Die Grundkonzepte im Islâm - Teil 2

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Das Konzept der Gottesfurcht (Taqwâ)

 

Was hinsichtlich des Glaubens und der Güte erwähnt wurde, gilt generell auch für die Taqwâ. Abermals: Es geht nicht um zweckdienliche Behauptungen und mündliche Bekenntnisse. Es ist wesentlich ernsthafter. Wie immer ist der Qurân die beste Quelle für uns. Wenn in ihm von denen, die Taqwâ besitzen, die Rede ist, werden sie als diejenigen beschrieben, die an das Verborgene glauben, das Gebet verrichten und von dem, womit Wir sie versorgt haben, ausgeben und die an das glauben, was zu dir (an Offenbarung) herabgesandt worden ist, und was vor dir herabgesandt wurde, und die vom Jenseits überzeugt sind. Jene verfahren nach einer Rechtleitung von ihrem Herrn, und das sind diejenigen, denen es wohl ergeht. (Sûra 2:3-5). Es sind diejenigen, die in Freude und Leid ausgeben und ihren Grimm zurückhalten und den Menschen verzeihen. Und Allâh liebt die Gutes Tuenden und diejenigen, die, wenn sie eine Abscheulichkeit begangen oder sich selbst Unrecht zugefügt haben, Allâhs gedenken und dann für ihre Sünden um Vergebung bitten - und wer sollte die Sünden vergeben außer Allâh? - und (die) nicht auf dem beharren, was sie getan haben, wo sie doch wissen. Der Lohn jener ist Vergebung von ihrem Herrn und Gärten, durcheilt von Bächen, ewig darin zu bleiben. Und wie trefflich ist der Lohn derjenigen, die (gut) handeln! (Sûra 3:134-136).

 

In diesen Versen erkennen wir, dass Taqwâ einen korrekten Gebrauch des Verstandes erfordert, indem man die Gottes- und Lebenswahrheit begreift. Ferner erfordert sie einen gebührenden Gebrauch des Besitzes, indem man ihn unter allen Umständen auf dem Wege Gottes ausgibt. Darüber hinaus erfordert sie einen geeigneten Gebrauch der spirituellen und physischen Fähigkeiten, indem man das Verrichten des rituellen Gebets einhält. Sie erfordert außerdem ein hohes Maß an Selbstbeherrschung bei Grimm und Gefühlen, eine moralische Fähigkeit zu Verzeihung und Geduld sowie einen bewussten Drang, der den Sünder dazu veranlasst, bedauernd und bereuend zu Gott zurückzukehren. Taqwâ zu besitzen bedeutet ehrliche und feste Überzeugungen, Entschlossenheit und Charakter sowie Willen und Mut zu besitzen und vor allem ein anbetend Dienender Gottes zu sein. Taqwâ, Güte und sinnstiftender Glaube hängen miteinander zusammen und fließen alle in eine Richtung. Sie führen zum Islâm und bringen den wahren Muslim hervor.

 

Das Konzept des Prophetentums

 

Der barmherzige und liebende Gott entsandte viele Propheten zu unterschiedlichen Zeiten in der Geschichte. Jedes bekannte Volk hatte einen oder mehrere Propheten. Alle Propheten Gottes besaßen einen guten Charakter und waren äußerst ehrenhaft. Sie wurden von Gott dazu vorbereitet und auserwählt, Seine Botschaft den Menschen zu übermitteln. Ihre Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit, ihre Intelligenz und Integrität stehen außer Zweifel. Sie waren insofern ohne Fehler, als sie keine Sünden begingen und nicht gegen Gottes Gesetz verstießen. Da sie jedoch auch sterbliche Menschen waren, könnte es sein, dass sie unbeabsichtigte Fehler bei einigen menschlichen Angelegenheiten und Entscheidungen begingen. Ihr persönliches Urteil war nicht zwangsläufig immer richtig.

 

Die Entsendung dieser Propheten durch Gott ist eine eindeutige Manifestation einer starken Beziehung zwischen Himmel und Erde, zwischen Gott und Mensch. Sie bedeutet, dass der Mensch besserungsfähig ist und in ihm viel Gutes existiert. Das Prophetentum hat den Zweck, das zu bestätigen, was der Mensch schon weiß beziehungsweise wissen kann, und ihn das zu lehren, was er mit seinen eigenen Mitteln nicht erkennt beziehungsweise nicht erkennen kann. Es hat außerdem den Zweck, dem Menschen dabei zu helfen, den geraden Weg Gottes zu finden sowie Gutes zu tun und Verwerfliches zu unterlassen. Das Prophetentum ist eine eloquente Demonstration der Liebe Gottes für Seine Geschöpfe und Seines Willens, sie zur richtigen Glaubens- und Verhaltensweise zu führen. Es ist ein Ausdruck Seiner Gerechtigkeit gegenüber dem Menschen, da Er ihm zuerst die wahre Rechtleitung zeigt und ihn hiernach für seine Taten zur Verantwortung zieht. Er warnt durch Seine Propheten, und wenn der Mensch versagt die Gefahr seiner Fehltaten zu begreifen, so wird sein Verhalten strafbar. Dies steht in völligem Einklang mit Gottes Liebe und Gerechtigkeit sowie mit der Würde und Fähigkeit des Menschen, gegenüber seinem Herrn verantwortlich zu sein.

