Die Meinung der früheren Gelehrten
Die Aussagen früherer Gelehrter des Islâms, welche die Hocherhabenheit Allâhs bekräftigen, sind so zahlreich, dass man sie in dieser kurzen Abhandlung nicht alle nennen kann. Der Hadîth-Gelehrte Adh-Dhahabî aus dem 15. Jh. schrieb ein Buch mit dem Titel Al-Uluw lî Al-Alî Al-Adhîm, in dem er die Aussprüche von über zweihundert großen Gelehrten der Vergangenheit, die Allâhs Hocherhabenheit bestätigen, sammelte.
Ein gutes Beispiel solcher Aussagen kann in Muti Al-Balachis Überlieferung gefunden werden: Dieser fragte Abû Hanîfa nach seiner Meinung über jemandem, der sagt, dass er nicht wisse, ob sein Herr in den Himmeln oder auf der Erde sei. Abû Hanîfa antwortete: „Er ist ungläubig geworden, weil Allâh sagt: Der Barmherzigste ist über seinem Thron. (Sûra 20:5), und sein Thron ist über seinen sieben Himmeln.“ Er (Al-Balachi) sagte dann: „Was ist, wenn er sagt, dass Er über seinem Thron ist, aber er weiß nicht, ob der Thron in den Himmeln oder auf der Erde ist?“ Er (Abû Hanîfa) antwortete: „Er ist ungläubig geworden, weil er abgelehnt hat, dass Er (Allâh) über den Himmeln ist, und wer auch immer ablehnt, dass Er über den Himmeln ist, der ist ein Ungläubiger.“ (Überliefert von Abû Ismâ’îl Al-Ansârî in seinem Werk Al-Fârûq.) Obwohl viele Anhänger der hanafitischen Rechtschule behaupten, dass Allâh überall sei, haben ungeachtet dessen die ersten Vertreter ihrer Schule diese Position nicht eingenommen. Das Ereignis, bei dem Abû Hanîfa bekanntester Schüler, Abû Yûsuf, zu Bischr Al-Marisi sagte, dass er bereuen solle, weil dieser es ablehnte, dass Allâh über dem Thron sei, wurde in einigen Schriften aus jener Zeit aufgezeichnet. (Berichtet von Abdurrahmân ibn Abû Hâtim und anderen.)
Deshalb kann mit Gewissheit gesagt werden, dass aus der Sicht des Islâms und seines Hauptprinzips, dem Tauhîd, Allâh gänzlich von Seiner Schöpfung getrennt ist. Weder umgibt ihn die Schöpfung noch ist sie über ihm. Vielmehr ist Allâh über allen Dingen.
Das ist das klassische Konzept Allâhs nach den islâmischen Quellen. Es ist einfach und klar und lässt keinen Raum für Missverständnisse, die oft zur Anbetung der Schöpfung führen.
Jedoch lehnt diese Ansicht nicht ab, dass Allâhs Eigenschaften überall in Seiner Schöpfung wirken. Nichts entgeht Seinem Sehen, Seinem Wissen und Seiner Macht. Allâh sieht, hört und weiß alles, was im Universum geschieht, ohne in ihm zu sein. Es wird von Ibn Abbâs berichtet, dass er gesagt habe: „In Allâhs Hand sind die sieben Himmel, die sieben Erden, ihre Inhalte und ebenso all das, was zwischen ihnen ist, wie ein Senfkorn in einer eurer Hände.“ (Ibn Abilizz Al-Hanafî: Scharch Al-Aqîda At-Tahawiya, S. 281.) Allâhs Macht wirkt ungehindert auf die kleinsten Elemente der Schöpfung, ohne dass Er dort sein müsste. In Wirklichkeit ist die Ansicht, dass Allâh innerhalb Seiner Schöpfung ist, eine Form des Schirk, indem man Allâh menschliche Schwäche beimisst. Es ist der Mensch, der in der Welt sein muss, um sehen, hören, wissen und beeinflussen zu können, was in ihr geschieht. Allâhs Wissen und Macht haben keine Grenzen. Die verborgensten Gedanken des Menschen sind bei Allâh völlig entblößt, sogar die Gefühle, die er tief in seinem Herzen trägt, sind der Kontrolle Allâhs unterworfen. In diesem Lichte sollten die wenigen Verse, die auf Allâhs Nähe hindeuten, verstanden werden. Zum Beispiel sagt Allâh:
