Vorzug des Arafa-Tages und die Situation der rechtschaffenen Vorfahren an ihm – Teil 2

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Vorgehensweise des Propheten (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) am Tag von Arafa:

Ibn Al-Qayyim () sagte: „Als die Sonne des neunten Tages des Monats Dhû Al-Hiddscha aufging, brach der Gesandte Allâhs (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) in Begleitung seiner Gefährten von Minâ nach Arafa auf, manche sprachen die Talbiya (beim Haddsch oft zu wiederholende Worte), und einige den Takbîr „Allâhu akbar (Allâh ist größer)“. Der Prophet hörte dies und tadelte weder diese noch jene. Er verweilte in Namira. Nachdem die Sonne den Zenit überschritten hatte rief er nach seiner Kamelstute Qaswâ und sie brachen auf. Dann ging er in die Mitte des Tales Urana (auf der Arafa-Ebene) und hielt vor den Menschen auf seiner Kamelstute eine bewegende Ansprache, in der er die Grundlagen des Islâms bestätigte und die Grundlagen des Polytheismus und der vorislâmischen Zeit der Ignoranz für nichtig erklärte sowie die verbotenen Dinge erwähnte, über die sich die Religionen einig sind.

Der Prophet (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) hielt eine einzige Ansprache, und nicht zwei Ansprachen. Als er sie beendet hatte, wies er Bilâl dazu an, den Gebetsruf (Adhân) und die Iqâma auszurufen. Er verrichtete das Mittagsgebet mit zwei Rak'as, bei denen er den Qurân lautlos rezitierte. Dann rief Bilâl die Iqâma und der Prophet (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) verrichtete das Nachmittagsgebet ebenfalls mit zwei Rak'as, wobei die Makkaner bei ihm waren. Sie beteten hinter ihm, kürzten das Gebet ohne den geringsten Zweifel und fassten die beiden Gebete zusammen. Der Prophet wies sie weder dazu an, das ganze Gebet zu verrichten, noch auf das Zusammenlegen der Gebete zu verzichten.

Als er das Gebet beendet hatte, ritt er auf seiner Kamelstute bis zum Platz. Er stand bei den Felsen am Ausläufer des Berges, wandte sich der Gebetsrichtung zu, so dass die meisten Pilger zu Fuß vor ihm standen, während er sich auf seiner Kamelstute befand, und begann Bittgebete und Anflehungen bis zum Sonnenuntergang zu sprechen. Er wies die Leute an, das Tal Urana zu verlassen. Er teilte also mit, dass Arafa sich nicht nur auf den Ort beschränkt, an dem er verweilte. Vielmehr sagte er: „Ich habe hier gestanden. Wahrhaftig, die ganze Ebene von Arafa ist ein Ort zum Verweilen!"

Der Prophet wies die Menschen dazu an, dass sie an ihren Haddsch-Aufenthaltsorten stehen, denn sie gehören zum Erbe ihres Vaters Abraham. Dort kamen einige Leute aus dem Stamm Nadschd und fragten ihn über den Haddsch, worauf er antwortete: „Haddsch ist Arafa. Wer vor dem Morgengebet nach Arafa gelangt, dessen Haddsch ist vollständig durchgeführt. Die Tage von Minâ sind drei; wer verfrüht nach zwei Tagen aufbricht, den trifft keine Sünde, und wer länger bleibt, den trifft keine Sünde.“ Bei seinem Bittgebet hob der Prophet seine Hände zu seiner Brust. Er teilte ihnen mit, dass das beste Bittgebet das Bittgebet am Arafa-Tag ist.

Als die Sonne vollständig untergegangen war, brach er in Ruhe von Arafa auf und ließ Usâma ibn Zaid hinter sich reiten. Er zog den Zügel seiner Kamelstute straff, sodass deren Haupt den Sattel berührte, und sagte: „O ihr Menschen, bleibt ruhig! Denn die Güte liegt nicht in der Eile!“

Der Prophet (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) pflegte bei seinen Märschen die Talbiya zu sprechen und nicht damit aufzuhören. Als er unterwegs war, stieg er (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) ab, urinierte und verrichtete schnell die rituelle Gebetswaschung. Usâma fragte ihn: „Das Gebet, o Gesandter Allâhs?“ Da sagte er: „Das Gebet - oder er sagte: der Gebetsplatz - ist vor dir.“

Er ging weiter, bis er Muzdalifa erreichte. Er verrichtete die rituelle Gebetswaschung für das Gebet, ordnete an, den Adhân zu rufen, und der Gebetsrufer rief ihn aus; dann stand er auf und verrichtete das Abendgebet vor dem Haltmachen und dem Niederknien der Kamele. Als sie Halt machten, rief man auf Anordnung des Propheten die Iqâma aus. Dann verrichtete er das Nachtgebet nach der Iqâma und ohne Adhân, zwischen beiden Gebeten betete er nicht. Dann schlief er, bis es Morgen wurde. Der Prophet stand nicht zum Gebet in dieser Nacht auf und es ist nicht überliefert, dass er zum Gebet in den beiden Festnächten aufstand.

