Der Zwiespalt zwischen Willkür und Befolgung der Scharîa

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Der Gläubige fügt sich der Gebotenlehre

Abdullâh ibn Amr ibn Al-Âs (möge Allâh mit ihm zufrieden sein) überlieferte, dass der Gesandte Allâhs (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) sagte: „Keiner von euch glaubt, bis seine Neigung mit dem übereinstimmt, was ich gebracht habe.“ An-Nawawî stufte diese Überlieferung wie folgt ein: „Hierbei handelt es sich um eine sahîh-Überlieferung, die wir dem Kitâb Al-Huddscha mit einer authentischen Überliefererkette entnommen haben.“
 
Erläuterungen zum Hadîth
Einer der größten Grundsätze, die der Islâm den Seelen der Gläubigen einflößt, ist die Einhaltung der scharîatischen Bestimmungen und Lehren, so dass Worte und Taten von der Gebotenlehre (Scharîa) geprägt werden und mit deren Weisungen übereinstimmen. Auf diese Weise wird der Glaube vervollkommnet und im Herzen verankert. Hierzu sagte der Prophet (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken): „Keiner von euch glaubt (wirklich), bis seine Neigung mit dem übereinstimmt, was ich gebracht habe.“
Diese Überlieferung ist von großer Bedeutung, um die Notwendigkeit zu unterstreichen, sich an die von Allâh dem Erhabenen festgelegte Methodik zu halten und sich Seinen Beschlüssen und scharîatischen Weisungen zu fügen.
Ist ein Gläubiger mit Allâh als Herrn, mit dem Islâm als Religion und mit Muhammad (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) als Propheten zufrieden, so spornt ihn diese Zufriedenheit dazu an, sich in all seinen Angelegenheiten zur Urteilsfindung an die Scharîa zu wenden: das Erlaubte als erlaubt ansehen, das Verbotene als verboten; lieben, was Er befohlen hat und verabscheuen, was Er verboten hat – ohne dabei den geringsten Groll oder Unzufriedenheit zu empfinden. Daraus lässt sich Folgendes schließen: Der Glaube eines Menschen ist erst dann aufrichtig, wenn er sich innerlich und äußerlich dem Urteil Allâhs und Seines Gesandten fügt und sich diesem gänzlich unterwirft. Allâh der Allmächtige sagt: „Aber nein, bei deinem Herrn! Sie glauben nicht eher, bis sie dich über das richten lassen, was zwischen ihnen umstritten ist, und hierauf in sich selbst keine Bedrängnis finden durch das, was du entschieden hast, und sich in voller Ergebung fügen“ (Sûra 4:65).
Dies bedeutet, dass der Diener Allâhs den Erhabenen und Seinen Gesandten (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) mehr als alles andere liebt und ihren Befehlen den Vorrang einräumt. Allâh der Allmächtige sagt: „Sag: Wenn eure Väter, eure Söhne, eure Brüder, eure Gattinnen und eure Sippenmitglieder, Besitz, den ihr erworben habt, Handel, dessen Niedergang ihr fürchtet, und Wohnungen, an denen ihr Gefallen findet, euch lieber sind als Allâh und Sein Gesandter und das Abmühen auf Seinem Weg, dann wartet ab, bis Allâh mit Seiner Anordnung kommt! Allâh leitet das Volk der Frevler nicht recht“ (Sûra 9:24).
Mit einer solchen Liebe sind nicht leere Worte oder Phrasen gemeint, die keine Taten oder Ergebung bewirken. Liebe erfordert einen Beweis, und der Beweis aufrichtiger Liebe ist, dass man den Wünschen des Geliebten Folge leistet und meidet, was er nicht mag und missbilligt. Andernfalls wäre es eine leere Behauptung, an der nichts Wahres dran ist. Weise Gelehrte sagten: „Wer vorgibt, Allâh zu lieben, sich aber nicht an Seine Gebote hält, dessen Behauptung ist falsch.“
