloss sich Âischa dazu, den Hadsch zu verrichten. Sie beauftragte Muhammad ibn Abû Bakr, sie auf der Reise nach Makka zu begleiten. Doch er weigerte sich, dies zu tun, weil er zu den Aufrührern gehörte. Handhala , der Schreiber der Offenbarungen, sagte zu ihm: „Du weigerst dich die Mutter der Gläubigen zu begleiten und folgst stattdessen den Narren Arabiens!“ Muhammad ibn Abû Bakr antwortete nicht. Talha und Az-Zubair hatten ihre Türen verschlossen und gingen nirgendwo hin und trafen sich mit niemandem. Ibn Abbâs trat den Aufrührern an der Tür von Uthmân ibn Affân entgegen und hielt sie davon ab, sich zu nähern. Der Kalif bestand jedoch darauf, dass er die Haddsch-Karavane anführt, obwohl er sagte, dass Dschihâd gegen die Aufrührer zu führen besser für ihn wäre als den Haddsch zu verrichten. Al-Hasan ibn Alî, Abdullâh ibn Az-Zubair, Muhammad ibn Talha und Sa´îd ibn Al-´Âs hielten die Aufrührer davon ab, die Tür zu öffnen und kämpften, um sie zurückzudrängen.
 
Uthmân ibn Affân hinderte sie jedoch daran, dies unter Eid zu tun und rief sie herein. Als die Aufrührer die Türen anzündeten, kämpften sie und jagten sie nochmals hinaus. Uthmân ibn Affân rezitierte alsdann den Qurân. Als er den folgenden Vers erreichte „Diejenigen, zu denen die Menschen sagten: „Wahrhaftig, die Menschen haben sich bereits wider euch versammelt; fürchtet sie also!“ – sie wurden also stärker im Glauben, und sie sagten: „Unsere Genüge ist Allâh und was für ein vorzüglicher beschützender Sachwalter! (Sûra 3:173), sagte er zu den Anwesenden: „Der Gesandte Allâhs hat einen Eid von mir bekommen und ich halte mich fest daran. Haltet euch also davon zurück, die Aufrührer zu bekämpfen.“ Er bat außerdem Al-Hasan ibn Alî zu dessen Vater zurückzugehen, doch dieser lehnte den Ratschlag ab und blieb an der Tür.
 
Al-Mughîra ibn Al-Achnas konnte die Situation nicht ertragen, griff die Aufrührer gemeinsam mit einigen seiner Gefährten an und starb als Märtyrer. In der gleichen Weise startete Abû Huraira einen Angriff gegen die Aufrührer und rezitierte den Vers: „O mein Volk, seht ihr, wie ich euch zur Rettung rufe, ihr mich aber zum Höllenfeuer ruft?“ (Sûra 40:41).
 
Als Uthmân davon erfuhr, rief er ihn eindringlich zurück.
 
Inzwischen war Abdullah ibn Salâm gekommen und tat alles, was in seiner Macht stand, um die Aufrührer friedlich zu stimmen. Jedoch vergebens. Von denjenigen, die bei Uthmân ibn Affân waren, waren einige oben und beobachteten die Bewegungen der Aufrührer, während sich andere am Tor befanden und ihr Eindringen verhinderten. Uthmân ibn Affân und seine Frau Nâila, die Tochter von Al-Furasifa waren drinnen.
 
Die Aufrührer kletterten über die Mauern, drangen in das Haus von Uthmân ibn Affân ein und griffen ihn an. Als erstes kam Muhammad ibn Abû Bakr, Uthmân ibn Affân nahe, packte ihn an seinem Bart und sagte: „O du Langbärtiger, möge Allâh dich in Schande stürzen!“ Uthmân antwortete: „Ich bin kein langbärtiger Mann, sondern Uthmân, der Fürst der Gläubigen.“ Daraufhin sagte Muhammad ibn Abû Bakr verärgert: „Du begehrst das Kalifat sogar in deinem Alter.“ Uthmân sagte: „Wäre dein Vater am Leben, hätte er mein Alter geschätzt.“ Daraufhin schämte sich Muhammad ibn Abû Bakr und ging fort. Nach seinem Rückzug kam eine Gruppe von Verbrechern herbei und überkletterte die Mauern. Zu der Gruppe gehörten Abdurrahmân ibn Udais, Amr ibn Hamiq, Umair ibn Dschannabî, Sudan ibn Humrân, Al-Ghâfiqî und Kinâna ibn Bischr, der Uthmân als Erster mit einem Schwert schlug. Dessen Frau Nâila kam herbei und streckte ihre Hand aus, um den Hieb aufzuhalten – mit dem Ergebnis, dass ihre Finger abgeschlagen und weggeschleudert wurden. Dennoch schlug er Uthmân ein zweites Mal, was zu dessen Märtyrertum führte. So geschah es, dass das Blut Uthmâns , als dieser den Qurân rezitierte, auf den folgenden Vers tropfte: „…Aber gegen sie wird Allah dir genügen. Er ist der Allhörende, der Allwissende.“ (Sûra 2:137).
 
