Der verloren gegangene Ramadân

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Der Ramadân wird in unserem Verstand immer mit 29 oder 30 Tagen der Selbstreinigung, Aufopferung und reiner Hingabe zu Allâh gleichgesetzt. Selbst der Muslim unter uns, der sich nie um die Mondsichtung, das rituelle Gebet in den letzten Stunden der Nacht und das Lesen des ganzen Qurân in vier Wochen kümmert, bereitet sich darauf vor, sich den Geist dieses Monats zu eigen zu machen.

 
Als ich den letzten Ramadân in Allâhs geliebtestem Land verbrachte, fühlte ich mich äußerst glücklich, Datteln von einer lächelnden Schwester entgegenzunehmen, der ich niemals zuvor begegnet war und wahrscheinlich niemals wieder begegnen werde, und die lauten Amîns meiner Familie Tausender Muslime zu genießen, die in der ganzen Harâm-Moschee in Makka erschallten. Es war überwältigend zu beobachten, wie Scharen von Menschen in eine Richtung zum Tarâwîh-Gebet (freiwilligen Gebet nach dem Nachtgebet im Ramadân) strömten. Das sakrosankte Haus, der immerzu betriebsame Ort, war voller Menschen, die ihr Fasten brachen, Almosen gaben, die Umra (Pilgerfahrt mit geringeren Riten als Haddsch) verrichteten und Zamzam-Wasser tranken. Es war eine außergewöhnliche Erfahrung.
 
Ja, ich bin mir sicher, ihr wisst, dass jetzt ein „Aber“ kommt. Ich hasse es zu sagen, vielleicht weil ich nicht die Schönheit dieses Monats verderben möchte, die wir heraufbeschworen haben. Jedoch selbst in der Harâm-Moschee konnte ich nicht anders als mich traurig zu fragen, ob der Ramadân gekommen und gegangen war und er uns entgangen ist. Denn während ich freudig Menschen beobachtete, die zum rituellen Gebet strömten, hörte ich auch Menschen, die lauthals über einen Sitzplatz im Hause Allâhs stritten. Und anstatt uns um die Moschee wie um unser eigenes Haus zu kümmern, wurde sie oft dreckig verlassen, weil die Leute es versäumten, hinter sich sauber zu machen. Es machte viel Großzügigkeit die Runde, doch einige muslimische Brüder und Schwestern sterben und leiden an vielen Orten auf der ganzen Welt. Es wurde unermesslich geteilt, jedoch gab es auch ungezügelte Habgier. Geschäfte und Hotels verschlimmerten die Situation und verdoppelten ihre ursprünglichen Preisforderungen.
 
Sicherlich gab all dies dem mekkanischen Ramadan keine weniger einzigartige Note. Doch ich blieb mit dem Wunsch nach dem wahren Geist des Ramadân zurück, dem Geist des Glaubens, der Einheit und der Geduld, der eine Veränderung in uns hervorruft, die länger anhält als nur einen Monat.
 
Es ist jedoch jedes Jahr die gleiche Geschichte auf diesem sakrosankten Boden, wie auch in der übrigen muslimischen Welt. Was einst, seit dem Aufkommen des Islâm, ein Monat des Sieges war, hat begonnen nur scheinbar nicht unterschiedlich von unserer jüngsten Geschichte zu sein – mit Streitigkeiten unter den Muslimen, den Herabwürdigungen unseres Propheten seitens der Nicht-Muslime und weiterem Versagen. Anstatt jeden Moment dieser unschätzbaren Tage zu lieben, können wir das Fest nicht erwarten, um unsere neue Kleidung anzuziehen. Und anstatt zu fasten, um Solidarität mit den Hungernden zu zeigen, planen wir Haute-Cuisine-Iftârs (Speisen vom Feinsten). Wenn man von speziellen Ramadân-Fernsehsendungen und Schlussverkäufen in den Kaufhäusern hört, ist es schwierig zu sagen, ob die Unternehmen schuldiger sind oder deren Kunden.
 
Der Geist des Ramadân wird unbedeutend; vielleicht ist es das, was der Prophet andeutete, als er sagte: „Manch ein Fastender erlangt nichts von seinem Fasten außer Durst, und manch Einer, der im Gebet steht, erlangt nichts von seinem Stehen außer Schlafentzug.“ (Ibn Mâdscha).
 
Wie es stets von Gelehrten und in Büchern und Artikeln gelehrt wird, geht es beim Ramadân nicht nur um das übliche Fasten und die üblichen Gebete; es ist ein Monat, in dem Allâh eine Nacht verbirgt, die besser als tausend Monate (in Wertigkeit und Belohnung) ist, damit wir uns jede Nacht anstrengen, sie zu finden. Außerdem geht es nicht um die Anbetung Allâhs des Erhabenen und das Praktizieren des Islâm in nur einer Nacht oder nur einem Monat, sondern eigentlich ist der Ramadân ein Katalysator für inneren und äußeren Wandel, der ein Leben lang anhält, da Allâh niemanden benötigt, der fastet, aber sündiges Gerede oder Handeln nicht lässt. (Al-Buchârî).
 
Der Ramadân an sich ist ein Monat, der durch seine Besonderheiten, wie Fasttage und Gebetsnächte, wie sie in der Tat überall praktiziert werden, über allen steht. Aber wenn wir auf unserem jetzigen Weg bleiben und die Lehren dieses Monats nicht wirklich schätzen, indem wir ihn zu einer konventionellen und kommerzialisierten Ferienzeit machen, behalten wir vielleicht seine Güte, riskieren es jedoch, den eigentlichen Geist des Ramadân zu verlieren.

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