Wenn wir heutzutage das Wort „Dschinn“ hören, dann kommen uns sofort Schauergeschichten über Besessenheit und „heimgesuchte“ Moscheen in den Sinn. Die Dschinn sind für viele von uns zu einer Quelle der Unterhaltung geworden und wir betrachten dieses Geschöpf lediglich als gruselig.
Wenn wir jedoch in den Qurân blicken, dann sehen wir ein schönes Vorbild an den Dschinn, die den Islâm annahmen. Wir können viele Lehren und nützliches Wissen aus ihrer Geschichte ziehen.
Bevor wir diese Lehren erörtern, müssen bezüglich der Offenbarung dieser Verse einige Hintergrundaspekte erwähnt werden. Die Geschichte der muslimischen Dschinn wird im Qurân zweimal erwähnt. Einmal in Sûra „Die Dschinn“, wobei fast die halbe Sûra ihrem Erlebnis gewidmet wird, und nochmals in den Versen 29-32 der Sûra „Al-Ahqâf“. Es heißt, dass die Verse der Sûra „Al-Ahqâf“ nach der Tortur in Tâ'if offenbart wurden, als der Prophet (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) außerhalb Makkas betete. Dagegen heißt es, dass die Sûra „Die Dschinn“ geoffenbart wurde, nachdem die Dschinn den Propheten (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) beim Morgengebet in Makka den Qurân hatten lesen hören. In beiden Fällen war der Prophet (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) sich nicht bewusst, dass die Dschinn ihm zuhörten, doch Allâh der Allwissende offenbarte ihm ihre Geschichte im Nachhinein.
Lehre 1: Der Eifer der Dschinn und die Art, dem Qurân zuzuhören
Allâh der Hocherhabene beginnt die Sûra „Die Dschinn“ wie folgt: „Sag: Mir ist (als Offenbarung) eingegeben worden, dass eine kleinere Schar Dschinn zuhörte. Sie sagten: Wir haben einen wunderbaren Qurân gehört.“ (Sûra 72:1). Der Allerhöchste beschreibt ihr Zuhören als „istama'a“, was mehr als nur zuhören bedeutet. „Istama'a“ bedeutet eifrig und mit voller Konzentration zuzuhören, um nichts zu verpassen.
In Sûra „Al-Ahqâf“ sagt Allâh der Hocherhabene: „Und (gedenke,) als Wir eine kleinere Schar Dschinn veranlassten, sich zu dir zu begeben und dem Qurân zuzuhören. Als sie zu ihm eingefunden hatten, sagten sie: Horcht hin!…“ (Sûra 46:29). Diese Dschinn sagten zueinander „ansitû“, was nicht lediglich bedeutet, leise zu sein, sondern zudem, aus dem einzigen Grund leise zu sein, um aufmerksam zuzuhören.
Allâh der Hocherhabene kombiniert diese beiden mächtigen Worte „istama'a“ und „ansitû“, indem er anordnet, dem Qurân zuzuhören und diesem Aufmerksamkeit zu schenken. Er sagt: „Und wenn der Qurân vorgetragen wird, dann hört ihm zu und horcht hin, auf dass ihr Erbarmen finden möget!“ (Sûra 7:204) Die Dschinn waren sehr aufmerksam und bedächtig, als sie dem Qurân zuhörten! Wie verhalten wir uns nun, wenn wir die Worte Allahs hören?
Allâh der Allerhöchste erwähnt ihr Zuhören als Androhung und Warnung für den Stamm der Quraisch. Sie wenden sich vom Glauben und vom Propheten (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) ab, während diese Geschöpfe, die Dschinn, besser sind als sie, da sie umgehend glaubten, als der Glaube ihnen dargelegt wurde. Den Quraisch wurden der Qurân in ihrer eigenen Sprache und ein Prophet (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) aus ihrem Volk gegeben. Dennoch lehnten sie ihn ab und wandten sich ab und verspotteten den Islâm, obwohl sie wussten, dass der Prophet (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) kein Lügner und der Qurân ein Wunder war.
