Eine sich an islâmischen Werten orientierende Familie als Rollenbild – Teil 4

  • Veröffentlicht:10.04.2017
  • Kategorie:Eheleben
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8.    Die Großfamilie

 

Nun zu unserer Familie! Und dies ist mein achter Punkt. Unsere muslimische Familie ist eine Großfamilie und keine Kernfamilie, obwohl die Kernfamilie sehr modern ist. Wir sagten, dass die Kernfamilie - verzeiht mir die Verwendung dieses Begriffs und das Spielen mit dem Begriff Kern und Spaltung! – dass die Kernfamilie nur aus Ehemann, Ehefrau und Kindern besteht und über keine Mittel verfügt: menschliche Ressourcen, Weisheit, freundschaftliche Einsatzmittel, die die Großfamilie in Szene setzt. Dieser Trend ergreift leider die gesamte islâmische Welt und ich wäre nicht überrascht, wenn er die muslimische Bevölkerung Englands, Kontinentaleuropas und Amerikas ebenfalls ergreift. Jeder, der heiratet, will in einer eigenen Wohnung leben und seine nahen oder fernen Verwandten meiden. Dies ist eine schreckliche Entwicklung! Wir sollten ihr entgegenwirken!

 

Die Scharia schreibt vor, wer unser Unterhaltsberechtigter ist und wer nicht und wer unser Erbe ist und wer nicht. Und deshalb sollten die Menschen, die von uns erben und unsere Unterhaltsberechtigten sind, zusammenleben. Wir müssen gemeinsam aus derselben Küche essen und so weit wie möglich im selben Haus leben. Wir, unsere Brüder, unsere Schwestern, unsere Eltern, unsere Großeltern, unsere Cousins, Onkel, Neffen, Nichten usw., da dies die islâmische Großfamilie ausmacht. Die islâmische Großfamilie ist die edelste, großartigste und wertvollste Einrichtung, die die Welt jemals gesehen hat. Die westliche Gesellschaft hat all diese Werte verloren und leidet schrecklich, da sie individualistisch funktioniert.

 

Lasst mich für euch einige wenige dieser Folgen aufzeigen. Da wir mit unseren Eltern und Älteren leben, lieben wir sie. Sie haben uns aufgezogen, sie haben mit uns gespielt, als wir jung waren, sie haben uns Geschichten erzählt, sie waren geduldig mit uns und sie haben uns erzogen, geleitet und beraten. Also lieben wir sie, weil wir in dauerhafter Gemeinschaft mit ihnen sind. Im Falle des Westens gibt es Entfremdung und Fremdheit, da sich die Kinder, sobald die Jugendzeit vorüber ist, allein aufmachen. Und das Ergebnis ist, dass es, wenn die Eltern alt werden, keinen Respekt für diese gibt. Sie beenden ihr Leben in Senioren- oder Pflegeheimen – in Sehnsucht nach ihren Kindern.

 

Es kann keinen grausameren Tod geben als in ein Seniorenheim gebracht zu werden und fern von den eigenen Nachkommen, von den eigenen Angehörigen langsam zu sterben. Und es kann kein schlimmeres Schicksal für einen Mann oder eine Frau geben als von der Beziehung und Zuneigung der eigenen Kinder abgeschnitten zu sein. Doch wie man sieht, muss der Respekt gegenüber Älteren gepflegt werden. Und durch Trennung wird er nicht gepflegt. Daher ist dies der große Vorteil der islâmischen Großfamilie. Zweitens lässt die Großfamilie keinen Generationenkonflikt unter Muslimen aufkommen. In derselben Familie gibt es Babys, Teenager, Erwachsene und Großeltern, möglicherweise sogar Urgroßeltern. Und da sie zusammenleben, sind sie in ständiger Gemeinschaft miteinander. Dies ist genau die Vergesellschaftung, die kulturelle Anpassung, von der die Soziologen reden und die sie befürworten. Die Kernfamilie macht dies jedoch unmöglich.