Amr ibn Hamiq fügte ihm mit seinem Speer neun Wunden zu. Umair ibn Dschannabî ging voran und trat ihn mehr als einmal heftig, so dass dessen Rippen brachen. Bei jedem Tritt sagte er: „Du hast meinen Vater eingesperrt und der arme Mann ist in Gefangenschaft gestorben.“ Nâila rief diejenigen, die oben waren und nicht bemerkten, was im Haus geschah, herbei. Noch bevor diejenigen, die oben waren herbeieilten, hatten die Aufrührer ihre böse Tat vollendet. Die Verbrecher flohen und die Diener von Uthmân töteten einige von ihnen.
 
Niemand wurde nunmehr benötigt, um die Tür zu bewachen. Die Aufrührer drangen daraufhin gewaltsam in das Haus ein und plünderten alle Gegenstände, die sie fanden. Die Nachricht dieser Tragödie verbreitete sich wie ein Strohfeuer. Dieses niederschmetternde Ereignis fand am Freitag, dem 18. Dhu-l-Hidscha im Jahr 35 n. H. statt. Der Leichnam Uthmâns lag drei Tage lang unbedeckt und nicht begraben an seinem Platz. Schließlich gingen Hukaim ibn Hizâm und Dschubair ibn Mut´im zu Alî und gaben die Erlaubnis, dass er begraben werden dürfe. Der Leichnam wurde zwischen dem Abend- und dem Nachtgebet begraben. Az-Zubair, Hasan, Abû Dschahm ibn Hudhaifa und Marwân begleiteten die Totenbahre. Die Aufrührer versuchten die Beerdigung zu verhindern, blieben jedoch zurück, als Alî einschritt. Dschubair ibn Mut´im leitete das Bestattungsgebet. Dann wurde Uthmân wie als Märtyrer ohne rituelle Waschung begraben.
 
Uthmân ibn Affân starb im Alter von 82 Jahren, nachdem er 12 Jahre lang als Kalif gedient hatte. Er wurde im Friedhof Al-Baqî begraben und hinterließ elf Söhne und sechs Töchter.
 
Die Herrschaft der Aufrührer in Madîna
 
Ab dem Tag, an dem die Aufrührer einen Hausarrest über Uthmân ibn Affân verhängt hatten und ihm verboten hatten in die Moschee zu kommen, war Madîna gewissermaßen unter ihrer Herrschaft. Nach Uthmâns Märtyrertod beanspruchte Al-Ghâfiqî ibn Harb, der Anführer der Aufrührer das Amt des Kalifats für die Dauer von ungefähr einer Woche und begann alle Anweisungen einschließlich der Bestimmung von jemandem, der die Gebete leitet, zu erteilen.
 
Der weisere Teil der Aufrührer wollte jedoch einen respektablen Mann als Kalifen. Sie argumentierten damit, dass durch das Fehlen eines angesehenen Mannes als Kalif ihre erfolgreichen Bemühungen nur als Aufstand und Aufruhr angesehen würden. Deshalb entschieden sie sich dazu, Madîna nicht zu verlassen, ohne einen Kalif gewählt zu 1haben.
 
Abdullâh ibn Saba eilte getarnt nach Madîna und schloss sich seiner Gruppe an. Er zog ebenfalls die Wahl eines Kalifen vor. Deshalb trafen sie Alî, Talha und Az-Zubair getrennt voneinander und verlangten von jedem, die Verantwortung des Kalifats zu übernehmen. Jeder von ihnen lehnte das Angebot jedoch umgehend ab und sie mussten frustriert und mit leeren Händen zurückkehren.
 
Schließlich flößte Abdullah ibn Saba ihnen einen umsetzbaren Plan ein, gemäß dem in ganz Madîna bekannt gegeben wurde: „Die Leute von Madîna haben bei der Wahl eines Kalifen immer eine zentrale Rolle gespielt und die Umma nahm dies rückhaltlos an. Jetzt geben wir ihnen lediglich zwei Tage, um einen Kalifen zu wählen. Wenn es ihnen nicht gelingt einen Kalifen zu wählen, werden wir Alî, Talha und Az-Zubair töten.“
 

Diese Bekanntgabe verursachte Angst in den Herzen der Menschen von Madîna, die aus ihren Häusern kamen und zu Alî und den beiden Anderen eilten. Während Talha und Az-Zubair es kategorisch ablehnten, die Last des Kalifats zu übernehmen, stimmte Alî zu, nachdem er sich zunächst geweigert hatte. In Folge seiner Einwilligung, kamen die Leute in großen Zahlen, um den Treueeid zu leisten.

Das Kalifat von ‘Uthmân – Teil 1

Das Kalifat von ‘Uthmân – Teil 2

Das Kalifat von ‘Uthmân – Teil 3

Das Kalifat von ‘Uthmân – Teil 4

Das Kalifat von ‘Uthmân – Teil 5

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