Den Qurân leben – Teil 8

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Fünfte Erkenntnis: Eine Botschaft, die einfach und zugänglich ist

Allâh sagt, dass Sein Buch klar (mubîn) und verständlich ist, außer für die Hochmütigen. Es wurde in klarem Arabisch herabgesandt, ohne irgendeine „Verkrümmung“ (Iwadsch), so dass seine ersten Empfänger – die Araber – es verstehen konnten (s. Sûra 12:2, 39:28, 42:7, 43:3). Das Buch ist nicht in einer fremden Sprache offenbart, sonst hätten sie sich beschwert, dass seine Verse nicht „ausführlich erklärt“ worden wären (s. Sûra 41:44). „Wir haben ihn in deiner Sprache wahrlich leicht gemacht, auf dass sie bedenken mögen“ (Sûra 44:58). „Und Wir haben den Qurân ja leicht zum Bedenken gemacht. Aber gibt es jemanden, der bedenkt?“ (Sûra 54:17).

Worte und Texte erhalten ihre volle Bedeutung erst im Kontext. Zeit, Ort, Zuhörerschaft und Anlass, bei dem ein Wort geäußert wird, beeinflussen alle die Bedeutung. Unser barmherziger und weiser Schöpfer hat daher nicht nur die Sprache des Qurâns für die Araber leicht und zugänglich gemacht, sondern sie auch mit bestimmten Anlässen im Leben des Propheten (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) verbunden, so dass die unmittelbare Bedeutung und die grundlegende Botschaft des Qurâns unmissverständlich klar werden. Kranke Herzen hatten damals selbstverständlich Zweifel. Die Glaubensverweigerer sagten: „‚O würde ihm doch der Qurân als Ganzes offenbart!‘ So (geschieht es aber), damit Wir dein Herz mit ihm festigen. Und Wir haben ihn wohlgeordnet vorgetragen“ (Sûra 25:32) Der Allbarmherzige antwortet: „Einen Qurân haben Wir (offenbart, den Wir in Abschnitte) unterteilt (haben), damit du ihn den Menschen in Abständen vorträgst; und Wir haben ihn wahrlich nach und nach offenbart“ (Sûra 17:106).

Allâh erwähnt auch, dass jeder Vers des Qurân durch den Gesandten (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) erklärt wird. „(…) ein Buch, dessen Zeichen eindeutig festgefügt und hierauf ausführlich dargelegt sind von Seiten eines Allweisen und Allkundigen“ (Sûra 11:1). „Ein Buch, dessen Zeichen ausführlich dargelegt sind, als ein arabischer Qurân, für Leute, die Bescheid wissen“ (Sûra 41:3).

Den meisten frühen Exegeten zufolge bestätigt der Vers „Und übereile dich nicht mit dem Qurân, bevor dir seine Offenbarung vollständig eingegeben worden ist“ (Sûra 20:114), dass die Auslegung des Qurân dem Propheten (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) eingegeben wurde. Außerdem war es ihm nicht erlaubt, sich in der Überbringung zu beeilen, bevor ihm nicht die Auslegung beigebracht wurde. Daher wurde er angewiesen, seinen Gefährten sowohl die Worte als auch die Bedeutungen des Qurân zu lehren. Da die grundlegende Botschaft des Qurân an sich klar ist, bezieht sich diese Erklärung auf die tieferen Bedeutungen der Worte, die vereinzelt unklaren Verse und jene, die komplizierte Anspielungen haben, die den Arabern unbekannt waren, oder mehrdeutig (mutaschâbihât) sind. Falls im Falle der mehrdeutigen Verse die wortwörtliche Auslegung nicht vorgesehen ist oder nicht innerhalb des menschlichen Fassungsvermögens liegt, lehrte der Prophet, wie man mit diesen umzugehen hat.

Sechste Erkenntnis: Eine Grundlage für das Verständnis des Qurân und die Ableitung von Richtlinien aus ihm in allen Lebenslagen

Der Qurân ist voll mit schönen Geschichten, von denen der Prophet und die Menschen viele nicht kannten (s. Sûra 12:3). Geschichten inspirieren uns und füllen unsere Vorstellungskraft auf eine Weise, wie es einfache Gebote oder moralische Vorschriften nicht tun.

Darüber hinaus hat Allâh alle Arten von Beispielen oder Gleichnissen (mathal, wörtlich: Vergleich, Ähnlichkeit, Beispiel, Vergleichbarkeit aller Arten von Situationen) gegeben. Diese Tatsache wird im Qurân häufig erwähnt, um unsere Aufmerksamkeit auf diese sich ständig erneuernde Quelle zu lenken (s. Sûra 18:54, 20:113, 30:58, 39:27). Gleichnisse und Geschichten ergänzen die geradlinige Art der Belehrung, nämlich allgemeine Gebote und spezifische Anweisungen, die im Qurân enthalten sind. Auf diese Weise bleibt kein Aspekt des Lebens unberücksichtigt: „Wir haben im Buch nichts vernachlässigt“ (Sûra 6:38).

II. Die richtige Einstellung zum Qurân

Das größte Hindernis, das ich beim Verständnis und der Würdigung des Qurâns festgestellt habe, ist die Auffassung, dass allein Spezialisten und Exegeten ihn verstehen können. Es ist wahr, dass der Qurân in seiner Anordnung und seinem Inhalt wie kein anderes Buch ist. Besonders für neue Muslime oder Nichtmuslime braucht es Anstrengung, um die Beschaffenheit und Erzählweise des Buches zu überblicken. Aber für die meisten Muslime, die ein Grundwissen über den Glauben und das Leben des Propheten (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) verfügen, ist der Qurân unmittelbar zugänglich.

In Wahrheit ist das eigentliche Problem oft das Gegenteil: Die Botschaft des Qurâns ist so einfach und geradlinig, dass sie sich für Menschen, die sie nur flüchtig kennen und kein tiefes Wissen aufweisen, uninteressant, zu gewöhnlich und selbstverständlich anfühlt. Die Schwierigkeit besteht nicht darin, die Botschaft zu verstehen, sondern ihre Tiefe zu schätzen und sie anregend und bedeutend zu finden. Unsere Ohren werden taub für den Klang der größten Wahrheiten: „Es gibt keine Gottheit außer Allâh“, „Allâh der Barmherzige und Allerbarmer“, „Allâh hat Macht über alle Dinge“, „Allâh ist der Reue-Annehmende“ usw. Es ist ein Zeichen für die Krankheit des Herzens, wenn es solche Aussagen innerlich ausblendet und uns daran hindert, innezuhalten und die enorme Tragweite dieser Wahrheiten zu bedenken.

Der Weg, diese und andere Gefahren beim Lesen des Qurân zu vermeiden, besteht darin, bewusst eine richtige Haltung zum Qurân zu pflegen. Diese Einstellung beinhaltet die richtige Reaktion des Körpers, des Geistes und des Herzens. Die Haltung des Körpers ist dabei am leichtesten zu erlangen, während die des Herzens die schwierigste, aber die wertvollste ist. Es ist weise, mit dem zu beginnen, was leicht ist, und nach dem zu streben, was am wertvollsten ist.

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