Umar ibn Abdulazîz - Teil 1

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Der Fürst der Gläubigen Umar ibn Al-Chattâb hatte einen Traum. Er erwachte vom Schlaf und fragte immer wieder: „Wer ist dieser am Kopf Verwundete von den Banû Umaiya und von den Nachkommen Umars? Er heißt auch Umar, verhält sich gemäß der Lebensweise von Umar und erfüllt die Erde mit Gerechtigkeit.“

 
Die Tage vergingen und der Traum des Fürsten der Gläubigen bewahrheitete sich. Im Gebiet von Helwân in Ägypten, wo der Statthalter von Ägypten Abdulazîz ibn Marwân und dessen Ehefrau Laila bint Âsim ibn Umar ibn Al-Chattâb lebten, wurde Umar ibn Abdulazîz im Jahre 61 n. H. geboren. Sein Vater sorgte dafür, ihn auf eine rechtschaffene Weise zu erziehen. Er lehrte ihn das Lesen und das Schreiben. Umar mochte es jedoch, Ägypten zu verlassen und nach Madina aufzubrechen, um dort Wissen zu erlangen. Abdulazîz ibn Marwân kam dem Wunsch seines Sohnes nach und schickte ihn zu einem der Hochgelehrten Madînas und deren Rechtschaffenen, nämlich Sâlih ibn Kaisân.
 
Umar ibn Abdulazîz lernte den ehrwürdigen Qurân auswendig. Es zeigten sich bei ihm die Zeichen der Frömmigkeit und Demut in Ehrfurcht gegenüber Allâh, sodass sein Lehrer Sâlih ibn Kaisân über ihn sagte: „Ich kenne niemanden, in dessen Herzen Allâh größer ist als bei diesem Jungen.“ Seine Mutter trat bei ihm unerwartet ein, während er in seinem Raum weinte. Sie fragte ihn: „Was ist denn mit dir los, o Umar?“ Er erwiderte: „Nichts, o meine Mutter! Ich erinnerte mich an den Tod.“ Da weinte seine Mutter.
 
Er war von Abdullâh ibn Umar sehr begeistert. Er pflegte seiner Mutter zu sagen: „Weißt du, meine Mutter, ich möchte wahrhaftig wie mein Onkel Abdullâh ibn Umar sein!“ Nicht nur diese Dinge bezeugten, dass dieses Kind eine der hervorragenden Persönlichkeiten des Islâm sein werde, sondern es gab auch andere Zeichen, die dies bestätigten. Umar ibn Abdulazîz betrat einmal den seinem Vater gehörenden Stall. Ein Pferd gab ihm einen Fußtritt und verletzte ihn am Kopf. Alsdann wischte sein Vater das Blut von ihm ab und sagte: „Wenn du der Umaiyade bist, dessen Kopf verletzt worden ist, dann bist du wahrhaftig glückselig!“
 
Umar war schlank und hatte ein weißes Gesicht; sein Bart war gepflegt. Nach Jahr und Tag war Umar ein starker Jugendlicher geworden. Er führte ein angenehmes Leben, trug teuerste Kleidung, parfümierte sich mit den besten Parfümen und ritt auf den besten geschickten Pferden. Umar hatte nämlich von seinem Vater viel Vermögen, viele Güter und viele Reittiere geerbt. Sein jährliches Einkommen belief sich auf über 40.000 Dinar. Der Kalif Abdulmalik ibn Marwân verheiratete seine Tochter Fâtima mit ihm, als Umar 20 Jahre alt war. Daher nahm sein Reichtum weiter zu.
 
Als Umar ibn Abdulazîz 25 Jahre alt war, ernannte ihn der umaiyadische Kalif Al-Walîd ibn Abdulmalik zum Statthalter von Madîna und zu dessen Herrscher. Dann ernannte er ihn zum Statthalter des ganzen Hedschas. Umar verbreitete Sicherheit und Gerechtigkeit unter den Menschen und füllte die Moscheen, wobei er mit der ehrwürdigen Moschee des Propheten begann. Er bohrte Brunnen und baute Kanäle. So war seine Herrschaft über die Städte des Hedschas von Gutem und Segnung erfüllt, bei der die Menschen Sicherheit und Ruhe fühlten.
 