 

Aus diesem Grund müssen Anpassung und Vergesellschaftung in der Drogerie, über den Fernsehbildschirm oder durch Gleichaltrige in den Schulen erlangt werden. Doch dann ist dies keine Anpassung, keine Vergesellschaftung. Das ist „Demagogisierung“, wenn der Begriff einmal benutzt werden darf. Anpassung und Vergesellschaftung bedeuten Weitergabe von Normen, sozialen Normen und sozialen Werten von einer Generation zur anderen. Es ist keine Gruppe von Menschen, die bei Gelegenheit zusammenkommt, um Spaß zu haben. Das ist nicht Vergesellschaftung. Das ist keine Anpassung. Und wo in der westlichen Gesellschaft kann dieser Prozess überhaupt stattfinden?

 

Aus diesem Grund unterscheidet sich die westliche Gesellschaft von heute so sehr von der westlichen Gesellschaft von gestern. Und aus diesem Grund gelten die alten Werte der westlichen Gesellschaft heute nicht mehr. Und aus diesem Grund gibt es kein Fortbestehen. Auf der islâmischen Seite gibt es keinen derartigen Generationenkonflikt.

 

Ein dritter großer Vorteil der Großfamilie ist der Umstand, dass menschliche Wesen, wenn man sie als soziales Lebewesen (Zoon politikon) betrachtet, wie es die Philosophen sagen, Gesellschaft und Trost benötigen. Manchmal braucht man jemanden, den man lieben kann, und manchmal braucht man jemanden, mit dem man spielen kann. Man braucht manchmal jemanden, bei dem man sich beschweren kann, und man braucht manchmal jemanden, mit dem man weinen kann. Wo sonst, außer in der Großfamilie, kann man diesen Jemand finden? Wenn ich nun die Großfamilie nicht habe, wenn ich diesen aufgestauten Gefühlen keine Luft mache, dann werden diese Gefühle in mir zunehmen und mich wahnsinnig machen, mich verrückt machen. Sie werden mich dazu bringen, Drogen zu nehmen, Alkohol zu konsumieren, anderen Frauen außerhalb des Hauses nachzurennen.

 

Eine Kernfamilie gefährdet die geistige Gesundheit und öffnet die Tür für viele Arten von Verhaltensstörungen.

 

Eine weitere Auswirkung der Großfamilie besteht darin, dass wir lernen loyal zu einer Gruppe zu sein. Wir lernen selbstlos zu sein, wir lernen unsere Gefühle, unsere Liebe, Bindung und Treue einer Gruppe zu widmen, die natürlich der Mikrokosmos der Umma ist. Mit anderen Worten: Wir lernen unseren Individualismus zu besiegen. Wir alle sind Individualisten. Dies ist etwas in uns – ein Instinkt. Wir sind alle Anwälte. Jeder will für sich werben und seinen eigenen Bauch füllen usw. Das ist natürlich. Allâh hat dies in uns gelegt, doch Allâh hat uns auch in eine Großfamilie gesetzt, um diese Instinkte zu drosseln, um sie zu disziplinieren. Vielmehr um aus ihnen etwas Gutes entstehen zu lassen, anstelle des eigennützigen Strebens, das zum Untergang führt.

 

Ohne Großfamilie kann es keine Umma geben, da bei den Mitgliedern kein Umma-Gefühl erzeugt werden kann, und die Folge wäre der Verfall. Und dies ist genau das, was wir in der westlichen Familie und in der westlichen Gesellschaft sehen. Die westliche Gesellschaft ist heute auf Individuen und auf Egoismus aufgebaut. Jeder will seine eigene Sache, um sein eigenes Vergnügen und seine eigenen Interessen zu verfolgen, und niemand will sich anpassen und sich aufopfern und mit anderen zusammenarbeiten. Und dies geschieht, weil die Gesellschaft auseinanderfällt. Eine westliche Person in eine Großfamilie zu bringen und sie erleben zu lassen, was wir in der Großfamilie erleben, wird sie, wenn er oder sie ein Empfindlichkeitsmaß besitzt, zweifellos dazu bringen, zum Islâm zu konvertieren und sich mit dieser Art Entspannung, dieser Art Durst, die vom Muslim, der in einer Großfamilie lebt, genossen wird, zu vereinen.

 

 Eine sich an islâmischen Werten orientierende Familie als Rollenbild – Teil 1

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