Prioritنtensetzung bei Wohltنtigkeitsarbeiten – Teil 1

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Die islâmische Rechtslehre hinsichtlich der Prioritätensetzung ist zweifellos der Maßstab für alle religiösen und weltlichen, finanziellen und physischen sowie materiellen und geistigen Tätigkeiten, was davon den Vorrang hat und was nicht, und zwar nach rechtsgültigen schariatischen Normen, die durch das Licht der Offenbarung und das Licht der Vernunft erschlossen werden: „... Licht über Licht ...“ (Sûra 24:35).

 

Zu den religiösen Handlungen und Grundlagen des Islâm, bei denen man die Rechtslehre der Prioritätensetzung möglichst beachten soll, gehört die Verteilung der Zakâ-Mittel und Almosen auf die berechtigten Empfänger ohne Übervorteilung oder Schädigung. Denn die Armen sind sehr unterschiedlich: Unter ihnen gibt es die Arbeitsfähigen und die Arbeitsunfähigen; es gibt die Arbeitenden und die Arbeitslosen, die Gesunden und die Kranken, die Unversehrten und die Invaliden, die Waisen und die Nicht-Waisen.

 

All diese Arten und die anderen Bedürftigen sind auch im Hinblick auf ihren Bedarf sehr unterschiedlich: Es gibt unter ihnen die Armen und die Ärmeren, die Bedürftigen und die noch Bedürftigeren. Es gibt solche, deren Bedarf sehr dringend ist, und solche, deren Bedarf unverzüglich gedeckt werden muss. Unter ihnen gibt es einige, denen es an Notwendigkeiten fehlt, und wieder einige, denen es nur an Komfortausstattung fehlt. Einigen fehlt es am Wichtigsten, während es den Anderen an Nebensächlichkeiten fehlt.

 

Damit die Wohltätigkeitsorganisationen ihre Botschaft und ihre Rolle, die die Gesellschaft und die Umma fördern, vorzüglich erfüllen, sollen sie sich der Rechtslehre der Prioritätensetzung bewusst sein. Denn sie ist es, die sie alles maßvoll ohne jegliches Über- oder Untertreiben tun lässt.

 

Die Prioritäten bei den Wohltätigkeiten

 

Erstens: Die Priorität, die fähigen Arbeitslosen zu beschäftigen


Viele Nutznießer der Zakâ-Behörde und der karitativen Vereine sind bestimmt arbeitsfähig. Wenn man diese Gruppe zu einer passenden, rechtschaffenen Arbeit führt und sie wirklich beschäftigt, wird es für sie im Diesseits und im Jenseits bestimmt besser sein, und es wird auch besser und segensreicher für die ganze muslimische Umma sein.

 

Die Beschäftigung der arbeitsfähigen Arbeitslosen bedarf zurzeit eines intensiven Aufrufs durch die Moscheen, Schulen, Lehranstalten, Zentren und Medien, der ihnen die Bedeutung der Arbeit und ihre Vorteile zeigt, ihr Verlangen danach weckt und sie vor der Arbeitslosigkeit und dem Betteln warnt und ihre Nachteile im Diesseits und im Jenseits erklärt.

 

Zweitens: Das Wissen hat den höchsten Vorrang

Die ersten geoffenbarten Qurân-Verse und der erste Aufruf des edlen Qurân handelten zweifellos vom Wissen: „Lies im Namen deines Herrn, Der erschaffen hat, den Menschen erschaffen hat aus einem Anhängsel. Lies, und dein Herr ist der Edelste, Der (das Schreiben) mit dem Schreibrohr gelehrt hat, den Menschen gelehrt hat, was er nicht wußte.“ (Sûra 96:1-5).

 

Es gibt eine Anzahl von Hadîthen des Propheten, die den Vorrang des Wissens vor den Anbetungshandlungen bestätigen, weil die Anbetungshandlungen nur dem Anbetenden nutzen, während das Wissen allen Menschen nutzt.

 

Davon führen wir nur zwei Hadîthe an:

 

Der Prophet sagte: „Die Vorzüglichkeit des Wissens ist mir lieber als die Vorzüglichkeit der Anbetungshandlung. Und eure beste religiöse Handlung ist die Frömmigkeit.“ (Von Al-Hâkim überliefert und von Al-Albânî als authentisch eingestuft).

 

Er sagte ferner: „Der Vorrang eines Gelehrten vor dem Anbetenden ist meinem Vorrang vor dem Niedrigsten von euch gleich .....“ (Von At-Tirmidhî überliefert und von Al-Albânî als authentisch eingestuft).

 

Zu den wichtigsten Prioritäten aus schariatischer Sicht gehört die Vorrangstellung des Wissens vor den Handlungen, denn das Wissen hat den Vorzug vor dem Handeln - es führt und leitet das Handeln.

 

Das Wissen hat den Vorzug vor dem Handeln, weil es das Rechte vom Falschen in den Angelegenheiten der Glaubensgrundsätze unterscheidet, das Rechte vom Falschen in den Worten, die Sunna von der unerlaubten Neuerung in der Religion in den Anbetungshandlungen, das Rechtmäßige vom Verbotenen in den geschäftlichen Angelegenheiten, das, was halâl ist, von dem, was harâm ist im Benehmen, das Tugendhafte vom Untugendhaften in der Moral, das Annehmbare vom Unannehmbaren in den Maßstäben und das Bevorzugte vom weniger Bevorzugten in den Angelegenheiten der Worte und Taten.

