Die Grundkonzepte im Islâm - Teil 5

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Das Freiheitskonzept

 

Freiheit wird vielen Einzelpersonen, Gruppen und Nationen sowohl als ein Konzept als auch als ein Wert verwehrt. Sie wird oft missverstanden und missbraucht. Fakt ist, dass der Mensch in keiner menschlichen Gesellschaft im absoluten Sinne des Wortes frei sein kann. Wenn eine Gesellschaft überhaupt funktionsfähig sein soll, muss es Beschränkungen der einen oder anderen Art geben.

 

Abgesehen von diesem generellen Gedanken lehrt der Islam Freiheit, hält sie in Ehren und gewährt sie sowohl dem Muslim als auch dem Nicht-Muslim. Das islamische Freiheitsverständnis bezieht sich auf alle freiwillig gewollten Handlungen der Menschen aller Gesellschaftsschichten. Wie bereits erwähnt, ist jeder Mensch frei mit der „Fitra“, also mit einer reinen natürlichen Veranlagung geboren. Dies bedeutet, dass der Mensch frei von Unterjochung, Sünde, vererbter Minderwertigkeit und abstammungsbedingten Erschwernissen geboren wird. Sein Recht auf Freiheit ist unantastbar, solange er nicht absichtlich gegen Gottes Gesetz verstößt oder die Rechte anderer verletzt.

 

Eines der Hauptziele im Islâm besteht darin, den Verstand von Aberglauben und Ungewissheiten, die Seele von Sünde und Korruption, das Gewissen von Bedrängnis und Angst und sogar den Körper von Funktionsstörungen und Degeneration zu befreien.

 

Der Kurs, den der Islâm dem Menschen zur Erlangung dieses Ziels vorgibt, enthält tiefgreifende intellektuelle Bemühungen, regelmäßige spirituelle Rituale, bindende moralische Prinzipien und sogar Diätvorschriften. Verfolgt der Mensch diesen Kurs gewissenhaft, kann er sein endgültiges Ziel der Freiheit und Emanzipation nicht verfehlen.

 

Die Freiheitsfrage in Bezug auf Glauben, Anbetung und Gewissen ist ebenfalls von höchster Bedeutung im Islâm. Jeder Mensch ist dazu berechtigt, seine Glaubens-, Gewissens- und Anbetungsfreiheit zu praktizieren. Gott sagt im Qurân: Es gibt keinen Zwang im Glauben. (Der Weg der) Besonnenheit ist nunmehr klar unterschieden von (dem der) Verirrung. Wer also falsche Götter verleugnet, jedoch an Allâh glaubt, der hält sich an der festesten Handhabe, bei der es kein Zerreißen gibt. Und Allâh ist Allhörend und Allwissend. (Sûra 2:256).

 

Der Islâm vertritt diesen Standpunkt, da Religion auf Glauben, Willen und Hingabe beruht. Diese wären, sofern durch Zwang bedingt, bedeutungslos. Außerdem präsentiert der Islâm Gottes Wahrheit als Chance und überlässt es dem Menschen, seinen eigenen Kurs zu wählen. Der Qurân besagt: … (Es ist) die Wahrheit von eurem Herrn. Wer nun will, der soll glauben, und wer will, der soll ungläubig sein… (Sûra 18:29). 

 

Das islâmische Freiheitskonzept ist ein Glaubensartikel, eine ehrwürdige Anordnung des Allwaltenden Schöpfers. Es ist auf folgenden Grundprinzipien errichtet: Erstens: Das Gewissen des Menschen ist einzig Gott unterworfen, Dem gegenüber jeder Mensch unmittelbar verantwortlich ist. Zweitens: Jeder Mensch ist persönlich für seine Taten verantwortlich und allein zur Ernte der Früchte seiner Arbeit berechtigt. Drittens: Gott hat dem Menschen die Vollmacht erteilt, für sich selbst zu entscheiden. Viertens: Der Mensch ist mit ausreichend spiritueller Leitung und verstandesmäßigen Fähigkeiten ausgestattet, die ihn dazu befähigen, verantwortungsbewusste und vernünftige Entscheidungen zu treffen. Dies ist das Fundament des islamischen Freiheitskonzeptes und dies ist die Wertigkeit von Freiheit im Islâm. Sie ist das natürliche Anrecht des Menschen, ein spirituelles Privileg, ein moralisches Vorrecht und in erster Linie eine religiöse Pflicht. Innerhalb des Rahmens dieses islamischen Freiheitskonzeptes gibt es keinen Platz für religiöse Verfolgung, Klassenkämpfe oder Rassenvorurteile. Das Freiheitsrecht des Einzelnen ist so unantastbar wie dessen Recht auf Leben; Freiheit ist das Äquivalent des Lebens an sich.

 

Das Gleichheitskonzept

 

Ein Grundbestandteil des islamischen Wertesystems ist das Gleichheitsprinzip oder besser noch das Fairness-Prinzip. Dieser Gleichheitsgedanke sollte nicht irrtümlich für eine Übereinstimmung oder Stereotypie gehalten oder mit diesen Begriffen verwechselt werden! Der Islam lehrt, dass aus der Sicht Gottes alle Menschen gleich, jedoch nicht zwangsläufig identisch sind. Sie haben unterschiedliche Fähigkeiten, Potentiale, Ambitionen, Besitztum und so weiter. Dennoch kann keiner dieser Unterschiede an sich einen Überlegenheitsstatus eines Menschen oder einer Rasse gegenüber anderen begründen. Die Herkunft des Menschen, seine Hautfarbe, sein Vermögen und Ansehen haben - was Gott betrifft - keinen Einfluss auf den Charakter und die Persönlichkeit des Einzelnen. Das einzige von Gott anerkannte Unterscheidungsmerkmal ist Gottesfurcht und das einzige von Gott angesetzte Kriterium lautet Güte und spirituelle Vortrefflichkeit. Gott sagt im Qurân:

O ihr Menschen, Wir haben euch ja von einem männlichen und einem weiblichen Wesen erschaffen, und Wir haben euch zu Völkern und Stämmen gemacht, damit ihr einander kennenlernt. Gewiss, der Geehrteste von euch bei Allâh ist der Gottesfürchtigste von euch. Gewiss, Allah ist Allwissend und Allkundig. (Sûra 49:13).