Liest man die Biographien angesehener Prophetengefährten und deren Schüler, ist man erstaunt über ihre unverzügliche Umsetzung der religiösen Gebote. Anas (möge Allâh mit ihm zufrieden sein) beschrieb einen Vorfall, der sich in der Schlacht von Chaibar ereignete: „Wir fingen einige zahme Esel und kochten sie. Da rief der Ausrufer des Gesandten Allâhs: ‚Allâh und Sein Gesandter verbieten euch das Fleisch von zahmen Eseln, denn es ist gewiss unrein.‘ Daraufhin wurden alle Töpfe samt Inhalt umgedreht, während sie voller Fleisch waren.“ In ähnlicher Weise wurde Wein in den Straßen von Medina verschüttet, als das Verbot von Berauschendem offenbart wurde. Die Liebe zum Wein und die Gewohnheit, sich diesem seit der vorislâmischen Zeit hinzugeben, hielt die Prophetengefährten nicht davon ab, den Wein zu auszuschütten, denn Allâh und Seinem Befehl wurde stets der Vorzug eingeräumt.
Als Frucht einer solchen Ergebenheit genügt es, dass ein Mensch die Süße und die Freude des Glaubens in seinem Herzen spürt. Anas ibn Mâlik (möge Allâh mit ihm zufrieden sein) überlieferte, dass der Prophet (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) sagte: „Wer diese drei Eigenschaften besitzt, erfährt die Süße des Glaubens: Wenn man Allâh und Seinen Gesandten mehr liebt als alles andere ...“ (Al-Buchârî und Muslim).
Wie bereits erwähnt, sagte der Prophet (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken): „… bis seine Neigung mit dem übereinstimmt, was ich gebracht habe.“ Denkt man über diese Worte nach, so stellt man fest, dass das letztendliche Ziel darin besteht, die Wünsche und Begierden des Egos den Vorschriften der Scharîa zu unterwerfen. Damit ist nicht die absolute Übereinstimmung zwischen den Wünschen des Egos und den Anweisungen des Schöpfers gemeint. Dies wäre nicht realistisch, da der Mensch so veranlagt ist, dass er den Neigungen und niederen Trieben nachgeht. Folglich erklärt der Hadîth, dass die Vollkommenheit des Glaubens von der Einhaltung der Scharîa abhängt und nicht davon, das Wesen des Egos zu ändern, das von Natur aus dazu neigt, Sünden und Begierden zu mögen – mit Ausnahme derer, denen Allâh Seine Gnade gewährt.
Daraus ergibt sich die Erkenntnis, dass es einer festen Entschlossenheit und einer echten Überzeugung bedarf, um gegen die eigenen Neigungen anzutreten. Es überrascht daher nicht, dass der Dschihâd gegen das eigene Ego bei Allâh dem Erhabenen einer der höchsten Formen des Dschihâd ist. Der Prophet (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) sagte: „Der beste Dschihâd ist, dass man gegen das eigene Ego und die Triebe kämpft“ (Ibn Naddschâr, sahîh nach Al-Albânî).
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Hadîth-Gelehrten unterschiedliche Meinungen über die Authentizität der eingangs erwähnten Überlieferung vertraten. Imâm An-Nawawî (Allâh erbarme sich seiner) befand ihn für sahîh, ebenso Al-Hâfidh Abû Nu‘aim und andere. Al-Hâfidh Ibn Hadschar Al-Asqalânî stufte die Überlieferer in der Überliefererkette als zuverlässig ein, während Al-Hâfidh Ibn Radschab diesen Hadîth aufgrund eines Überlieferers für schwach befand.
Allerdings hat die eigentliche Bedeutung des Hadîth eine Grundlage in der Scharîa: der Qurân und die Sunna bestätigen dies, wie im vorliegenden Beitrag dargelegt wurde. Möge Allâh uns Erfolg gewähren.

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