 

Deswegen haben die Gelehrten festgelegt, dass derjenige, der sich der Anbetung widmet, nichts von der Zakâ bekommen darf, im Gegensatz zu demjenigen, der sich der Wissenssuche widmet, denn es gibt kein Mönchtum im Islâm und die Beschäftigung mit den Anbetungshandlungen nutzt nur dem Anbetenden, während die Beschäftigung mit dem Wissen dem Interesse der Umma dient.

 

Und so haben die armen Suchenden nach dem nützlichen Wissen den Vorrang vor den Anderen, ihnen zu geben und für sie aufzukommen; und ebenso haben die Ausbildungsinstitutionen den Vorrang vor anderen Institutionen.

 

Drittens: Die Pflichten haben den Vorrang vor Sunna- und freiwilligen Handlungen

 

Zu den Prioritäten, die man bei den karitativen Tätigkeiten berücksichtigen und denen man große Aufmerksamkeit schenken soll, gehört, den Pflichten den Vorrang zu geben, wie das Speisen der Hungernden, die Unterstützung derjenigen, die von Massenvernichtung und Liquidierung bedroht werden, die Gewährleistung von Medikamenten für die Kranken, von Unterkünften für die Heimatlosen, das Sorgen für die Waisen, Alten, Witwen, Behinderten und für diejenigen, die der christlichen Missionierung ausgesetzt sind, und nichts zum Essen, zum Trinken, zum Anziehen haben, die keine Schule, keinen Lehrer, kein Kinderheim, kein Hospital, kein islâmisches Zentrum und kein Buch zum Lesen finden. All dies hat Vorrang vor der wiederholten Durchführung des Haddsch und der Umra, vor der Versorgung der sich Zurückziehenden in die Moscheen, vor dem Speisen der Fastenden beim Fastenbrechen und vor dem Kauf und Verteilen von Siwâk [Zahnputzhölzchen], weil dies alles zu den Sunna- und freiwilligen Handlungen gehört.

 

Ibn Mas’ûd sagte: „Am Ende der Zeit werden die Pilgerfahrer zunehmen, ohne dass die Fahrt leichter geworden ist oder sich die Lebensverhältnisse verbessert haben. Sie werden [jeder Belohnung] entbehren und beraubt zurückkehren. Der eine von ihnen wird von seinem Reittier auf den Sand und die Steine fallen, ohne dass sein Nachbar ihn tröstet.“ (Aus: Ihyâ Ulûmi Ad-Dîn [Belebung der Wissenschaften der Religion] von Al-Ghazâlî).

 

Abû Nasr At-Tammâr sagte: „Ein Mann kam zu Bischr ibn Al-Hârith, um Abschied von ihm zu nehmen, und sagte zu ihm: Ich habe mich zum Haddsch entschlossen, willst du mir etwas anbefehlen? Er fragte ihn: Wie viel hast du für die Reise vorbereitet? Der Mann antwortete: Zweitausend Dirham. Bischr fragte weiter: Was beabsichtigst du mit deiner Pilgerfahrt: Enthaltsamkeit, Sehnsucht nach dem [sakrosankten] Haus oder die Zufriedenheit Allâhs? Der Mann entgegnete: Die Zufriedenheit Allâhs. Bischr sagte: Wenn du die Zufriedenheit Allâhs des Erhabenen erlangst, indem du zuhause bleibst, diese zweitausend Dirham ausgibst und du der Zufriedenheit Allâhs des Erhabenen sicher wirst, würdest du es tun? Als der Mann bejahte, sagte er zu ihm: Gib das Geld an zehn Menschen: An einen Schuldner, der damit seine Schulden bezahlt; an einen Armen, der sich damit ordentlich herrichtet; an einen [bedürftigen Familienvater], der damit seine Kinder versorgt; an einen Versorger einer Waisen, der ihr damit eine Freude bereitet; und wenn du es schaffst, [die ganze Summe] an einen Einzigen zu geben, dann tue es, denn das Herz eines Muslims zu erfreuen, einem Notleidenden zu helfen oder einem Schwachen beizustehen, ist besser als hundertmal den Haddsch zu vollziehen, nachdem man den Pflichthaddsch vollzogen hat! Geh und gib das Geld her, wie wir es dir anbefohlen haben, sonst sage uns, woran du eigentlich denkst! Der Mann sagte: O Abû Nasr, mir ist mehr nach dem Reisen. Da lächelte Bischr , wandte sich ihm zu und sagte: Wenn das Geld von zwielichtigen zweifelhaften Geschäften gesammelt wird, dann hat man den Wunsch, damit rechtschaffene Taten zu zeigen, aber Allâh gelobte Sich, nur die Taten der in Ehrfurcht Ihm gegenüber Demütigen anzunehmen.“ (Aus: Ihjâu Ulûmi-d-Dîn [Belebung der Wissenschaften der Religion] von Al-Ghazâlî).

 

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