Der erste Freitag – Teil 1

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Die Erfahrung eines zum Islâm Konvertierten an seinem ersten Freitag in einem muslimischen Land

Endlich erwachte ich um 12 Uhr mittags. Ich ärgerte mich, weil ich das Fadschr-Gebet verpasst hatte. Das kostenlose Frühstück in meinem Hotel endete um 11 Uhr. Ich war auch spät dran für das Freitagsgebet. Ich betrat den Balkon meines Zimmers im 10. Stock im belebten Kairo. Der Klang von Dutzenden von Freitagspredigten erfüllte die Atmosphäre. Ich stand und lauschte minutenlang den Worten, die ich nicht verstehen konnte.

In dieser Stadt scheint niemand zu schlafen. Es war erst mein zweiter Tag vor Ort, da ich die vorherige Nacht damit verbracht hatte, durch die Straßen zu laufen und das pulsierende nächtliche Leben zu erkunden. Ich kam erst um 3 Uhr morgens in mein Zimmer zurück. Ohne Zeit zu verlieren, sprang ich also unter die Dusche und war im Nu wieder draußen. Ich zog mich schnell an, holte das Fadschr-Gebet nach und eilte die Treppe hinunter und auf die überfüllte Straße hinaus. Ich kannte einen Masdschid, der etwa fünf Blocks entfernt war. Auf dem Weg dorthin sah ich eine Gruppe, die in einer Art Lobby eines Geschäftsgebäudes saß und einem Vortrag zuhörte. Nach weiteren Erkundigungen stellte ich fest, dass es sich in Wirklichkeit um eine Versammlung für das Freitagsgebet handelte.

Für Millionen von Anbetern ist diese Erfahrung normal. Es ist schlichtweg eine Lebensweise. Für andere Muslime jedoch ist der erste Freitag in einem muslimischen Land ein inspirierendes und überwältigendes Erlebnis. Ich hatte die letzten zwei Jahrzehnte in Kalifornien verbracht, einer überwiegend christlichen Gesellschaft. Das islâmische Umfeld ist auf kleine Gemeinden beschränkt. Mitte Dezember 2007 beschloss ich auszuziehen und das Leben in einem muslimischen Land zu erkunden.

Als das rituelle Gebet beendet war, suchte ich mir ein Taxi und fuhr zur Zitadelle. Die Zitadelle ist eine Touristenattraktion, die das Schloss von Salâhuddîn Al-Ayyûbî (Sultan Saladin) und die Moschee von Muhammad Alî, einem General des Osmanischen Reiches, umfasst. Ich starrte auf die hohen Mauern der Burg und war fasziniert von dem Anblick der erhaltenen islâmischen Geschichte. Niemals habe ich zu Hause irgendwelche historischen islâmischen Denkmäler gesehen. Geschichte in dieser Ausprägung war etwas, das nur in Büchern und im Fernsehen zu sehen war. Geschichte zu sehen und zu berühren fühlte sich anders an und brachte eine größere Würdigung mit sich.

Die Moschee von Muhammad Alî ist mit Abstand die schönste Moschee, die ich je gesehen hatte. Die Größe und Ausstrahlung des Gebäudes waren etwas, das man einfach nur bestaunen konnte. Ich schwankte zwischen dem Wunsch, Fotos zu machen oder den Besuch ohne Ablenkung zu genießen. Amerikaner anderen Glaubens zu sehen, wie sie die islâmischen Errungenschaften schätzen, ist etwas, das man zu Hause nicht sieht. Ein Gefühl von Stolz wuchs in meiner Brust. Ich erhob meinen Kopf. Ich fühlte, dass ich anders war als die anderen amerikanischen, europäischen und asiatischen Touristen. Ich hatte das Gefühl, dass die Moschee mir gehörte und sie mein Eigentum besuchten.

Die Aussicht vom Innenhof der Moschee ist atemberaubend. Die Moschee sitzt auf einem Hügel und überblickt die ganze Stadt. Hunderte von Minaretten recken sich in den Himmel. Nicht weit entfernt war eine andere große Moschee, die meine Aufmerksamkeit erregte. Einheimische informierten mich, dass es die Moschee von Sultan Hassan sei.

Ich verließ die Zitadelle und hielt ein Taxi an. Zwanzig Minuten später waren wir etwa eine Meile gefahren. Ich wich den Autos aus, als ich über die Straße zu den Toren der Moschee ging. Eine Angestellte teilte mir mit, dass der Eintritt für nichtmuslimische Besucher vierzig Pfund kostet. „Ich bin Muslim“, sagte ich. Die Frau schien zu zweifeln und forderte mich auf, meinen Glauben zu bestätigen, indem ich das Glaubensbekenntnis spreche. Ich musste lachen. Ich sammelte mich und sprach die Schahada. Sie erlaubte mir einzutreten. Die Moschee des Sultan Hassan wurde im 14. Jahrhundert von einem Mameluckenanführer erbaut. Ich war erstaunt über die Höhe der Decken und die eleganten Qurân-Schriften, die die Wände zierten. In der Moschee von Sultan Hassan bemerkte ich, dass es vier getrennte Studienbereiche für die vier Fiqh-Schulen im Islâm gab: Mâliki, Schafi'î, Hanbalî und Hanafî. Niemand wurde in eine bestimmte Schule gezwungen, sondern hatte die Wahl. Es ist sehr beruhigend zu wissen, dass Muslime mit unterschiedlichen Meinungen und Standpunkten in der Lage waren, sich an einem Ort zu versammeln und gemeinsam zu beten und zu studieren.
 

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