Muhammad ibn Al-Qâsim: Ein junger Anführer

3605 1705

Al-Haddschâdsch ibn Yûsuf At-Thaqafî, der Herrscher des Irak, saß in seinem Hof, umringt von seinen Würdenträgern und Heeresführern. Sie besprachen Staatsangelegenheiten und versuchten Lösungen für die Probleme der Menschen zu finden. Einer von Al-Haddschâdschs Männern trat ein und flüsterte diesem einige Worte zu. Daraufhin unterbrach er die Unterhaltung und sagte laut: „Lass ihn sofort eintreten!“

 
Der Mann kam mit einer Botschaft und sagte zu Al-Haddschâdsch: „Dies ist eine Eilbotschaft, die gerade vom Botschafter aus den Sindh-Gebieten gebracht wurde.“ Al-Haddschâdsch nahm die Botschaft und begann sie zu lesen. Noch bevor er damit fertig war, stand er plötzlich wütend auf. Die Anwesenden waren besorgt und einer unter ihnen sagte:
 
„Möge Allâh deine Angelegenheiten verbessern! Was steht in dieser Botschaft, das dich verärgert? Ist dem Kalifen Al-Walîd ibn ´Abdulmalik etwas passiert? Hat einer unserer Feinde einen Teil unseres Landes angegriffen?“
 
Al-Haddschâdsch sprach für eine Weile lang nichts, dann brach er in Wut aus und begann, ihnen den Inhalt der Botschaft mitzuteilen. Er sagte: „Der König der Insel Sri Lanka schickte uns einige Schiffe voller Geschenke. An Bord waren einige muslimische Frauen. Auf ihrem Weg wurden sie von einigen Piraten aus der Stadt Daibul (ein Hafen an der Mündung des Sindh-Flußes in Pakistan) angegriffen. Sie stahlen die Geschenke und nahmen die Frauen gefangen.“
 
Als Al-Haddschâdsch sich beruhigt hatte, schrieb er eine Botschaft an „Dâhir“, den König von Sindh, in der er diesen aufforderte, die muslimischen Frauen frei zu lassen. Doch der König war nicht in der Lage dies zu tun. Er schickte eine Botschaft zu Al-Haddschâdsch, in der er diesem mitteilte, dass die Gefangenen von berüchtigten Dieben gefangen genommen worden waren und er sie nicht retten könne. Al-Haddschâdsch war von der Antwort des Königs von Sindh nicht überzeugt, deshalb beabsichtigte er diese Piraten zu bestrafen und die Ehre der Muslime wieder herzustellen. Er schickte einen Kriegstrupp, um die Piraten zu bekämpfen, doch er wurde in Sindh vernichtend geschlagen. Deshalb schickte er einen weiteren Trupp, doch dieser scheiterte ebenso daran seinen Auftrag zu erfüllen.
 
Nach der Niederlage seiner Trupps erkannte Al-Haddschâdsch, dass er planen und sich vorbereiten musste, damit seine Feinde den muslimischen Staat nicht unterschätzen. Er beabsichtigte eine große Armee zu senden, um das Gebiet von Sindh zu erobern und den Islâm dort zu verbreiten und dem Volk zu helfen, sich der Ungerechtigkeit ihrer Statthalter zu entledigen. Gleichzeitig wollte er die Grenzen des islâmischen Reichs und Handelsrouten sichern. Er rief Al-Walîd ibn ´Abdulmalik, den Umayyaden-Kalifen in Damaskus herbei, um dessen Erlaubnis zu bitten, die Armee vorzubereiten und auszustatten. Al-Haddschâdsch benötigte einige Monate, um die Armee vorzubereiten und Tausende erfahrener und mutiger Soldaten zu rekrutieren. Er stattete sie mit den leistungsstärksten Waffen, Versorgung und ausreichend Essen für ihren Feldzug aus.
 
Nachdem er die Armee vorbereitet hatte, begann er damit, die Namen der Heerführer zu überprüfen, die er zur Auswahl hatte diese Aufgabe zu erfüllen. Dann entschied er sich für seinen Cousin Muhammad ibn Al-Qâsim, dessen Ansehen stieg, obwohl er noch nicht zwanzig Jahre alt war. Er war ein aufgehender Stern, der für seine Kraft, seinen Mut und seine Fähigkeiten in der Kriegsstrategie und für das Unternehmen von Feldzügen bekannt war. Er besaß die Fähigkeit, Soldaten zum Sieg zu führen. Er war beharrlich im Kämpfen und standhaft auf dem Schlachtfeld. Die Nachricht, dass Muhammad ibn Al-Qâsim ausgewählt worden war, um die Armee zu führen, verbreitete sich. Deshalb waren die Soldaten optimistisch und zuversichtlich, dass Allâh ihnen den Sieg gewähren werde. Der junge Führer begann die Vorbereitungen der Armee zu begutachten, stellte militärische Pläne auf, erforschte die Stellung des Feindes und fand ihre Stärken und Schwächen heraus. Als er sicher war, dass alles bereit war, befahl er seinen Soldaten abzumarschieren.
 
