Weinen im Tarâwîh-Gebet: Zwischen dem Erlaubten und dem Verbotenen - Teil 2

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Schariatische Fatwâs

 
Vorsicht vor Augendienerei!
 
Der große Gelehrte Ibn Bâz wurde einmal gefragt: „Wie lautet die Rechtsnorm im Islâm hinsichtlich derer, die mit lauten Stimmen weinen?“ Da antwortete er :
 
„Ich habe vielen geraten, die mich deswegen kontaktiert haben, dieses Verhalten zu vermeiden. Man soll dies nicht tun, weil dies die Leute belästigt und ihnen die Sache schwer macht sowie die Betenden und die Qurân-Leser stört. Der Gläubige soll immer versuchen, dass man sein lautes Weinen nicht hört, und er soll sich auch vor Augendienerei hüten, denn der Satan versucht, ihn dazu zu bringen. Es steht dem Muslim an, dass er die Anderen mit seiner lauten Stimme niemals belästigt oder stört.“
 
Es ist bekannt, dass einige Leute das unabsichtlich und unwillkürlich machen. Das soll kein Problem sein, solange man das nicht beabsichtigt hat. Es steht fest, dass der Prophet beim Qurân-Lesen weinend von sich einen summenden Laut gab, der dem Geräusch eines Kochkessels ähnelt.
 
In der Biografie von Abû Bakr steht, dass er während des Qurân-Lesens im Gebet weinte, so dass die Leute seine Stimme nicht hören konnten.
 
Über Umar wurde überliefert, dass man seine schluchzende Stimme hinter den Gebetsreihen hören konnte. Das bedeutet jedoch nicht, dass man dies absichtlich machen darf, sondern nur unwillkürlich ob der Demut in Ehrfurcht gegenüber Allâh. Wenn es so spontan ohne Absicht geschieht, dann ist es auch kein Problem.
 
Es ist kein Problem, wenn man dem Weinen nicht widerstehen kann.  
 
Der große Gelehrte Ibn Uthaimîn wurde gefragt: „Wie lautet die Rechtsnorm für das Heben der Stimme mit Weinen während des Tarâwîh-Gebets oder eines anderen Gebets, zumal dies eine Störung und Ablenkung für andere darstellt?“
 
Da antwortete er:
 
"Das Weinen wegen Demut in Ehrfurcht gegenüber Allâh ist zweifellos eine Eigenschaft der Rechtschaffenen. Der Prophet war immer demütig in seinem Gebet und man hörte von seiner Brusthöhle einen summenden Ton, der dem Geräusch eines Kochkessels ähnelt. Allâh der Erhabene sagt im Qurân: "Und sie fallen auf das Gesicht nieder, wobei sie weinen; und es mehrt ihnen Demut." (Sûra 17, Vers 109).
 
Das Weinen beim Lesen des Qurân, bei Niederwerfung und bei Bittgebeten ist eine Eigenschaft der Rechtschaffenen und man soll dafür gelobt werden. Die Stimmen, die manchmal von einigen ausgehen, finden wahrscheinlich spontan statt, ohne dass diese das beabsichtigen.
 
Die Gelehrten meinten:
 
Wenn ein Mensch wegen Demut in Ehrfurcht gegenüber Allâh weint, lässt das sein Gebet nicht ungültig sein, auch wenn  man wegen des Weinens zwei Laute oder mehr von sich gegeben hat, weil dies etwas ist, was man nicht kontrollieren kann. Wir können den Leuten nicht sagen: Man darf im Gebet nicht demütig sein oder nicht weinen. Vielmehr meinen wir: Gegen das Weinen, das durch Beeinflussung des Herzens durch das stattfindet, was man gehört oder bei Niederwerfung verinnerlicht hat, ist nichts einzuwenden. Bei der Niederwerfung fühlt man nämlich, dass man Allâh dem Hochmajestätischen näher ist, denn der Prophet sagte: "Der anbetend Dienende ist am nächsten zu seinem Herrn, wenn er sich um Allâhs willen niederwirft." Überliefert von Muslim.
 
Wenn das Herz dies während der Niederwerfung empfindet, wird man sicher demütig sein und kommt zum Weinen. Wir können die Leute nicht daran hindern zu weinen, und wir meinen sogar, dass das Weinen wegen Demut in Ehrfurcht gegenüber Allâh und die Stimme, die man nicht kontrollieren kann, problemlos sind. Wie wir schon erwähnt haben, gehört das Weinen wegen Demut in Ehrfurcht gegenüber Allâh sogar zu den Eigenschaften der Rechtschaffenen.
 
Das Weinen ist eine Sunna, aber ...!
 
