Al-Fudail ibn Iyâd

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Er hört nicht auf Allâh zu fürchten und zu weinen. Immer wenn man ihn sieht, findet man seine Augen von Tränen überfließen. Jedes Mal, wenn jemand den Namen Allâhs bei ihm ausspricht, zeigt sich seine Angst und Furcht und zittert er am ganzen Körper. Wer ist denn dieser Mann, dessen Herz vom Glauben erfüllt ist?

 
Er war ein Aufsässiger, doch bereute er seine Sünden. Dann nahm Allâh seine Reue an und ließ ihn zu Seinen gläubigen anbetend Dienenden gehören. Er wandelte sich von einem Straßenräuber, der friedliche Menschen in Schrecken zu versetzen pflegte, in einen enthaltsamen anbetend Dienenden. Der Grund seiner Reue besteht darin, dass er eines Nachts die Wände eines Hauses hinaufkletterte, um zu stehlen, als er eine Stimme die folgenden Worte Allâhs rezitieren hörte: „Ist es denn nicht Zeit für diejenigen, die den Glauben verinnerlichen, dass ihre Herzen demütig werden vor Allâhs Ermahnung und vor dem, was von der Wahrheit herabgekommen ist ...“ (Sûra 57:16). Als er diese Worte hörte, sagte er: „Doch, o Herr! Die Zeit ist schon gekommen.“
 
Auf dem Weg seiner Rückkehr kam er an einer Trümmerstätte vorbei, wo er einige Leute fand. Einige von ihnen sagten: „Wir brechen auf!“ Andere sagten: „Wir warten, bis es Morgen wird, denn Al-Fudail betreibt Straußenraub.“ Da sagte Al-Fudail: „Ich dachte darüber nach und sagte: Ich bemühe mich in der Nacht Sünden zu begehen, während es hier einige Muslime gibt, die mich fürchten. Nun glaube ich, dass mich Allâh zu diesem Ort kommen ließ, damit ich mich Ihm reuevoll zuwende. O Allâh, ich wende mich jetzt Dir reuevoll zu und lasse meine Reue in der Nähe der Ka´ba geschehen!“ Seine Reue fand also neben der Ka´ba statt, wo sich Barmherzigkeit und Segnung befinden. Er bat Allâh um Vergebung und bereute das, was er am Recht Allâhs vernachlässigt hatte.
 
Al-Fudail ibn Iyâd wurde in Churasan geboren. Dann brach er nach Kufa im Irak auf. Dort hört er die ehrwürdigen Hadîthe des Propheten und die islâmische Rechtslehre von Gelehrten wie etwa Al-A´masch, Yahyâ ibn Sa´îd Al-Ansârî und Dscha´far As-Sâdiq. Sie beeinflussten sehr stark seine Persönlichkeit, sodass er einer der Enthaltsamen wurde, die meinen, dass das Diesseits bei Allâh nicht so viel gilt wie der Flügel einer Mücke, und dass es nicht lohnt, dass die Leute darüber herfallen und sich seinetwillen bekämpfen, denn das Diesseits ist vergänglich. Es ist seiner Meinung nach vielmehr angemessener, dass die Leute für das Jenseits arbeiten, denn das Jenseits bleibt und dauert durch das Tun von Gutem und Vermeiden von Sünden an. Dann brach Al-Fudail nach Makka auf und hielt sich dort auf, bis er verstarb.
 
Er pflegte, wenn er an einem Leichenzug mit Leuten teilnahm, diese zu ermahnen und an das Jenseits zu erinnern. Wenn er die Grabstätte erreichte, saß er sehr traurig und weinte unaufhörlich. Der Kalif Harûn Ar-Raschîd fragte ihn einmal: „Was sind die Eigenschaften eines Gläubigen, o Asket?“ Daraufhin erwiderte Al-Fudail: „Die Eigenschaften eines Gläubigen sind viel Geduld, lange Wonne, wenig Eile und lange Reue.“
 
