Verhaltenskodex für Besuch

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Der Prophet erzählte seinen Gefährten, dass ein Mann von seinem Dorf aufbrach, um einen seiner Brüder in einem anderen Dorf zu besuchen. Allâh der Erhabene sandte ihm auf seinen Weg einen Engel und als er den Engel passierte, fragte dieser ihn: "Wo willst du hin?" Er antwortete: "Ich möchte zu einem meiner Brüder in diesem Dorf." Der Engel fragte weiter: "Hast du bei ihm etwas Geschäftliches zu erledigen?" Er entgegnete: "Nein! Ich liebe ihn aber um Allâhs des Hocherhabenen willen." Da sagte der Engel zu ihm: "Ich bin ein Bote Allâhs, gesandt um dir zu sagen, dass Allâh dich liebt, wie du deinen Bruder um Allâhs willen liebst." Von Muslim überliefert.

 
Der Besuch des Muslims bei seinem muslimischen Bruder gehört zu den Pflichten, die er erfüllen soll, besonders bei glücklichen oder traurigen Anlässen. Diesbezüglich sagte der Prophet : "Das Gleichnis der Gläubigen in ihrer gegenseitigen Freundschaft und Barmherzigkeit sowie ihrem Mitgefühl füreinander ist wie der Körper eines Menschen: Wenn ein Glied leidet, so leidet der ganze Körper an Schlaflosigkeit und Fieber." Von Al-Buchârî und Muslim überliefert.
 
Für den Besuch gibt es verschiedene Anstandsregeln, die der Muslim einhalten soll, je nach dem Grund des Besuchs, und zwar wie folgt:
 
Gratulationsbesuch
 
Allâh der Gepriesene nahm die Reue vom geehrten Gefährten Ka’b ibn Mâlik und dessen beiden Gefährten Hilâl ibn Umaiya und Murâra ibn Ar-Rabi an, die ohne eine plausible Entschuldigung zu Hause blieben, als die Muslime zum Kampf gegen die Römer im Feldzug von Tabuk aufbrachen. Ihre Reue wurde im Qurân geoffenbart, und es kam ein Mann zu Ka’b geeilt, um ihm die frohe Botschaft zu verkünden, und er rief ihm zu: "O Ka’b ibn Mâlik, freu dich über eine frohe Botschaft für dich!" Ka’b beeilte sich zur Moschee, wo sich der Gesandte Allâhs aufhielt. Da stand Talha ibn Ubaidullâh auf und eilte zu ihm, um ihm die Hand zu geben und zur Annahme seiner Reue von Allâh zu gratulieren. Als Ka’b zum Gesandten Allâhs gelangte, gratulierte ihm dieser, verkündete ihm die frohe Botschaft und sagte zu ihm: "Freu dich über den besten Tag, der dir widerfährt, seit dich deine Mutter zur Welt brachte!" Von Al-Buchârî überliefert. Und so gratuliert der Muslim seinem Bruder und besucht ihn, wenn ihm etwas Gutes geschieht, wie die Heirat, ein Neugeborenes, ein Erfolg, ein Gewinn, wenn er einem Unglück entkommt, wenn ein Verwandter von ihm, der verreist war, zurückkehrt oder Ähnliches. Beim Gratulationsbesuch soll der Muslim folgende Anstandsregeln einhalten:
 
- Freude und Glück zeigen: Auch wenn der Besucher betrübt ist, soll er als Teilnahme gegenüber seinem Bruder Freude zeigen.
 
- Sich gegenseitig die Hand geben und umarmen: Dazu sagt der Prophet : "Gebt euch gegenseitig die Hand, dann verschwindet der Groll!" Von Imâm Mâlik überliefert.
 
- Ein Geschenk mitnehmen, soweit dies möglich ist: Denn dies zeigt die Gefühle der Liebe und Freude noch mehr. Der Prophet sagte: "Beschenkt euch gegenseitig, dann werdet ihr euch lieben!" Von Mâlik überliefert. Er sagte auch: "Beschenkt euch gegenseitig, denn das Geschenk reinigt das Herz vom Groll!" (Vom Neid, Zorn, von der Wut und Feindschaft.) Von At-Tirmidhî und Ahmad überliefert.
 