Allâh der Hocherhabene beschreibt zudem den Eifer der Dschinn, als diese dem Propheten (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) zuhörten: „Und als Allâhs Diener aufstand, um Ihn anzurufen, hätten sie ihn (alle) beinahe erdrückt.“ (Sûra 72:19). Er der Allerhöchste sagt, sie seien „libadâ", als würden sie den Propheten (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) erdrücken. „Libadâ“ bedeutet wörtlich zusammengebundenes Haar. Die Verwendung dieses Wortes zeigt, dass diese Dschinn überall waren und fast auf den Gesandten Allâhs (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) kletterten. Dies zeigt zwei Dinge: Erstens, dass viele Dschinn anwesend waren. Es war, als hätte es einen Verkehrsstau an Dschinn gegeben, die willig waren dem Qurân zuzuhören. Zweitens zeigt es ihren Eifer zu hören, zu sehen und dem Propheten (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) zuzuhören.
Lehre 2: Ihre Beschreibung des Qurân
Die Dschinn beschrieben den Qurân mit den schönsten Worten und erkannten dessen einzigartige Qualitäten umgehend, nachdem sie ihm zugehört hatten.
Wunderbar: Das Erste, wie die Dschinn den Quran beschreiben, ist „adschaban“ – wunderbar. „Sag: Mir ist (als Offenbarung) eingegeben worden, dass eine kleinere Schar Dschinn zuhörte. Sie sagten: Wir haben einen wunderbaren Qurân gehört.“ (Sûra 72:1). Dieses Wort ist ein Verbalsubstantiv. In diesem Vers wurde es jedoch als Attribut für den Qurân benutzt. In der arabischen Sprache wird dies getan, um die Bedeutung zu verstärken. Demnach bedeutet „adschaban“ in diesem Vers nicht nur wunderbar, sondern außerdem wundervoll und überwältigend. Die Dschinn waren verblüfft und beeindruckt, als sie die Klarheit, die Botschaft und die schiere Schönheit und Reichhaltigkeit des Qurân hörten.
Leitet zur Besonnenheit: Im nächsten Vers beschreiben sie den Qurân als eine Leitung: „der zur Besonnenheit leitet; so haben wir an ihn geglaubt, und wir werden unserem Herrn niemanden beigesellen.“ (Sûra 72:2). Das verwendete Wort lautet „ruschd“, und bedeutet hier Glaube. Imâm Sa'di sagt, dass „ruschd“ jegliche Art von Besonnenheit bedeutet, die den Menschen zu Tugendhaftigkeit in seiner Religion und in seinem diesseitigen Leben führt.
Rechtleitung: Sie beschreiben den Qurân zudem als „hudâ“: Rechtleitung. Sie sagen: „Und als wir die Rechtleitung hörten, glaubten wir daran…“ (Sûra 72:13). Hidâya bedeutet wörtlich, jemanden zu leiten, bis er sein Ziel erreicht.
Bestätigung: Die Dschinn sagten: „… wir haben ein Buch gehört, das nach Moses (als Offenbarung) herabgesandt worden ist, das zu bestätigen, was vor ihm war, …“ (Sûra 46:30). „Musaddiqan limâ baina yadaih“ bedeutet, es bestätigt und bewahrheitet das, was vor ihm war – die Thora und vorangegangene Schriften.
Leitet zur Wahrheit: Sie sagten, dass der Qurân „… zur Wahrheit … leitet.“ (Sûra 46:30), das heißt, dass er zu all dem leitet, was richtig ist und dass er keineswegs unzulänglich ist.
Leitet zum geraden Weg: Sie sagten: „… und zu einem geraden Weg leitet.“ (Sûra 46:30). Damit ist der Weg gemeint, der einen mit Allâh verbindet und der zu Ihm, zum Wissen und zum Paradies führt. Sie beschreiben den Weg als „mustaqîm“, womit ein Weg gemeint ist, der nicht gewunden ist, sondern geradewegs zum Ziel führt, und auf dem man problemlos bleiben kann.