Al-Fudail ibn Iyâd kam an einigen Wohlhabenden vorbei und fand sie spielen, trinken und in unterhaltsamer Weise die Zeit vertreiben. Da sagte er zu ihnen mit lauter Stimme: „Der Schlüssel alles Guten ist wahrhaftig die Enthaltsamkeit im Diesseits.“ Einer von ihnen fragte ihn: „Und was ist die Enthaltsamkeit im Diesseits?“ Er erwiderte: „Genügsamkeit und Zufriedenheit. Beide sind nämlich das tatsächliche Reichsein, das nicht im Besitz von vielen Gütern und Kindern besteht. Vielmehr besteht das Reichsein in der Genügsamkeit und Zufriedenheit im Diesseits, damit wir im Jenseits Erfolg haben.“ Dann wandte er sich Allâh zu und sprach folgendes Bittgebet aus: O Allâh, lass uns des Diesseits enthalten! Darin besteht nämlich unsere Herzensfrömmigkeit, das Verbessern unserer Handlungen und all unserer Anliegen sowie das Decken unseres Bedarfs.“
 
Einmal führte Hârûn Ar-Raschîd den Haddsch durch. Da bat er einen seiner Gefährten, ihn auf einen Mann zu verweisen, um diesen um Rat zu fragen. Der Mann verwies ihn auf Al-Fudail. Beide gingen zu ihm. Dann empfing sie Al-Fudail und sagte zu Ar-Raschîd: „Als Umar ibn Abdulazîz das Kalifat übernahm, rief er einige Rechtschaffene zu sich und sagte zu ihnen: Ich wurde von der Herrschaft heimgesucht. So gebt mir eine Empfehlung! Umar betrachtete also das Kalifat als eine Heimsuchung, während du und deine Gefährten es als eine Gnade betrachten.“ Da weinte Ar-Raschîd. Daraufhin sagte der Gefährte von Ar-Raschîd zu Al-Fudail: „Sei milde gegenüber dem Fürsten der Gläubigen!“ Da fragte Al-Fudail: „Tötet ihr, nämlich du und deine Gefährten, ihn und behandle ich ihn mild?“ [Er meinte, dass das Nicht-Geben von Rat als Töten angesehen wird]. Ar-Raschîd sagte zu ihm: „Empfiehl mir weiter, möge Allâh Sich deiner erbarmen!“
 
Al-Fudail begann ihn zu ermahnen und ihm Empfehlungen zu geben. Dann sagte er zu ihm: „O Mann guten Angesichts! Allâh wird dich am Auferstehungstag nach diesen Geschöpfen fragen. Wenn du dieses Angesicht vor dem Höllenfeuer bewahren kannst, so tu das! Hüte dich auch davor, dass du einen deiner Untertanen sowohl morgens als auch abends betrügst, denn der Prophet sagte: Es gibt keinen Machthaber, der über ein muslimisches Volk regiert und verstirbt, nachdem er es betrogen hat, ohne dass Allâh ihm das Paradies verwehrt. (Überliefert von Al-Buchârî und Muslim).“ Da weinte Hârûn und fragte ihn: „Hast du eine Schuld, die ich an deiner Stelle tilge?“ Er erwiderte: „Ja! Eine Schuld gegenüber meinem Herrn, Der mich dafür nicht zur Rechenschaft gezogen hat. Wehe mir, wenn Er mit mir darüber diskutiert! Wehe mir, wenn ich keine Rechtfertigung am Auferstehungstag habe!“ Hârûn sagte: „Ich meine eine Schuld gegenüber den Menschen.“
 
Al-Fudail sagte: „Mein Herr hat mir das nicht aufgetragen. Er hat mich jedoch angewiesen, Sein Versprechen zu halten und Seiner Anordnung Folge zu leisten.“ Ar-Raschîd sagte zu ihm: „Hier sind 1.000 Dinar. Nimm sie, ernähre damit deine Familie und gewinn Energie für das anbetende Dienen deinem Herrn gegenüber!“ Al-Fudail entgegnete: „Der Lobpreis der Erhabenheit über jeden Mangel ist Allâhs! Ich leite dich zum Rettungsweg und du belohnst mich mit diesem! Möge Allâh dir Wohlergehen schenken und Erfolg gewähren!“ Dann schwieg Al-Fudail und sprach nicht mit ihnen. Daraufhin gingen Ar-Raschîd und dessen Gefährte weg.
 
Al-Fudail war sehr bescheiden. Er fühlte immer, dass er beim Recht Allâhs nachlässig war, obwohl er viel betete und viele Anbetungshandlungen durchführte.
 
Als Al-Fudail krank war, hörte man ihn sagen: „O Allâh, erbarme Dich meiner durch meine Liebe zu Dir, denn es gibt nichts, das mir lieber ist als Du!“ Der enthaltsame anbetend Dienende Al-Fudail hielt sich in Makka auf, bis er im Jahre 187 n. H. verstarb. Man nannte ihn dort den "Scheich der Haram-Moschee".

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