- Die entsprechenden Gratulationsformeln benutzen: Falls man zum Beispiel zu einem Neugeborenen gratuliert, dann sagt man: "Möge Allâh dein Kind gut erziehen!" oder "Möge Allâh dir segnen, was dir geschenkt wurde, mögest du dem Schenkenden danken, möge Allâh dir seine Pietät gewähren und möge es seine Vollreife erlangen!" Wenn man zur Heirat gratuliert, dann sagt man: "Möge Allâh dir deine Gattin segnen, dich segnen und euch beide in Güte vereinen!" Von At-Tirmidhî überliefert. Wenn man zu einem neuen Kleidungsstück gratuliert, sagt man: "Trag es, bis es abgenutzt ist, und möge Allâh es dir ersetzen! Trag etwas Neues, leb lobenswert und stirb als Märtyrer!" Beim Beglückwünschen zu Festen sagt man: "Möge Allâh von uns und von euch die guten Taten annehmen!"
 
Der Kondolenzbesuch und der Besuch zum Trösten
 
Dscha’far ibn Abû Tâlib fiel bei einer Schlacht als Märtyrer. Als der Prophet davon erfahren hatte, ging er die Familie Dscha’fars besuchen: Er versammelte dessen kleine Kinder und küsste sie. Da fragte ihn Asmâ, die Frau Dscha’fars: "O Gesandter Allâhs, hast du etwas von Dscha’far erfahren?" Er sagte: "Ja, er ist heute gefallen." Da begann Asmâ zu weinen und der Gesandte tröstete sie, er kehrte dann in sein Haus zurück und sagte: "Bereitet das Essen für die Familie von Dscha’far vor, denn sie sind jetzt wohl bekümmert!" Von At-Tirmidhî überliefert.
 
Die Kondolenz tröstet die Hinterbliebenen und lindert deren Trauer, Besorgnis und Schmerz. Der Prophet sagte: "Wer einem Hinterbliebenen zu dessen Unglück kondoliert, bekommt die gleiche Belohnung." Von At-Tirmidhî und Ibn Mâdscha überliefert. Eines Tages fragte der Prophet einige seiner Gefährten: "Wen haltet ihr für einen Kinderlosen?" Sie antworteten: "Wer keine Kinder bekommt." Er erwiderte: "Dies ist nicht der Kinderlose, es ist vielmehr der Mann, der keines seiner Kinder darbot [durch den Tod verlor]." Und er sagte ferner: "Wer drei seiner unreifen Kinder durch den Tod verloren hat, dem werden sie ein guter Schutz vor dem Höllenfeuer sein." Da sagte Abu Dharr: "Ich habe zwei verloren!" Der Prophet erwiderte: "Und zwei." Da meinte Ubai ibn Ka'ab, der beste Qurân-Rezitator: "Ich habe eins verloren!" Er entgegnete: "Und eins." Von Ibn Mâdscha überliefert.
 
Für die Kondolenz und Tröstung gibt es bestimmte Anstandsregeln, die jeder Muslim einhalten soll, dazu gehört Folgendes:
 
- Die Beeilung: Wenn der Muslim vom Tod eines Verwandten, Nachbarn oder Freundes erfährt, soll er unverzüglich die Hinterbliebenen besuchen, ihnen zu ihrem Unglück kondolieren und sich an den Begräbniszeremonien beteiligen, gemäß den Worten des Propheten : "Ein Muslim hat gegenüber einem anderen Muslim fünf Pflichten: Das Erwidern des Friedensgrußes, das Besuchen des Kranken, das Folgen des Begräbniszugs, die Annahme von Einladungen und das Sprechen eines Bittgebets für den Niesenden." Von Al-Buchârî und Muslim überliefert.
 
- Innerhalb von drei Tagen kondolieren: Wenn man sich wegen einer Verhinderung nicht beeilen konnte, soll der Besuch innerhalb von drei Tagen erfolgen. Der Muslim soll persönlich hingehen und sich nicht mit einem Kondolenzschreiben begnügen, außer in Notfällen.
 
- Essen bereiten: Es ist für Verwandte und Freunde empfohlen, für die Hinterbliebenen das Essen zu bereiten, weil sie durch ihr Unglück davon abgelenkt werden. Der Prophet sagte: ""Bereitet das Essen für die Familie Dscha’fars vor, denn sie dürften jetzt wohl beschäftigt sein!" Von At-Tirmidhî überliefert.
 
- Kondolenz der Frauen: Die Frauen sollen dabei wohlanständig, bedeckt und nicht geschmückt sein. Sie sollen nichts tun, was der Religion widerspricht, wie das Zerreißen der Kleidung, Schlagen des eigenen Gesichts mit der Hand, Schreien und Wehklagen, denn all dies erzürnt Allâh den Gepriesenen und kann ein Grund für die Bestrafung des Toten sein, falls dieser es vor seinem Tod angewiesen hat.
 