„Wir haben ja den Menschen erschaffen und wissen, was (alles ihm) seine Seele einflüstert, und Wir sind ihm doch näher als seine Halsschlagader.“ (Sûra 50:16)
Er sagt auch:
„O die ihr glaubt, leistet Allâh und dem Gesandten Folge, wenn er euch zu dem aufruft, was euch Leben gibt. Und wisset, dass Allâh zwischen dem Menschen und seinem Herzen trennt und dass ihr zu Ihm versammelt werdet!“ (Sûra 8:24)
Diese Verse sollten nicht so verstanden werden, dass Allâh im Menschen, ihm näher als seine Halsschlagader, sei, oder aber, dass Er im Herzen des Menschen sei und die Zustände des Herzens ändere. Sie bedeuten ganz einfach, dass nichts Seinem Wissen entkommen kann, nicht mal das Innerste der Menschen. Nichts steht außerhalb Seiner Macht zu kontrollieren und zu ändern, auch nicht die Gefühle, die man im Herzen birgt. Allâh sagt:
„Wissen sie denn nicht, dass Allah weiß, was sie geheim halten und was sie offen legen?“ (Sûra 2:77)
„...und gedenkt Allâhs Gunst an euch, als ihr Feinde wart und Er dann eure Herzen zusammenführte, worauf ihr durch Seine Gunst Brüder wurdet...“ (Sûra 3:103)
Der Prophet sagte öfters:
Ya Muqalliba Al-Qulûb! Thabbit Qalbî alâ Dînika. (O Wandler der Herzen, festige mein Herz in deiner Religion).“ (Überliefert von At-Tirmidhî. Von Al-Albânî für authentisch befunden.)
Ähnlich verhält es sich mit Versen wie:
„…es gibt kein vertrauliches Gespräch zwischen dreien, ohne dass Er ihr vierter wäre, und keines zwischen fünfen, ohne dass Er ihr sechster wäre, und auch nicht weniger oder mehr als dieser (Zahl), ohne dass Er mit ihnen wäre, wo immer sie sein mögen…“ (Sûra 58:7)
Diese Verse müssen im richtigen Kontext verstanden werden. Im vorherigen Teil des gleichen Verses heißt es: „Siehst du nicht, dass Allâh weiß, was in den Himmeln und was auf der Erde ist?“ Im abschließenden Teil des gleichen Verses heißt es: „Hierauf tut Er ihnen am Tag der Auferstehung kund, was sie getan haben. Gewiss, Allâh weiß über alles Bescheid.“
Es ist ersichtlich, dass Allâh sich hier auf sein Wissen bezieht und nicht darauf, dass Er als allerhöchstes Sein unter den Menschen anwesend ist, denn Er ist über und jenseits Seiner Schöpfung.
Die folgende, dem Propheten zugeschriebene Aussage ist nicht authentisch: „Die Himmel und die Erde können Allâh nicht umfassen, aber das Herz eines wahren Gläubigen kann ihn umfassen.“
Aber selbst wenn man ihr Bedeutung schenken würde, gäbe es für eine logisch denkende Person keine Möglichkeit, daraus abzuleiten, dass Allâh im Menschen ist. Könnte das Herz eines Gläubigen Allâh im wörtlichen Sinne umfassen, so würde, da der Gläubige von den Himmeln und der Erde umfasst wird, auch Allâh von den Himmeln und der Erde umfasst werden.
Deshalb ist nach klassischer islâmischer Anschauung auf der Grundlage von Qurân und der prophetischen Sunna Allâh über dem Universum und seinem Inhalt, und zwar auf eine Art und Weise, die Seiner Erhabenheit entspricht. Er ist weder in Seiner Schöpfung enthalten noch ist die Schöpfung in Ihm. Jedoch wirken sein unbegrenztes Wissen, seine unbegrenzte Barmherzigkeit und seine unbegrenzte Macht auf jedes Teilchen, ohne irgendein Hindernis.
Klare Beweise für die Hocherhabenheit Allâhs - Teil 1
Klare Beweise für die Hocherhabenheit Allâhs - Teil 2