Den Qurân leben – Teil 2

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I. Eine Herausforderung: Die Herausforderung des Qurâns: Ein Zeuge für dich oder gegen dich

Mit dieser Abhandlung möchte ich die Herausforderung erörtern, wie man sich dem Qurân nähert. Dabei werden die Hindernisse auf diesem Weg erwähnt und verdeutlicht, was man in diesem Rahmen machen bzw. unterlassen sollte – mithilfe der Worte Allâhs: „Ist es denn nicht Zeit für diejenigen, die glauben, dass ihre Herzen demütig werden vor Allâhs Ermahnung und vor dem, was von der Wahrheit herabgekommen ist, und dass sie nicht wie diejenigen sind, denen zuvor die Schrift gegeben wurde, es ihnen aber zu lang gedauert hat, und so ihre Herzen sich verhärtet haben? Und viele von ihnen sind Frevler“ (Sûra 57:16).

Diese Aussage ist ergreifend und erhellend, vor allem für diejenigen, die etwas über die Beziehung der Juden und der Christen zu ihren Büchern wissen. Viele haben heutzutage ihre Bücher nicht verworfen, aber vertreten allgemein die Meinung, es sei übertrieben und fanatisch, an jedes Wort ihrer Bücher zu glauben. Sie sind damit zufrieden, dass sie sich aus ihren Büchern das heraussuchen, was der Moderne, den humanistischen Lehren, den liberalen Wertvorstellungen, dem Fortschritt oder welchen Götzen auch immer sie sich zu eigen gemacht haben, entspricht. Für sie sind die Worte Gottes eine interessante und altertümliche Überlieferung. Moralische Lehren sind zwar enthalten, doch sind sie angeblich nach unseren menschlichen Maßstäben zu beurteilen. Allerdings haben sie eine Rechtfertigung: Juden und Christen können nicht wirklich sicher sein, dass ihre Offenbarungsbücher tatsächlich das Wort Gottes darstellen. In Wahrheit glauben selbst die meisten gelehrten und gläubigen Juden und Christen heute, dass die Bibel geschichtlich gesehen von Menschen verfasst wurde, und zwar als Reaktion auf politische und sektiererische Kämpfe. Dabei liegen sie nicht ganz falsch: Sowohl das Alte als auch das Neue Testament sind in ihrer gegenwärtigen Form in der Tat von Menschen verfasste Dokumente, die Spuren von vielen göttlichen Lehren enthalten. Doch gibt es keine Möglichkeit, mit Gewissheit zu bestimmen, was von Gott ist und was nicht, abgesehen von dem, was der Qurân bestätigt.

Der Qurân ist jedoch anders: Er ist das unmittelbare Wort Gottes, von Ihm bewahrt: „Gewiss, Wir sind es, die Wir die Ermahnung offenbart haben, und Wir werden wahrlich ihr Hüter sein“ (Sûra 15:9). Die Herausforderung für die Muslime ist von ganz anderer Art: Wie reagieren unsere Herzen auf das, was ohne Zweifel das Wort Gottes ist? Diese Begegnung des gläubigen Herzens eines Menschen mit der wahren Botschaft Gottes ist das größte Geschenk Allâhs an die Gemeinschaft des Islâm. Wir sind die Einzigen, die das Wort Gottes in Händen halten, somit ist die Frage nur für uns relevant. Die Reaktion unseres Herzens ist entscheidend, denn wenn wir nicht richtig handeln, werden wir auch den Segen dieser Begegnung verlieren. Auch das Volk der Schrift hatte einst das Wort Gottes. Dieses ging aus einem einzigen Grund verloren. Diesen bringt Allâh im Qurân immer wieder deutlich zum Ausdruck: Wenn die Herzen verhärten, benutzen die Menschen die Schriften für gegenseitige Rivalitäten und um Streitigkeiten zu gewinnen: „Gewiss, die Religion ist bei Allâh der Islâm. Doch diejenigen, denen die Schrift gegeben wurde, wurden erst uneinig, nachdem das Wissen zu ihnen gekommen war – aus Missgunst untereinander. Doch wer Allâhs Zeichen verleugnet, so ist Allâh schnell im Abrechnen“ (Sûra 3:19). Diese Menschen waren verschiedener Meinung, stritten und kämpften, bis sie die Botschaft Gottes vor lauter Streitigkeiten in ihren eigenen Schriften nicht mehr erkennen konnten.

Stehen Muslime nicht vor der gleichen Herausforderung? Die Sprache und die Worte unseres Buches werden zweifellos bewahrt. Aber gibt es unter uns nicht Personen, die die wahren Inhalte des Qurâns verwässern und nicht hinnehmbare Bedeutungen für einen kurzzeitigen Gewinn hineininterpretieren? Der Prophet (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) sagte: „Ihr werdet wahrhaftig den Bräuchen derjenigen vor euch folgen, Handspanne um Handspanne und Elle um Elle, selbst wenn sie in ein Dornschwanzagamenloch kröchen, würdet ihr ihnen nachfolgen!“ Wir fragten: „O Gesandter Allâhs, sind das die Juden und die Christen?“ Er erwiderte: „Wer sonst?“ (Al-Buchârî und Muslim).

Schaut man sich in der Welt der muslimischen Prediger und Qurân-Exegeten um, so wird die Wahrheit dieser Worte des Propheten (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) deutlich. Aber es gibt etwas Besonderes und Einzigartiges an der Gemeinschaft des Islâm: Der Qurân wird von Allâh bewahrt und wir sind die Gemeinschaft des letzten Gesandten – niemals wird die rechte Weisung in dieser Gemeinschaft aufhören zu bestehen.

Wie kann es sein, dass wir sowohl einzigartig und besonders sind, aber gleichzeitig den Fußstapfen der Christen und Juden folgen werden? Die Herausforderung besteht darin, zu wissen, wer sich auf dem rechten Pfad befindet und wer nicht. Welche Auslegung ist richtig und welche ein Fehltritt im Glauben? Die richtige Erkenntnis in diesen Angelegenheiten ist der Schlüssel zum Verständnis der misslichen Lage der Umma.

Kehren wir nun zum folgenden Vers aus dem Qurân zurück: „Der Monat Ramadân (ist es), in dem der Qurân als Rechtleitung für die Menschen herabgesandt worden ist und als klare Beweise der Rechtleitung und der Unterscheidung“ (Sûra 2:185). Der Wortlaut dieses gesegneten Verses ist bemerkenswert: Er vermittelt mehr als nur die „Rechtleitung im Qurân“: klare Beweise der Rechtleitung und der Unterscheidung. Der Qurân zeigt nicht nur den richtigen Weg auf, sondern gibt auch Hinweise auf diesem Weg, die uns erkennen lassen, was der rechten Weisung oder dem Fehltritt entspricht. Anders gesagt: Der Qurân ist ein selbstreflexives Buch, das dem Leser sagt, wie es gelesen werden sollte. Das Buch Allâhs zeigt nicht nur auf, was getan werden soll, sondern auch wie. Darauf kommen wir zurück.
 

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