Die unterschiedlichen Rassen, Farben oder gesellschaftlichen Stellungen sind nur nebensächlich. Sie beeinträchtigen den wahren Status des Menschen aus Gottes Sicht nicht. Nochmals: Der Gleichheitsgedanke ist nicht lediglich eine Frage der Grundrechte, eine Absprache unter Ehrenleuten oder eine herablassende Wohltätigkeit. Er ist ein Glaubensartikel, den der Muslim ernst nimmt und an dem er aufrichtig festhalten muss. Die Grundlagen dieses islâmischen Gleichheitsgedankens sind in der Struktur des Islâm tief verwurzelt. Sie rühren von folgenden Grundprinzipien her: (1) Alle Menschen sind von ein und demselben ewigen Gott erschaffen, dem höchsten Herrn aller Dinge. (2) Die gesamte Menschheit gehört dem Menschengeschlecht an und teilt sich in gleichem Maße die Abstammung von Adam und Eva. (3) Gott ist gerecht und gütig gegenüber all Seinen Geschöpfen. (4) Alle Menschen werden insofern gleich geboren, als dass niemand irgendeinen Besitz mit sich bringt, und sie sterben insofern gleich, als dass sie nichts von ihren weltlichen Besitztümern mitnehmen. (5) Gott richtet über jeden Menschen auf Grundlage dessen eigener Verdienste und entsprechend dessen eigener Taten. (6) Gott verleiht dem Menschen als solchen einen Ehren- und Würdetitel.

Dies sind einige Prinzipien, die hinter dem Wert der Gleichheit im Islâm stecken. Wird dieses Konzept vollständig verwirklicht, dann lässt es keinen Platz für Vorurteile oder Verfolgungen. Wird diese Göttliche Verordnung vollständig umgesetzt, dann gibt es keinen Platz für Unterdrückung oder Niederschlagung. Begriffe wie auserwählte und heidnische Völker, Worte wie privilegierte und abgeurteilte Rassen, Ausdrücke wie soziale Kasten und Bürger zweiter Klasse werden alle bedeutungslos und hinfällig.  


 
Das Brüderlichkeitskonzept

 

Ein weiteres wesentliches Element des islâmischen Wertesystems ist der Wert der Brüderlichkeit unter den Menschen. Dieser Wert ist ebenfalls auf denselben Prinzipien errichtet, die bereits in Verbindung mit Freiheit und Gleichheit erörtert wurden. Neben den vorstehenden Prinzipien beruht die Brüderlichkeit unter den Menschen auf einem unerschütterlichen Glauben an das Eins-Sein und die Universalität des Angebeteten, an die Gleichheit der anbetenden Menschheit und an die Einheitlichkeit der Religion – dem Anbetungsmittel. Für den Muslim ist Gott einzig, ewig und universal. Er ist der Schöpfer aller Menschen, der Versorger aller Menschen, der Richter über alle Menschen und der Herr aller Menschen. Für Ihn sind gesellschaftliche Stellung, Nationalität und ethnische Herkunft unbedeutend. Vor Ihm sind alle Menschen gleich und einer des anderen Bruder.

 

Der Muslim glaubt an die Einheit der Menschen hinsichtlich des Schöpfers, der ursprünglichen Abstammung und des endgültigen Bestimmungsorts. Der Schöpfer ist einzig und allein Gott. Die ursprüngliche gemeinsame Abstammung ist von Adam und Eva. Dieser ersten Abstammung gehört jeder Mensch an und an ihr hat er teil. Was den endgültigen Bestimmungsort betrifft, besteht im Kopf des Muslims kein Zweifel, dass er bei Gott dem Schöpfer sein wird, zu Dem alle Menschen zurückkehren.

 

Der Muslim glaubt an die Einheitlichkeit der Religion Gottes. Dies bedeutet, dass Gott Seine Religion nicht auf ein bestimmtes Volk, eine bestimmte Rasse oder Generation beschränkt oder eine solche bevorzugt. Es bedeutet ferner, dass es keine Widersprüche oder grundlegenden Unterschiede in Gottes Religion geben kann. Wird all dies korrekt interpretiert, dann gibt es keinen Platz für angebliche Überlegenheit oder anmaßende Exklusivität. Wird dies darüber hinaus dem menschlichen Verstand vermittelt, dann ist der Mensch mit einem klaren Konzept und einer soliden Grundlage menschlicher Brüderlichkeit ausgestattet. Weil der Muslim an die Einzigkeit Gottes, die Gleichheit der Menschen und die Einheitlichkeit der Religion glaubt, glaubt er an alle Gesandten und Offenbarungen Gottes, ohne einen Unterschied zwischen ihnen zu machen.

 

Die Grundkonzepte im Islâm - Teil 4
Die Grundkonzepte im Islâm - Teil 6
 

 

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