- Nicht eigens für Kondolenzannahme zuhause sitzen: Die Verwandten des Toten sollen keine Kondolierende in Zelten empfangen, denn dies gehört zu den unerlaubten Neuerungen in der Religion, die der Islâm nicht akzeptiert. Die Prophetengefährten möge Allah mit ihnen allen zufrieden sein pflegten auf den Friedhöfen, beim Begräbniszug oder beim Treffen mit den Verwandten des Toten auf dem Weg oder in der Moschee zu kondolieren. Es gibt nichts dagegen einzuwenden, wenn man den Verwandten des Verstorbenen zuhause kondoliert, man soll sich aber nicht lange aufhalten und die oben erwähnten Anstandsregeln einhalten; ferner soll man das vermeiden, was einige Leute dabei tun, wie zum Beispiel Rauchen und nutzlose Gespräche, man soll sich vielmehr auf die Aufforderung zur Standhaftigkeit, Trostworte und Ähnliches beschränken.
 
- Was man zur Kondolenz sagt: Man soll sich auf die Tröstungsworte beschränken, indem der Kondolierende zum Beispiel sagt: "Nur Allâh ist der Ewigbleibende!" Oder: "Wir gehören wahrhaftig Allâh, und zu Ihm kehren wir wahrhaftig zurück." Oder: "Wahrhaftig! Zu Allâh gehört, was Er gab, und Ihm gehört, was Er nahm. Und alles bei Ihm hat sein Maß. Sei also geduldig und hoffe auf Allâhs Belohnung!" Der Hinterbliebene soll dann Âmin und zum Kondolierenden sagen: "Möge Allâh dich dafür belohnen!"
 
- Bei den Begräbniszeremonien nicht verschwenderisch vorgehen: Der Muslim soll sich von allen unerlaubten Neuerungen in der Religion hinsichtlich dieser Angelegenheit fernhalten, wie zum Beispiel dem Aufbauen von Kondolenzzelten, dem Halten von Gedenkfeiern zum vierzigsten Tag des Todes oder von einer jährlichen Gedenkfeier und den anderen Neuerungen in der Religion, die sich in unseren islâmischen Gesellschaften verbreiteten.
 
Der Krankenbesuch
 
Als Sa’d ibn Abû Waqqâs krank war, besuchte ihn der Prophet . Er war sehr krank und seine Lage verschlechterte sich zusehends. Sa’d hatte damals das Gefühl, dass er nach kurzer Zeit sterben werde. Er hatte nur eine Tochter und wollte zwei Drittel seines Vermögens als Almosen testamentarisch verfügen, aber der Prophet stimmte ihm dabei nicht zu, woraufhin Sa’d fragte: "Dann die Hälfte?" Der Prophet entgegnete: "Auch nein!" So fragte Sa’d: "Dann ein Drittel?" Da sagte der Prophet : "Das Drittel. Und das Drittel ist auch viel." Der Prophet legte dann seine Hand auf das Gesicht und den Bauch von Sa’d und sagte: "O mein Herr, heile Sa’d!" Von Al-Buchârî und Muslim überliefert.
 
Der Krankenbesuch ist ein Recht des Kranken gegenüber dessen Geschwistern, und für den Besucher gibt es immense Belohnung bei Allâh dem Gepriesenen. Der Prophet sagte: "Wer einen Kranken besucht, dem ruft ein Rufer vom Himmel zu: Möge Allâh dich glückselig machen, deine Mühe belohnen und dir einen Platz im Paradies gewähren!" Von At-Tirmidhî und Ibn Mâdscha überliefert.
 
Für den Krankenbesuch gibt es bestimmte Anstandsregeln, die der Muslim einhalten soll, dazu gehört Folgendes:
 
- Die aufrichtige Absicht: Der Muslim soll Allâh gegenüber aufrichtig handeln, damit er für seinen Besuch belohnt wird.
 
- Die passende Zeit aussuchen: Er soll sich mit dem Besuch seines Bruders beeilen, wenn er von dessen Krankheit erfährt. Er besucht ihn in der passenden Zeit, zu der der Kranke Besucher empfangen darf.
 
- Das Bittgebet zur Heilung: Wenn der Muslim einen Kranken besucht, soll er Allâh bitten, dass Er diesen heilt, Allâh dafür danken, dass Er ihn selbst vor Krankheiten schützt, bei dem Kranken die Hoffnung auf Heilung erwecken und ihn zu Zuversicht und Optimismus auffordern. Dann soll er für den Kranken das Bittgebet des Propheten sprechen: "O Allâh, lass die Not weichen, o Allâh, Herr der Menschen, heile, denn Du bist der Heilende! Es gibt keine Heilung außer Deiner. Heile so, dass nichts an Krankheit zurückbleibt!" Von Al-Buchârî und Muslim überliefert.
 

- Den Besuch kurz halten: Der Besuch soll kurz sein, wobei man ruhig sein und nicht viel reden soll.

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