Der große Gelehrte Ibn Dschibrîn wurde einmal gefragt: „Was ist mit dem Weinen mit lauter Stimme und mit dem, dass man dies übertrieben macht?“ Ob er den Imâmen und Betenden einen Rat diesbezüglich geben könne.
 
Er antwortete:
 
"Das Weinen beim Hören des Qurân oder von Ansprachen ist eine Sunna. Allâh sagt: "... Wenn ihnen die Zeichen des Allerbarmers verlesen wurden, fielen sie sich niederwerfend und weinend nieder." (Sûra 19:58).
Abû Dâwûd, At-Tirmidhî, An-Nasâî und Ibn Mâdscha überlieferten von Abdullâh ibn Aschichîr, dass dieser sagte: "Ich sah den Propheten beten und aus seiner Brust kam eine weinende, summende Stimme, die dem Geräusch eines Kochkessels ähnelt."
 
Wenn das Weinen im rituellen Gebet geschieht, ist dieses nicht ungültig, solange dies aus Demut in Ehrfurcht gegenüber Allâh kommt. Das Gleiche gilt auch beim Hören des Qurân, wo man meistens die Stimme hebt. Es ist aber nicht erlaubt, dass man damit prahlt oder damit beabsichtigt, dass die Leute davon reden, denn das ist wie Augendienerei, die die guten Taten ungültig macht. Denn der Prophet sagte in einem Hadith: "Wer mit seiner Tat lediglich einen guten Ruf oder Augendienerei beabsichtigt, dem verleiht Allâh dagegen einen schlechten Ruf." Überliefert von Muslim.
 
Auf diese Art ist es nicht anständig, dass man weint, indem man den Imâm oder die anderen Betenden nachahmt. Dies wird aber gelobt, wenn es aus Demut in Ehrfurcht gegenüber Allâh dem Erhabenen resultiert. Die lügnerische Unterwürfigkeit ist das scheinbare Ausruhen des Körpers, ohne dass das Herz selbst das begreift, dadurch beeinflusst wird oder das verinnerlicht.
 
Die Imâme und auch die Betenden sollen immer versuchen, aufrichtige Absichten zu hegen und dies zu bewahren. Man soll auch die guten Taten verbergen, denn dies hilft einem, der die guten Taten ungültig machenden Augendienerei fernzubleiben. Wiederholtes, aus einem schwachen Grund stammendes Weinen, übertriebene Unterwürfigkeit, verschönerte oder zarte Stimme, wenn man damit die Zuhörer und die Betenden zum Weinen bringt und sie zufriedenstellt oder damit das Publikum an Anzahl mehrt, ohne dass man dabei eine aufrichtige Absicht hat, verderben die Absicht und lassen die guten Taten ungültig werden. Das kann man nicht vor allen Zuhörern verbergen. Allâh weiß aber, was in den Herzen vorgeht.
 
Jemand weint beim Bittgebet und weint nicht beim Quran-Zuhören
 
Der große Gelehrte Ibn Bâz wurde über jemanden gefragt, der nur beim Bittgebet und nicht beim Qurân-Zuhören weint. Was ist mit ihm?
 
Da antwortete er:
 
Das liegt nicht in seiner Wahl, er könnte auf das Bittgebet reagieren und bei einigen Qurân-Versen geschieht das mit ihm nicht. Aber er soll sich auch bemühen und beim Zuhören oder Lesen des Qurân demütiger als beim Bittgebet sein, denn dies ist beim Qurân-Lesen wichtiger. Wenner dabei Erfolg hat, sowohl beim Qurân-Lesen als auch beim Bittgebet demütig zu sein, dann ist es gut, denn die Demut beim Bittgebet gehört zu den Mitteln zur Erhörung des Bittgebets, aber seine Aufmerksamkeit soll mehr auf das Qurân-Lesen gerichtet sein, denn es ist das Wort Allâhs, das Rechtleitung und Licht enthält.
 
Rechtsnorm für  das vorsätzliche Weinen
 
Ibn Bâz wurde einmal gefragt, wie die Rechtsnorm für das vorsätzliche Weinen laute und welchen Grad der Authentizität der Hadith darüber hat.
 
Er antwortete:
 
Es steht im Hadîth: "Wenn ihr nicht weint, dann versucht zu weinen!"
 
Ich weiß nichts über dessen Authentizität. Imâm Ahmad hat diesen Hadîth überliefert, aber ich erinnere mich nicht an die Authentizität dieses Zusatzes. Auf jeden Fall ist er unter vielen Gelehrten bekannt, aber er muss noch untersucht werden, weil ich mich daran nicht erinnere.
 
Es ist eher gut zu sagen: Man soll nicht vorsätzlich weinen, und wenn man beginnt zu weinen, soll man sich bemühen, niemanden damit zu stören. Man soll nur leise weinen, so dass man möglichst niemanden stört.
 
 

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