Situationen rechtschaffener Vorfahren in Arafa:

Über die frühen Gelehrten ist recht Unterschiedliches über ihr Vorgehen am Tag von Arafa überliefert:

Manch einen überwältigten Angst oder Scham. Mutarrif ibn Abdullâh und Bakr Al-Muzanî standen in der Ebene von Arafa. Einer von beiden sagte: „O Allâh, weise jene Leute nicht meinetwegen zurück!“ Der andere sagte: „Es wäre ein Platz voller Hoffnung, wenn ich nicht anwesend wäre!“

Und manch einen beflügelte die Hoffnung: Abdullâh ibn Al-Mubârak sagte: „Ich ging am Abend von Arafa zu Sufyân At-Thaurî, der niederkniete und weinte. Er richtete seinen Blick auf mich. Da fragte ich ihn: „Wem unter den Anwesenden ergeht es am Schlechtesten?“ Er entgegnete: „Wer meint, dass Allâh ihm nicht vergeben wird.“

Der anbetend Dienende steht also zwischen zwei Gefühlslagen:

Da du nun, lieber Haddschi, weißt, wie es den frühen Gelehrten an diesem Tag erging, müsste dir klar sein, dass du entweder von aufrichtiger Furcht oder Hoffnung erfüllt sein solltest, wie es bei den frühen Gelehrten der Fall war.

Die aufrichtige Furcht ist diejenige, die den Menschen daran hindert Verbotenes vor Allâh dem Erhabenen zu begehen. Alles, was darüber hinausgeht, birgt die Gefahr in sich, die Hoffnung auf Allâhs Vergebung aufzugeben.

Bei der lobenswerten Hoffnung handelt es sich um die Hoffnung eines anbetend Dienenden, der Allâh gemäß Seinem Licht gehorcht und auf Seine Belohnung hofft, oder um die Hoffnung eines anbetend Dienenden, der eine Sünde beging, diese bereute und zu Allâh zurückkehrte. So hofft er auf die Vergebung Allâhs und Seine Verzeihung.

Der Erhabene sagt: „Diejenigen (aber), die glauben, und diejenigen, die auswandern und sich auf Allâhs Weg abmühen, sie hoffen auf Allâhs Erbarmen. Allâh ist Allvergebend und Barmherzig!“ (Sûra 2:218).

Du sollst, lieber Pilger, an diesem bedeutsamen und gesegneten Tag beides vereinen: Furcht und Hoffnung, indem du die Strafe Allâhs fürchtest und gleichzeitig auf Seine Vergebung und Belohnung hoffst.

Wer in Arafa verweilt, kann sich glücklich schätzen:

Glückwunsch, lieber Pilger, dem Allâh es ermöglichte, mit einigen Menschen in der Arafa-Ebene zu verweilen, mit Menschen, die sich Allâh mit brennenden Herzen und tränenden Augen zuwenden! Wie sehr doch die Furcht manch einen beklemmt! Wie viele Liebende verbrennt die Sehnsucht! Wie viele Hoffende erhoffen zuversichtlich das Versprechen Allâhs! Wie viele Bereuende bereuen aufrichtig vor Allâh! Und wie viele Flüchtende fliehen zur Tür Allâhs und klopfen an ihr! Wie viele Leute hätten es verdient, die Hölle zu betreten, die Allâh wegen diesem Tag davor rettet! Und wie vielen Leuten tilgte Er die großen Sünden! In diesem Moment schaut der Allbarmherzigste unter den Barmherzigen auf sie herab und zeigt sie stolz den Bewohnern des Himmels, nähert sich ihnen und sagt: „Was möchten jene?“ Jetzt, wo sie hier sind, sind sie vor dem Höllenfeuer gefeit, denn der Allbarmherzige erhört ihre Bitten.

Möge Allâh unseren Propheten Muhammad sowie dessen Familie und Gefährten in Ehren halten und ihnen Wohlergehen schenken!

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