Das falsche Mönchstum

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Der Gesandte Allâhs sagte: „Das weltliche Leben ist verflucht und verflucht ist, was in ihm ist, außer das Gedenken Allâhs und was Er liebt oder ein Gelehrter oder ein Lernender.“ Überliefert von At-Tirmidhî und Anderen.

 
Mu´âdh las diesen Hadîth am Donnerstagmorgen, während er in einem Buch blätterte. Er begann darüber nachzudenken und die Gedanken strömten nur so aus seinem Gehirn wie ein Wasserfall. Er fragte sich: Bedeutet dieser Hadîth, dass das weltliche Leben nur für Anbetungshandlungen erschaffen ist? Bedeutet das, dass die Arbeit nur eine Zeitverschwendung ist? Bedeutet das, dass wir die ganze Zeit in der Moschee verweilen sollen, ohne sie zu verlassen?
 
Wenn die Antwort auf diese Fragen „Ja“ lautet, wirft dies weitere wichtige Fragen auf: Wie essen und trinken wir und ernähren wir unsere Kinder? Wer übernimmt die Führungspositionen der Gemeinschaft? Wer arbeitet im Handwerk und in den Geschäften? Woher kommen die Gelehrten der Medizin, des Handwerks, der Astronomie, des Krieges etc.?
 
All diese und noch mehr Fragen drehten sich im Kopf von Mu`âdh. Es ließ ihn schlaflos werden und beschäftigte ihn sehr, bis die Zeit des Treffens mit Scheich Yûsuf nach dem Nachtgebet in der Moschee kam. Er konnte nicht verbergen, wie sehr es ihn beschäftigte, bis es sogar Scheich Yûsuf bemerkte. Er beschloss, ihn nach dem Gebet zu fragen, was ihn beschäftigt.
 
Nach dem Gebet saßen Mu´âdh und Scheich Yûsuf zusammen. Scheich Yûsuf fragte ihn zuerst: „Wie geht es dir Mu`âdh? Ich sehe dich heute sehr beschäftigt, was ist es?“ Mu´âdh entgegnete zögernd: „Al-Hamdu Lillâh, Scheich Yûsuf. Seit heute Morgen beschäftigt mich etwas, es lässt mich nicht mehr los.“ Scheich Yûsuf fragte besorgt weiter: „Was ist denn los, Mu`âdh? Berichte mir, was geschehen ist! Vielleicht kann ich dir helfen.“
 
Aus Mu´âdh brach es heraus, als ob er sehr darunter gelitten hätte, die Angelegenheit zu verbergen: „In Wirklichkeit, lieber Scheich Yûsuf, habe ich heute früh einen Hadîth gelesen, der fast mein Bild über den Islâm und dessen Praxis zerstört und eine neues aufgebaut hätte. Du kennst ihn bestimmt. Der Gesandte Allâhs sagte: „Das weltliche Leben ist verflucht und verflucht ist, was in ihm ist, außer das Gedenken Allâhs und was Er liebt oder ein Gelehrter oder ein Lernender.“"
 
Scheich Yûsuf wunderte sich: „Ja, ich kenne diesen Hadîth. Aber was bringt dich zu der Aussage, er würde dein Bild über den Islâm und dessen Praxis zerstören?“
 
Mu´âdh entgegnete erregt: „Scheich Yûsuf, ich habe von diesem Hadîth verstanden, dass die Arbeit und ihr Ergebnis keine Bedeutung haben, weil sie nicht zum Gedenken Allâhs und zu dem, was Er liebt, gehören.“
 
Scheich Yûsuf lächelte und sagte, Mu´âdh auf die Schulter klopfend: „Lieber Mu`âdh, richte nicht voreilig über Dinge! Lasse dir ein bisschen Zeit, bevor du die Dinge zu erklären versuchst. Dieser Hadîth hat eine ganz andere Bedeutung als die, die du dir gedacht hast. Dafür habe ich viele Beweise.“
 
Mu´âdhs Aufregung legte sich allmählich und er fragte gespannt: „Bitte, lieber Scheich Yûsuf, wie ist dieser Hadîth richtig zu verstehen?“
 
Scheich Yûsuf richtete sich auf und sagte: „Höre und staune über folgenden Hadîth des Propheten : „Wenn die Letzte Stunde eintrifft und einer von euch einen Palmschössling in seiner Hand hat, dann soll er ihn einpflanzen, wenn er ihn noch einpflanzen kann, bevor die Auferstehung beginnt, dann soll er ihn einpflanzen!“ Von Al-Albânî für authentisch erklärt.
 
