Hast du einen Menschen schon einmal so sehr verletzt, dass es scheint, er würde dir niemals vergeben? Hast du schon einmal erlebt, dass ein Mensch etwas getan hat, was dich mit Narben übersät und unfähig gemacht hat, ihm zu vergeben? Wäre es nicht großartig, wenn es eine einfache klare Methode gäbe, um die vollkommene und völlige Vergebung eines Menschen zu erlangen?
Tatsache ist, dass dies mit Menschen so nicht funktioniert, da alle Menschen verschieden sind und es viele gibt, die anderen bestimmte Dinge, die sie getan haben, einfach nicht vergeben können. Dies ist eine unserer zahlreichen Mangelhaftigkeiten. Die frohe Botschaft besteht darin, dass die einzig wirklich relevante Vergebung, die starke Folgen für uns hat, die Vergebung Allâhs ist, Der Sich Selbst als „At-Tawwâb (Der stets die Reue Annehmende)“ beschreibt. Unser barmherziger, liebender und vergebender Schöpfer hat uns die einfachen Schritte skizziert, wie wir Seine völlige Vergebung erlangen und zu denen gehören können, die Sein Wohlgefallen erlangt haben. Unsere Unwissenheit und Arroganz könnten uns allerdings davon abhalten, diese Schritte zu vollziehen.
Dies bringt uns zu den nächsten Eigenschaften der dem Barmherzigen anbetend Dienenden: Reuige Rückkehr zu Allâh, Verhaltensveredelung und beständige Rechtschaffenheit. Nachdem Allâh beschreibt, wie das Begehen von großen Sünden und das Nichtwahren von Hauptzielen des Glaubens jemanden der Gefahr aussetzen, im Jenseits bestraft zu werden (Sûra 25:68-69), weckt Er unsere Hoffnung auf Ihn und unsere Rückkehr zu Ihm, indem Er sagt:
„Außer demjenigen, der bereut, glaubt und rechtschaffene Werke tut; jenen wird Allâh ihre bösen Taten gegen gute eintauschen; und Allâh ist stets Allvergebend und Barmherzig. Und wer bereut und rechtschaffen handelt, der wendet sich in wahrhaftiger Reue Allâh zu“ (Sûra 25:70-71).
Unsere Gelehrten sagen, dass große Sünden Reue (arab. Tauba) erforderlich machen. Wie im letzten Artikel erwähnt, warnen die Verse, die diesen vorausgehen, jene, die große Sünden, wie polytheistische Anbetung, Mord und Unzucht begehen, vor einer schweren Bestrafung im Jenseits. Die oben erwähnten Qurân-Verse liefern die Mittel, um für große Sünden zu sühnen. Der Unterschied zwischen dem Bitten um Vergebung für eine Sünde (Istighfâr) und der Reue (Tauba) besteht darin, dass das Bitten um Vergebung für alle Sünden erforderlich ist, wohingegen Reue eine besondere Formel für große Sünden ist. Unsere Gelehrten lehren uns, dass es vier Schritte zu wahrer Reue gibt, durch die die Bedeutung des Verses erfüllt wird:
1. Diese Sünde umgehend unterlassen oder als Ergebnis des Schuldgefühls, Allâh nicht gehorcht zu haben, die religiöse Pflicht vollziehen, die man unterlassen hat.
2. Sich Allâh zuwenden und um Seine Vergebung für diese Sünde bitten.
3. Aufrichtig beabsichtigen nie wieder zu derartig sündhaftem Verhalten zurückzukehren, indem man seine Lebensweise ändert.
4. Wenn die begangene Sünde auf die Rechte anderer übergreift, dann muss die Situation mit diesen Menschen bereinigt werden.
Wenn diese Schritte so vollzogen werden, dann wird sich, wie der oben genannte Vers andeutet, das Leben dieses Menschen verbessern und die Sünden, die er begangen hat, werden durch gute Taten ersetzt. Dies alles ist das Ergebnis des Segens der Vergebung Allâhs. Noch eindrucksvoller ist, dass wir durch den folgenden authentischen Hadîth unterstützt werden, der zeigt, dass zusätzlich zu diesem weltlichen Wandel am Tage des Gerichts alle Sünden, die wir bereuen, auf unserem Konto bei Allâh als gute Taten festgeschrieben werden! Es wurde überliefert: „… Ein Mensch ist im Begriff, am Tage des Gerichts für seine großen Sünden verurteilt zu werden, doch sie sind verschwunden. Und [wenn] er sich daran erinnert, was er getan hat, wird zu ihm gesagt: Gewiss wirst du für jede schlechte Tat eine gute Tat verzeichnet bekommen …“ (Muslim).
Diese Verse sind eine frohe Botschaft für muslimische Konvertiten sowie für Büßer, die ihre gesamte Lebensweise zum Wohlgefallen Allâhs verändert haben. All ihre begangenen Sünden könnten zu einem Berg an Reichtümern beim Allerhöchsten im Himmel werden! Leider hören viele dies und ändern ihre Gepflogenheiten nicht, weil sie sich sagen: „Eines Tages werde ich den Islâm ganz annehmen und diese großartigen Gnaden erlangen!“ Dies ist kein Bekunden wahren Glaubens. Derartige falsche Behauptungen werden die Früchte des himmlischen Segens nicht hervorbringen. Es kann sein, dass diese Person, wenn sie eines Tages bereut und den Glauben annimmt, Allâh sie für ihre falsche Aufrichtigkeit und für alles, was sie in der Zeit tat, als sie die Wahrheit bereits kannte, ihre Gelüste sie jedoch von dieser abhielt, zur Rechenschaft zieht.
Dies ist gewiss die Vorgehensweise des Vergebenden, Barmherzigen, Verzeihenden, des Einen, Der die Sünden tilgt und sie durch gute Taten ersetzt. Angesichts dessen, was wir im ersten Teil dieses Artikels erwähnten, müssen wir uns einen Augenblick Zeit nehmen, um darüber nachzudenken, was es bedeutet, Allâh und Seine Eigenschaften zu kennen! Es gibt einen authentischen Hadîth, der besagt, dass wer immer die Namen Allâhs aufzählt und verinnerlicht, ins Paradies kommen wird. Laut einiger Gelehrter bedeutet dies nicht, wer immer die Namen Allâhs auswendiglernt, sondern wer immer sie versteht und von deren Bedeutungen beeinflusst wird. Dieses Verständnis wird von einer Aussage eines unserer frühen Gelehrten untermauert: „Verkörpere die Eigenschaften Allâhs!“ Dies bedeutet, dass wir vergebend und barmherzig mit anderen sein sollten.
Wir sollten es nicht zulassen, dass etwas, was jemand getan hat, uns dazu veranlasst, uns auf unbestimmte Zeit von ihm abzuwenden. Natürlich ist es eine andere Sache, wenn er seinen Hass uns gegenüber kundtut und sich niemals ändert. Wenn wir jedoch von Allâh erwarten, dass Er uns vergibt, dann sollten wir gerecht und vergebend gegenüber jedem Menschen sein, der zu uns kommt und um Vergebung bittet! Wenn dieser Mensch ein Familienmitglied ist, dann sind wir vom Allmächtigen dazu verpflichtet, ihm bis zu unserem letzten Atemzug Respekt und Freundlichkeit entgegenzubringen, weil er zu uns gehört und wir zu ihm und dies eine Beziehung ist, die von Allâh geknüpft wurde, und wir diese aufrechterhalten müssen.
Möge Allâh uns vergeben, unsere Reue annehmen und uns zu jenen gehören lassen, die anderen vergeben, und uns so zu den wahren Ihm anbetend Dienenden machen!