Ist es möglich, dass ein Prophet von der Offenbarung abgelenkt wird? Teil 2

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Diese Überlieferung ist offensichtlich mursal (unterbrochen), weil Sa'îd, es handelt sich um Sa'îd  ibn Dschubair, erst nach dem Propheten (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) zur Welt kam. Seine Überlieferung über den Gesandten (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) und die Ereignisse zu seiner Zeit sind also mursal, und Mursal-Überlieferungen gehören zu den schwachen Arten der Überlieferung. Daher ist die Überlieferung von der Überlieferungskette her inkorrekt. Selbst wenn man diese Überlieferung hypothetisch als korrekt ansähe, wäre die Zustimmung des Propheten (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) eine persönliche Entscheidung gewesen, weil er dachte, die Berührung der Götzen würde islâmisch gesehen Vorteile bringen, zu denen folgende gehören:

 

- Erlaubnis, den Schwarzen Stein zu berühren, was eine Anbetungshandlung und Annährung an Allâhs ist.

- Beruhigung der Herzen der Götzendiener ihm und seinen Gefährten gegenüber, so dass sie sich dem Islâm annähern und sich seiner Da'wa weniger entgegenstellen. 

 

In der Methodologie gibt es eine Regel, die besagt, dass es dem Propheten (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) erlaubt war, in den Dingen selbst zu entscheiden, in denen Allâh nichts offenbart. Allerdings bestätigte Allâh entweder seine Entscheidung oder Er korrigiert den Propheten.

 

Und letzteres geschah auch: Denn Allâh verbot ihm, der Forderung der Götzendiener nachzukommen, weil sie negative Auswirkungen auf die Da'wa gehabt hätte. Der wohl größte Schaden bestünde darin, dass Gläubige ihrer Religion versucht werden könnten, wenn die Götzendiener sagen könnten: „Euer Prophet und Vorbild Muhammad hat unsere Götter berührt und geehrt und das verlassen, wozu er aufgerufen hat.“ Dies wäre die schlimmste Versuchung mit den verheerendsten Auswirkungen gewesen.

 

Weiterhin erwähnen die Qurân-Exegeten über die Offenbarungsgründe eine Überlieferung von Qatâda (), der gesagt haben soll: Es wurde uns gesagt, dass sich die Quraisch in jener Nacht bis zum Morgen mit dem Gesandten Allâhs (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) zurückzogen. Sie redeten mit ihm, lobten ihn, erklärten ihn zu ihrem Fürsten und machten ihm Zugeständnisse. Sie sagten unter anderem: „Du kommst mit etwas, was kein anderer Mensch brachte. Du bist unser Oberhaupt und der Sohn unseres Oberhauptes.“ Sie redeten mit ihm, bis er ihnen fast zugestimmt hätte. Daraufhin hinderte Allâh ihn daran und beschützte ihn davor.

 

Diese Überlieferung ist wie die von Sa'îd unter dem Aspekt des Überlieferungswegs und des Inhalts zu beurteilen, denn auch Qatâda ibn Da'âma ist ein vertrauensvoller Schüler der Prophetengefährten, der jedoch den Propheten (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) nie getroffen hat. Sein Hadîth ist somit ebenso mursal. Und Mursal-Hadîthe gehören zu den schwachen Überlieferungsformen. Die erste Überlieferung gleicht der zweiten auch Inhaltlich, außer dass die erste die Forderung der Quraisch an den Propheten ausführlich erklärte, wohingegen die zweite dies nur allgemein erwähnt.

 

Weiterhin erwähnen die Qurân-Exegeten eine Überlieferung von Ibn Abbâs : „Der Stamm Thaqîf soll zum Propheten (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) gesagt haben: „O Gesandter Allâhs (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken), lass uns ein Jahr, in dem unseren Göttern geopfert wird! Wenn wir das empfangen, was unseren Göttern geopfert wird, nehmen wir es an. Dann treten wir dem Islâm bei und zerstören die Götzen.“ Da dachte der Gesandte Allâhs (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) darüber nach, ihnen zuzustimmen und ihnen Aufschub zu gewähren. Da sagte Allâh: „Wenn Wir dich nicht gefestigt hätten, hättest du wohl beinahe bei ihnen ein wenig Stütze gesucht.“

 

Diese Überlieferung hat zwar eine vollständige Überlieferungskette, ist aber von At-Tabarî in seiner Exegese als schwach bezeichnet worden. Soviel zur Überlieferungskritik der Aussage. Inhaltlich betrachtet handelt es sich um eine erlaubte Eigeninitiative des Propheten (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken). Der Grund für diese Eigeninitiative liegt in Folgendem: Die Leute leugneten zu diesem Zeitpunkt den Islâm. Wenn der Prophet (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) ein Jahr lang ihre Bekämpfung ausgesetzt hätte, hätte dies nicht geschadet – wenn man davon ausgeht, dass der Vers madînensisch ist –, solange sie nach dieser Zeit den Islâm freiwillig angenommen hätten. Dies war zumindest der Gedankengang des Propheten (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken). Doch verwehrte Allâh ihm dies, weil es bedeutet hätte, dass er ihrer Glaubensverweigerung zustimmen hätte müssen und seine Existenz akzeptiert hätte. Dies hätte andere Stämme womöglich dazu angeregt, auch so einen Aufschub zu beantragen, was den Kampf gegen die Islâm-Gegner zum Stillstand gebracht hätte.

 

Durch diese Erörterungen wird also deutlich, dass der Vers keinen Anlass zur Kritik bietet. Ja, ganz im Gegenteil beweist dieser Vers sogar, dass Allâh Seinen Propheten (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) davor bewahrt hat, seinen Neigungen zu folgen und dass Er Sein Offenbarungsbuch vor Hinzufügungen und Streichungen bewahrt hat. Diesen Schutz der Offenbarung garantiert Allâh sowohl für den Propheten als auch für die gesamte nachfolgende Umma, damit das Buch Allâhs rein und unverfälscht an die gesamte Menschheit gelangt. 

 

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