Die Grundkonzepte im Islâm - Teil 3

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Das Religionskonzept

 

Im Laufe der Geschichte wurde die Religion geschmäht und missverstanden. Einige Menschen benutzten sie als Mittel zur Ausbeutung und Unterdrückung, als Vorwand für vorschnelle Verurteilung und Verfolgung. Andere benutzten sie als Quelle der Macht und Vorherrschaft sowohl über die Oberschicht als auch über die breite Masse. Im Namen der Religion wurden sinnlose Kriege geführt, die Gedanken- und Gewissensfreiheit unterdrückt, die Wissenschaft verfolgt, dem Menschen das Recht auf Mündigkeit verwehrt und der Mensch schamlos entwürdigt und erniedrigt. Im Namen der Religion wurde der Menschheit Unrecht getan, sodass die Religion selbst schwere Rückschläge erlitt.

 

Dies sind historische Fakten, die niemand leugnen kann. Stellt dies jedoch die eigentliche Funktion der Religion oder den richtigen Zugang zur Religion dar? Kann dies der Zweck der Religion sein? Die unstrittige Antwort ist ein ausdrückliches „Nein!“ Es gibt viele Religionen auf der Welt, und jede behauptet, die wirklich einzig wahre zu sein. Jede Religion soll angeblich von Gott stammen und der Rechtleitung des Menschen dienen. Diese Behauptungen widersprechen sich jedoch gegenseitig und bewirken Zwietracht unter den Menschen und heftige Reaktionen gegen die Religion – anstatt die Menschheit zu einer umfassenden Bruderschaft unter dem einen, umfassenden, gütigen Gott zu vereinen. Diese Situation verwirrt jeden neutralen Beobachter und macht ihn möglicherweise allen Religionen gegenüber abgeneigt.

 

Das islâmische Religionskonzept ist im weitesten Sinne des Wortes einzigartig. Es ist wahr, dass die wahre Religion von Gott stammen und der Rechtleitung des Menschen dienen muss. Es ist ebenfalls wahr, dass die Natur und die grundsätzlichen Bedürfnisse des Menschen zu allen Zeiten im Grunde dieselben sind. Diese Konzeption führt zu einem Schluss: Es gibt nur eine wahre Religion, die von ein und demselben Gott stammt und sich mit den Problemen der Menschen aller Zeiten befasst. Diese Religion ist der ISLAM. Es sollte jedoch berücksichtigt werden, dass der Islam nicht einzig vom Propheten Muhammad gelehrt wurde! Vielmehr wurde der Islam von allen Propheten vor Muhammad gelehrt. Die wahren Anhänger Abrahams, Mose, Jesu und der anderen Gesandten wurden alle MUSLIME genannt. Deshalb war und wird der Islâm immer die wahre universale Religion Gottes sein. Denn Gott ist Einer und ohne jede Veränderung, und die natürliche Veranlagung wie auch die grundsätzlichen Bedürfnisse des Menschen sind im Grunde dieselben, ungeachtet der Zeit, des Ortes, der Rasse, des Alters und aller anderen Faktoren.

 

Vor diesem Hintergrund beteuert das islamische Konzept, dass Religion nicht lediglich eine spirituelle und intellektuelle Unerlässlichkeit ist, sondern zudem eine gesellschaftliche und universale Notwendigkeit. Sie existiert nicht, um den Menschen zu verwirren, sondern um ihn rechtzuleiten. Sie existiert nicht, um den Menschen zu erniedrigen, sondern um seinen moralischen Status zu erhöhen. Sie existiert nicht, um ihm etwas Nützliches vorzuenthalten, ihn zu belasten oder seine Eigenschaften zu unterdrücken, sondern um ihm unerschöpfliche Schätze des vernünftigen Denkens und guten Handelns zu eröffnen. Sie existiert nicht, um ihm enge Grenzen zu setzen, sondern um ihn zu den weiten Horizonten der Wahrheit und Güte gelangen zu lassen. Kurz gesagt: Wahre Religion bedeutet, den Menschen mit Gott wie auch mit sich selbst und dem übrigen Universum vertraut zu machen. Dies ist keineswegs eine zu starke Vereinfachung der Religionsfunktion. Es bedeutet Folgendes:

 

Analysiert man den Zweck wahrer Religion sorgfältig, so erkennt man, dass Religion die spirituellen und angemessenen körperlichen Bedürfnisse des Menschen erfüllt. Sie entflicht dessen psychische Knoten und Komplexe, veredelt seine Instinkte und Sehnsüchte, und diszipliniert seine Wünsche und das gesamte Leben. Sie mehrt sein Wissen über Gott – die Höchste Wahrheit im Universum – und über sein Selbst. Sie lehrt ihn die Geheimnisse des Lebens und der Natur des Menschen sowie darüber, wie man mit diesen umgeht, und vermittelt ihm Wissen über Gut und Böse sowie über Recht und Unrecht. Sie läutert die Seele von Bösem, befreit den Verstand von Zweifeln, stärkt den Charakter und wirkt als Korrektiv für das Denken und die Überzeugungen des Menschen. All dies kann nur dann erreicht werden, wenn der Mensch treulich die von der Religion verlangten spirituellen Pflichten und physischen Vorschriften erfüllt.

 

Zum anderen erzieht wahre Religion den Menschen und lehrt ihn Hoffnung und Geduld, Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit, Liebe für das Rechte und Gute sowie Tapferkeit und Ausdauer – all das, was  für die Beherrschung der großartigen Lebenskunst erforderlich ist. Darüber hinaus bewahrt wahre Religion den Menschen vor Ängsten und seelischen Schäden und sichert ihm Gottes Hilfe und ein festes Bündnis zu. Sie bietet dem Menschen Ruhe und Sicherheit und macht das Leben sinnstiftend.

 

Dies kann wahre Religion für die Menschheit tun, und dies ist das Religionskonzept im Islâm. Jede Religion, die diese Früchte nicht trägt, ist nicht Islam oder vielmehr überhaupt keine Religion. Und jeder Mensch, der keinen Nutzen aus der Religion zieht, ist weder religiös noch sich Gottes bewusst. Gott sagt völlig zutreffend im ehrwürdigen Qurân: Gewiss, die Religion ist bei Allah der Islam. Doch diejenigen, denen die Schrift gegeben wurde, wurden erst uneinig, nachdem das Wissen zu ihnen gekommen war - aus Missgunst untereinander. Doch wer Allahs Zeichen verleugnet -, so ist Allâh schnell im Abrechnen. (Sûra 3:19). Wer aber als Religion etwas anderes als den Islâm begehrt, so wird es von ihm nicht angenommen werden, und im Jenseits wird er zu den Verlierern gehören. (Sûra 3:85).

 

Die Grundkonzepte im Islâm - Teil 1
Die Grundkonzepte im Islâm - Teil 2
Die Grundkonzepte im Islâm - Teil 4

 

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