Umar ibn Abdulazîz nahm sich ein Beratungsgremium aus zehn Hochgelehrten Madînas, an dessen Spitze Sa‘îd ibn Al-Musaiyib stand, einer aus der dem Prophetengefährten nachfolgenden Generation. Umar entschied sich für keine Angelegenheit ohne sie. Vielmehr pflegte er sie um Ratschläge zu bitten. Einmal versammelte er sie und sagte zu ihnen: „Ich habe euch zu einer Angelegenheit einberufen, für die ihr [von Allah] belohnt werdet und bei der wir der Wahrheit entsprechend einander helfen. Ich will nicht, dass ich mich für eine Angelegenheit entscheide, ohne dass ich euch um eure Meinung und die Meinung derjenigen bitte, die von euch gekommen sind. Seht ihr jemanden übertreten oder ist euch zu Ohren gekommen, dass ein Herrscher jemanden ungerecht behandelt, so bitte ich um Allâhs willen denjenigen, dem dies zu Ohren gekommen ist, dass er mir dies mitteilt.“ Sie dankten ihm und gingen. Umar ibn Abdulazîz übernahm die Herrschaft über Madîna für sechs Jahre, bis ihn der Kalif Al-Walîd ibn Abdulmalik seines Amtes enthob, weil Al-Haddschâdsch diesen verstehen ließ, dass Umar eine Gefährdung für die Herrschaft der Banû Umaiya darstelle.
 
Umar begab sich nach dem damaligen Groß-Syrien und hielt sich dort auf, bis Al-Walîd ibn Abdulmalik verstarb. Sein Bruder Sulaimân ibn Abdulmalik übernahm das Kalifat an seiner Stelle. Sulaimân liebte Umar, betrachtete ihn als Bruder und Freund und befolgte dessen Ratschläge. Eines Tages litt der Kalif Sulaimân an einer Krankheit, an der er dann starb, und er fühlte, dass er sterben werde. Da beschäftigte er sich mit der Angelegenheit des Kalifats, weil all seine Kinder noch jung waren und für die Übernahme der Kalifatsangelegenheiten nicht taugten. So zog er seinen Wesir, den Hochgelehrten Radschâ ibn Haiwâ, in dieser Angelegenheit zu Rate, und dieser sagte zu ihm: „Zu den Angelegenheiten, die dich in deinem Grab bewahren und eine Fürbitte für dich im Jenseits einlegen, gehört, dass du einen rechtschaffenen Mann zum Statthalter der Muslime ernennst.“ Sulaimân fragte: „Wer könnte dieser Mann wohl sein?“ Radschâ erwiderte: „Umar ibn Abdulazîz.“ Da sagte Sulaimân: „Ich bin damit einverstanden. Bei Allâh, ich werde mit den Muslimen einen Vertrag abschließen, an dem der Satan keinen Anteil hat!“ Dann schrieb er den Vertrag und beauftragte Radschâ mit der Durchführung dieses Vertrages, ohne dass jemand das wusste, was sich in ihm befand.
 
Sulaimân starb und Radschâ ibn Haywâ wollte den Vertrag durchführen. Umar wollte jedoch nicht Kalif werden und strebte nicht nach dem Kalifat. Er betrachtete es als eine große Verantwortung vor Allah. Umar ibn Abdulazîz sorgte sich, weil die Verantwortung groß war. So entschied er sich, sofort in die Moschee, in der sich die Muslime versammelten, zu gehen. Nachdem er das Rednerpodest bestiegen hatte, sagte er: „Ich wurde mit dieser Angelegenheit geprüft, ohne dass mich jemand nach meiner Meinung fragte oder die Muslime um einen Ratschlag bat. Nun breche ich den Treueid dessen, der mir den Treueid leistete. So wählt einen von euch aus!“ Die Muslime, die die Gerechtigkeit von Umar, dessen Enthaltsamkeit und Furcht vor Allah kannten, beharrten jedoch darauf, dass er ihr Kalif sein solle, indem sie zusammen riefen: „Wir aber entscheiden uns für dich, o Fürst der Gläubigen!“ Da weinte Umar.
 
Er übernahm das Kalifat am Freitag, dem zehnten Safar 99 n. H. An diesem Tag saß er traurig und betrübt. Die Dichter kamen zu ihm, um ihn durch ihre Gedichte zu beglückwünschen. Jedoch erlaubte er es ihnen nicht und sagte zu seinem Sohn: „Sag ihnen: „Wahrhaftig! Ich fürchte, wenn ich mich meinem Herrn widersetze, die Pein eines gewaltigen Tages.“ (Sûra 10:15).
 
Seine Ehefrau Fâtima trat einmal bei ihm ein und fand ihn weinen. Sie fragte ihn nach dem Grund seines Weinens, und er erwiderte: „Ich habe die Verantwortung für die ganze Umma Muhammads übernommen, und als ich an den Zustand des hungrigen Armen, des elenden Kranken, des Unbekleideten und sich Anstrengenden, des Unterdrückten, des inhaftierten Fremden, des Alten, derjenigen, die viele Kinder und wenig Geld haben, und an ähnliche Leute in den Gebieten der Erde und Randgebieten der Länder dachte, erkannte ich, dass mich mein Herr nach ihnen am Auferstehungstag fragen wird, und fürchtete, dass ich keinen Vorwand finden kann. Deshalb weinte ich.“

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