Man erwartet eigentlich, dass uns der Prophet vor dem unmittelbaren Hereinbrechen der Stunde dazu auffordert, zu bereuen, um Vergebung zu bitten, dieses weltliche Leben zu vergessen und sich dem Jenseits zuzuwenden. Stattdessen wies er uns an, die Erde mit dem Pflanzen einer kleinen Pflanze zu bereichern. Welche kleine Pflanze ist es, die uns der Prophet angewiesen hat zu pflanzen? Es ist eine kleine Palme, die erst nach vielen Jahren Früchte tragen wird. Was hältst du davon, Mu`âdh?“
 
Mu´âdh sperrte seinen Mund weit auf und sagte: „Wirklich? Ich hätte niemals gedacht, dass der Prophet dies gesagt hat.“
 
Scheich Yûsuf fuhr fort: „Der Prophet hat uns dies gesagt, um zu verdeutlichen, dass der Weg des Jenseits der Weg des Diesseits ist. Es sind nicht zwei unterschiedliche Wege, einer für das Diesseits und einer für das Jenseits. Es ist ein einziger Weg, der beides beinhaltet und verbindet.
 
Es gibt keinen Weg für das Jenseits, der Anbetungshandlung heißt und einen für das Diesseits, der Arbeit heißt. Es ist ein einziger Weg, der in diesem weltlichen Leben beginnt und im Jenseits endet. Auf diesem Weg scheiden sich Arbeit und Anbetungshandlung nicht voneinander. Aus der Sicht des Islâm sind beide gleich, verlaufen Seite an Seite auf diesem einzigen Weg, neben dem es keinen anderen gibt.
 
Jetzt können wir verstehen, wie wir die folgende Aussage Allâhs des Erhabenen richtig umsetzen: „Sprich: Gewiss, mein rituelles Gebet und mein Schlachtopfer, mein Leben und mein Sterben gehören Allâh dem Herrn der Welten.“ (Sûra 6:162)
 
Es ist nicht denkbar, dass ein Mensch sein ganzes Leben nur damit verbringt zu beten, zu fasten und Qurân zu lesen, damit sein ganzes Leben Allâh gehört. Unser Prophet Muhammad und seine edlen Gefährten taten dies auch nicht.
 
Man muss also das diesseitige und das jenseitige Leben miteinander in Einklang und auf einen Weg bringen. Nur so kann der Gläubige sein ganzes Leben Allâh dem Erhabenen widmen.
 
Wenn du, lieber Mu`âdh, die umfassende Bedeutung der Anbetungshandlungen verstanden hast, wirst du erkennen, wie unsere Gemeinschaft abgedriftet und zum Schlusslicht aller Gesellschaften geworden ist, weil sie sich in zwei Gruppen gespaltet hat:
 
Eine Gruppe, die das weltliche Leben mit der Begründung vernachlässigt, sie opfere sich für das Jenseits; und eine Gruppe, die das Jenseits vernachlässigt und nach dem weltlichen Leben strebt, nicht ob des Wohlgefallens von Allâh, sondern ob ihrer Gelüste.
 
Die wahren Gläubigen, die den Weg Allâhs beschreiten, sind die wirklich Erfolgreichen. Sie streben in allen ihren Taten nach der Zufriedenheit Allâhs.
 
Der Glaube hat ihre Herzen gepackt und somit unglaubliche Kräfte und Energien freigesetzt. Sie bauen diese Welt auf und verewigen sich in ihr durch maßgebende Erfolge.
 
Der Erfolg beginnt in diesem weltlichen Leben mit einem glücklichen Leben und der Freude darüber, etwas zum Wohlgefallen Allâhs erreicht zu haben, und endet im Jenseits mit dem ewigen Paradies.
 
Es finden sich im Qurân und in der Sunna weitere Beweise für meine Aussagen. Allâh der Erhabene sagt: „... Wahrhaftig, Ich setzte, auf Erden einen Stellvertreter ein...“ (Sûra 2:30)
 
Allâh der Erhabene hat dem Gläubigen die Erde anvertraut. Er muss sich also anstrengen sie zu kultivieren, um die Anbetungshandlungen zu verwirklichen. Diese schwere Aufgabe kann der Mensch nur erfüllen, wenn er Mittel und Fähigkeiten dafür besitzt. Daher hat Allâh der Erhabene dem Menschen diese Fähigkeiten gegeben: „Wir erschufen den Menschen bereits in schönstem Ebenmaß.“ (Sûra 95:4)
 