Die Armee brach in Richtung ihres Ziels auf, komplett ausgerüstet und gründlich vorbereitet. Die Soldaten riefen „Allâhu Akbar“ (Allâh ist der Größte). Als die Armee Makrân erreicht hatte, rastete sie dort für einige Tage. Der junge Führer begann, seine Armee in zwei Divisionen zu teilen. Eine Division nahm den Landweg, die andere den Seeweg.
 
Dann zog Muhammad ibn Al-Qâsim vor die Stadt Daibul und begann sie zu belagern. All dies geschah im Monat Rabî’ Al-Awwal 89 n.H. Zeitgleich trafen die islamischen Kriegsschiffe ein, die mit Soldaten, Versorgung und Waffen beladen waren. Sie belagerten die Stadt vollständig. Der Führer befahl seinen Soldaten, die Stadt mit Katapulten zu bombardieren und auf den großen Götzen zu zielen, der von den Menschen der Stadt angebetet wurde. Dieser Götze wurde „Budh“ genannt. Der Götze wurde durch die schweren Steinschüsse des Katapults zerstört.
 
Die mutigen Soldaten erklommen die Mauern der Stadt und verwandten dabei einfache Leitern. Nach drei Tagen Belagerung waren die Muslime in der Lage, in die Stadt einzufallen, nachdem die Soldaten „Dâhirs – des Königs von Sindh – geflohen waren.
 
Die Muslime nahmen die Stadt ein und behandelten deren Menschen gerecht und freundlich. Muhammad ibn Al-Qâsim hatte vor in der Stadt ein Lager für die Muslime zu errichten und baute dort eine Moschee. Er machte die Stadt zu einer Flottenbasis für Muslime im Indischen Ozean.
 
Nachdem Muhammad ibn Al-Qâsim überzeugt war, dass die Stadt Daibul sicher war, ließ er dort einige islâmische Schutzkräfte. Dann führte er seine Armee zur Eroberung weiterer Städte. Er gewann alle Schlachten, da er lediglich kämpfte, um alle Menschen von Sklaverei und Tyrannei zu befreien und Gerechtigkeit herzustellen und Frieden und Sicherheit zu verbreiten.
 
Die Verfahrensweise Muhammad ibn Al-Qâsims mit dem Volk von Sindh ermutigte viele Menschen, sich ihm anzuschließen. Er eroberte nach und nach alle Gebiete des Sindh. Doch er war erst zufrieden, als ganz Sindh zum islâmischen Reich gehörte. Er kämpfte gegen Dâhir, der Muhammad ibn Al-Qâsim in einen Hinterhalt locken wollte, indem er ihn in die Stadt drängte, um ihn dann zu töten.
Muhammad ibn Al-Qâsim durchschaute den Plan des Königs und stellte deshalb seinen eigenen Plan auf, um den König zu überraschen. Er überquerte bei Nacht den Fluss Mahrân mit Tausenden seiner Soldaten. Nach ein paar Stunden war die gesamte Armee auf der anderen Seite und stand der Armee von Dâhir gegenüber.
Am Morgen entbrannte die Schlacht. Dâhir führte die Schlacht auf dem Rücken eines Elefanten, umgeben von weiteren Elefanten. Die Schlacht dauerte einige Stunden an und die Muslime waren siegreich. Dâhir wurde getötet, seine Soldaten waren zerstreut und flohen vom Schlachtfeld.
 
Nach diesem großartigen Sieg eroberte Muhammad ibn Al-Qâsim die übrigen Gebiete von Sindh. Er begann damit, die Grundlagen des islamischen Rechts einzuführen. Er verbreitete Gerechtigkeit, deshalb hießen ihn die Menschen willkommen und gaben den Muslimen, die ihre Seelen und ihr Geld schützten, ihren Treueid. Viele wurden Muslime und ihr Zulauf zum Islâm war groß, trotz ihrer verschiedenen gesellschaftlichen Herkunft. Neben den Untertanen wurden Gouverneure, Führer, Minister und Prinzen aus verschiedenen Regionen Muslime, wie etwa Prinz Kâka ibn Dschandar, der Cousin von Dâhir, dem König von Sindh.

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