 

Die Quelle des Prophetentums und der Unterstützer aller Propheten ist Ein und Derselbe: Gott. Die Propheten haben den Zweck, Gott anbetend zu dienen, die Menschen mit Gott und Seinen Göttlichen Lehren vertraut zu machen, Wahrheit und Güte zu etablieren, dem Menschen dabei zu helfen, den wahren Sinn seines Lebens zu erkennen, und ihm dabei zu unterstützen, sein Leben in einer zielgerichteten Weise zu führen. Auf dieser Grundlage machen die Muslime keinen Unterschied zwischen den Propheten und halten ihre Lehren für stimmig und sich gegenseitig ergänzend. Und es ist ferner der Grund dafür, dass die Muslime an alle Göttlichen Offenbarungsbücher glauben und - wie bereits erwähnt - alle Propheten Gottes akzeptieren.

 

Das Lebenskonzept

 

Das Leben ist eine brillante Demonstration der Weisheit und des Wissens Allâhs, ein anschauliches Abbild Seiner Fertigkeit und Macht. Er ist der Spender und Erschaffer des Lebens. Nichts kommt zufällig ins Dasein und niemand erschafft sich selbst oder irgendjemand anders. Das Leben ist ein teures und wertvolles Privileg, und kein vernünftiger oder normaler Mensch würde es gerne freiwillig verlieren. Selbst diejenigen, die sich dermaßen verzweifelt fühlen, dass sie zögerlichen Selbstmord begehen, versuchen in letzter Minute noch am Leben zu bleiben und wünschen sich noch eine zweite Lebenschance. Gott verleiht dem Menschen das Leben und Er ist der Einzige, Der das Recht hat, es zurückzunehmen. Niemand anders hat das Recht, seinem Leben ein Ende zu bereiten. Aus diesem Grunde verbietet der Islâm jede Form von Selbstmord und Selbstzerstörung und rät zu Geduld und Zuversicht, wenn eine teure Seele verstirbt. Wird ein Mörder wegen einer Strafe hingerichtet, so wird ihm sein Leben mit Gottes Erlaubnis und in Übereinstimmung mit Seinem Gesetz genommen.

 

Wenn Gott dem Menschen Leben verleiht, dann ist es nicht vergeblich, dass Er ihn mit einzigartigen Eigenschaften und großartigen Fähigkeiten ausstattet. Er betraut ihn auch nicht sinnlos mit bestimmten Pflichten. Gott möchte dem Menschen helfen, seinen Lebenszweck zu erfüllen und das Existenzziel zu realisieren. Er möchte ihm helfen, die kreative Lebenskunst zu erlernen und den guten Lebensgeschmack entsprechend der Führung Allâhs zu genießen. Das Leben ist ein von Gott anvertrautes Gut, und der Mensch ist ein Treuhänder, der sein anvertrautes Gut ehrlich und fachgemäß, Gottes stets gedenkend und Ihm gegenüber verantwortungsbewusst behandeln sollte!

 

Das Leben kann mit einer Reise verglichen werden, die von einem bestimmten Punkt aus beginnt und an einem bestimmten Ziel endet. Es ist eine Übergangsphase, eine Hinführung zum ewigen Leben im Jenseits. In diesem Stadium ist der Mensch also ein Reisender und sollte sich lediglich mit den Dingen befassen, die ihm im künftigen Leben von Nutzen sind. Anders ausgedrückt sollte er so viel Gutes wie möglich tun und sich voll und ganz darauf vorbereiten, dass er jeden Moment in die Ewigkeit weiterziehen könnte. Er sollte sein diesseitiges Leben als ihm erteilte Chance betrachten, damit er das Beste daraus macht, solange er kann. Denn wenn seine letzte Stunde schlägt, kann er sie nicht um eine Sekunde hinauszögern! Wenn seine Zeit abgelaufen ist, wird es zu spät sein, etwas dagegen zu tun oder sie zu verlängern. Daher sollte man das Leben am besten in der Weise nutzen, dass man es gemäß Gottes Lehren führt und zu einem sicheren Übergang zum zukünftigen ewigen Leben macht. Da das Leben als Mittel zum höchsten Ziel so wichtig ist, wurde im Islam ein vollständiges System an Regeln und Richtlinien festgelegt, das dem Menschen zeigt, wie er es nutzen sollte, was er nehmen und wovon er ablassen sollte, was er tun und was er unterlassen sollte usw. Alle Menschen kommen von Gott und es besteht kein Zweifel, dass sie zu Ihm zurückkehren werden. In einer seiner umfassenden Aussagen gab der Prophet Muhammad dem Menschen den weisen Ratschlag, sich als einen Fremden im Diesseits oder als einen Durchreisenden, in dieser Welt zu betrachten.

 

Die Grundkonzepte im Islâm - Teil 1
Die Grundkonzepte im Islâm - Teil 3
Die Grundkonzepte im Islâm - Teil 4

 

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