Er hat ihn in bester Gestalt erschaffen, damit er diese Aufgabe auf beste Weise durchführen kann. Die Gefährten des Propheten sind das beste Beispiel dafür. Wie konnten sie in so kurzer Zeit das gewaltigste Reich der Welt aufbauen? Wie erschlossen sie der Welt die höchste Kultur ihrer Zeit, die als Grundlage des damaligen westlichen Aufschwungs gilt? Robert Briffault schreibt in Making of Humanity, einem seiner bekanntesten Bücher: „Wir haben den Arabern unser Wissen, nicht die Präsentation umwerfender Entdeckungen erfinderischer Ansichten, zu verdanken. Es ist ihnen wegen dem bloßen Vorhandensein dieses Wissens zu danken. Die frühere Welt hatte überhaupt kein Wissen. Griechenland führte die Lehren ein. Sie verallgemeinerten die Regeln und stellten Theorien auf. Beharrliche und geduldige Suche, das Sammeln von positiven Erkenntnissen und deren Auswertung und genaue wissenschaftliche Pläne waren den Griechen aber ebenso fremd wie dauerhafte Untersuchungen und Versuche.
 
Was wir Wissen nennen, entstand in Europa als Ergebnis neuer Methoden zur Suche und moderner Wege zur Untersuchung. Diese Methoden haben die Araber später in die westliche Welt getragen.“ (Zitatende).
 
Somit ist es auch nicht verwunderlich, dass der Prophet von einem Gefährten wie Zaid ibn Thâbit forderte, in nur zwei Wochen eine ganze Sprache, nämlich Hebräisch zu lernen.
 
Der Prophet kannte die Fähigkeiten dieser Geschöpfe, die Allâh dazu auserwählt hatte, Seine Stellvertreter auf Erden zu sein. Deswegen lernte dieser Gefährte diese Sprache mit Gewandtheit in nur zwei Wochen.
 
Höre dir die beiden genialen Hadîthe gut an:
 
- Von Anas ist überliefert, dass er sagte: „Der Gesandte Allâhs sagte: „Für sieben Dinge läuft dem anbetend Dienenden deren Belohnung weiter, wenn er nach seinem Tod in seinem Grab ist: Wer Wissen gelehrt hat oder einen Fluss fließen lässt oder einen Brunnen gräbt oder eine Palme pflanzt oder eine Moschee baut oder einen Qurân vererbt oder ein Kind hinterlässt, das für ihn nach seinem Tod um Vergebung bittet.““ Überliefert von Al-Bazzâr. Al-Albânî erklärte den Hadith für gut.
 
- Von Dschâbir ibn Abdullâh ist überliefert, dass er sagte: „Der Gesandte Allâhs sagte: „Alle Dinge, die nicht zum Gedenken Allâhs gehören, sind Vergnügen und Spiel, außer vier: Dass der Mann mit seiner Frau scherzt und dass der Mann seinen Hengst dressiert und dass der Mann zwischen zwei Zielen läuft und dass der Mann das Schwimmen erlernt.““ Überliefert von An-Nasâî. Al-Albânî erklärte den Hadith für authentisch.
 
Die Gefährten des Propheten geben das beste Beispiel ab:
 
Abdurrahmân ibn Auf: Abdurrahmân ibn Auf verkaufte Uthmân ein Stück Land für 40.000 Dînâr und teilte diese unter den Armen des Stammes Banû Zahra, den Armen der Muhâdschirûn und den Müttern der Gläubigen auf. Ibn Abdu-l-Barr sagte: „Abdurrahmân ibn Auf war derjenige, der die Aussage machte: „Zeigt mir den Markt von Al-Madîna!“ Er war ein sehr geschickter Händler. Er hinterließ 1.000 Kamele, 3.000 Schafe und 100 Hengste. Er bepflanzte Al-Dschurf, ein fünf Kilometer langes Gebiet von Al-Madîna in Richtung Groß-Syrien. Er benutzte zur Bewässerung seines Landes zwanzig Kamele.“ Zitatende.
 
Weißt du jetzt, dass unsere Religion zu Leistung und Effektivität motiviert? Sie fordert uns niemals zu falschem Mönchstum auf, das uns nur daran hindern soll, die Erde zu kultivieren.“
 
Mu´âdh schwieg kurz überlegend und sagte dann entschlossen: „Ich habe verstanden, lieber Scheich Yûsuf. Und ich bin davon überzeugt, dass wir unsere Religion richtig verstehen lernen müssen, damit sich die richtigen Gedanken nicht mit den falschen vermischen und unsere wahrhaftige Religion, die immer zum Besten für das Individuum und die Gesellschaft aufruft, in Vergessenheit gerät.

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