Es bedarf einer Religion – Teil 1

  • Veröffentlicht:29.11.2021
  • Kategorie:Frau
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Lehren zur Mutterschaft und Kindererziehung von unseren rechtschaffenen Vorfahren

Geschichte einer idealen Mutterschaft

Eine Frau wartete jeden Tag fünfmal geduldig am Eingang der Moschee, während ihr kleiner Junge betete. Eine andere kleidete ihren Sohn anständig und parfümierte ihn, bevor sie ihn in das Haus des größten Gelehrten seiner Zeit führte. Eine weitere Mutter schickte ihr Kind nach Mekka mit der Anweisung, es solle sich im Lichte der Koryphäen des religiösen Wissens bewegen. Sie folgte ihm bald darauf, um seinen Studienverlauf persönlich zu betreuen.

Diese Kinder wurden alle im jungen Alter zu Waisen und wuchsen bei ihren alleinerziehenden Müttern auf. Aus diesen entstanden drei der vier Persönlichkeiten, um die herum fast alle Muslime seit einem Jahrtausend ihr Verständnis vom Islâm entwickelt haben. Lerne diese drei großen Gelehrten kennen: Ahmad ibn Hanbal, Abû Hanîfa und As-Schâfi‘î – Allâh sei gepriesen für ihre frommen Mütter! Bevor du nun Imâm Malik und somit den vierten Gelehrten ansprichst, sollte man im Blick haben, dass seine Mutter zusammen mit seinem Vater eifrig und gezielt seinen gesegneten Lehrplan entworfen haben.

Wir erheben niemanden über Allâh. Allerdings ist es mehr als vergeblich, die Rolle dieser Mütter bei den beeindruckenden wissenschaftlichen Leistungen ihrer zu Recht gerühmten Söhne zu leugnen. Es tut der großen Bedeutung und der Zuversicht, die für Muslime und die ganze Menschheit in guter Erziehung liegt, unermessliches Unrecht. Dies gilt sowohl für die Eltern unserer oben erwähnten Imâme als auch für jene, die vor oder nach ihnen gelebt haben.

Wir schulden diesen Müttern genauso viel wie ihren berühmten Söhnen. Diesen vier Gelehrten ist die Systematisierung und Ausarbeitung der religiösen Wissenschaften, welche für die Ausübung des Islâms bis zum heutigen Tage relevant sind, zu verdanken. Muslime wie auch Politiker sind flink, wenn es darum geht, die Bedeutung der Mutterschaft hervorzuheben – sie sogar für unbezahlbar zu halten! Fragt man uns, wie sehr wir unsere Mütter schätzen, so reagieren wir fast schon empört: „Wir schätzen unsere Mütter über alles! Wo wären wir ohne sie?“ Das ist zwar schön und gut, aber die eigentliche Frage ist wie folgt: Welchen Wert hat die Mutterschaft in dieser vielschichtigen Welt der neuen Werte, in der einfache Mütter als weniger nützlich angesehen werden, eigentlich noch für uns?

Die globale Kultur unserer Tage begegnet gezielt oder unterschwellig die Mutterrolle mit Verachtung. Es wird unterstellt, Mütter wären in der traditionellen Gesellschaft unablässig mit schweißtreibender Hausarbeit und ungewollter Bemutterung beschäftigt gewesen – eine von der säkularen Moderne erfundene Lüge, um Frauen aus ihrem ureigenen Lebensbereich zu entreißen. Einer der renommiertesten Sozialkritiker Amerikas, der Historiker Christopher Lasch, welcher 1994 unter großem Verlust litt, schrieb:

„Doch erst in jüngster Zeit wurde die Stellung der Frau so definiert, dass diese von der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben außerhalb des häuslichen Bereichs ausgeschlossen wurde. Das moderne Heim, welches eine radikale Trennung des häuslichen Lebens von der Arbeitswelt voraussetzt, war eine Erfindung des 19. Jhs. Der Rückgang der privaten Haushaltsproduktion und der Aufstieg der Lohnarbeit machten es möglich, die Familie als Rückzugsort vor einer Öffentlichkeit zu begreifen, die zunehmend von den unpersönlichen Mechanismen des Marktes dominiert wurde. Das Bild der Familie als Zufluchtsort in einer herzlosen Welt half den Amerikanern, mit den ambivalenten Gefühlen umzugehen, welche die neue industrielle Ordnung hervorrief.“

Im Gegensatz zu unternehmerischen Aktivitäten scheinen die unermüdlichen familiären Tätigkeiten einer klassischen Mutter die Gesellschaft nicht mehr befriedigen. Doch diese Tätigkeiten der Mutter sind sowohl spiritueller und intellektueller als auch ökonomischer Natur. Gemessen an den Zwecken, zu denen wir Muslime mittlerweile unsere eigenen Töchter erziehen, scheinen auch wir die Bedeutung der mütterlichen Rolle zu vernachlässigen.  Bildung – und damit meinen wir nicht den Erwerb von religiösem Wissen, sondern ökonomische Zielsetzung nach westlichen Werten –, hat den familiären Lebensraum praktisch ausgelöscht. Der Hidschâb (islâmische Bedeckung) hat sich mittlerweile von seiner eigentlichen Funktion in der Gesellschaft auf ein Kopftuch reduziert, das wir uns zur Bestätigung unserer neuen öffentlichen Zugänglichkeit an allen Ecken und Enden umhängen. Einst herrschten Frauen über eine unantastbare Sphäre privater Frömmigkeit, die wir liebevoll „Zuhause“ nannten. Den Engeln gleich, folgten wir nur dem Ruf des Himmels in dieser Welt: Die nächste Generation für den einen Gott zu erziehen und dabei unsere Ehemänner für die Sache Allâhs zu entlasten. Heute verkaufen Ehemänner ihre Rolle als Hüter der Familie quasi für ein kleines Gehalt der Ehefrau günstig, wobei viele fremde Männer außerhalb des Hauses Autorität über uns Frauen ausüben.

Falls es um Wertschätzung oder eine monetäre Absicherung geht, die sowohl muslimische als auch nichtmuslimische Frauen suchen, indem sie die Mutterschaft zugunsten einer außerhäuslichen Tätigkeit aufgeben, so fällt doch die Bezahlung meist mickrig aus: Frauen sind nämlich zunehmend gezwungen, die immer größer werdende Masse an schlecht bezahlten Dienstleistungsjobs zu besetzen. Rukaiya Hill Abdussalâm weist in „Women's Ideal Liberation“ auf Folgendes hin: „Wenn Mütter ihre Kinder in Kindertagesstätten zurücklassen, um in schlecht bezahlten Jobs zu arbeiten, die ihr nicht genug einbringen, dann wird dieser Zustand sie als Frau, Ehefrau und Mutter umso mehr demütigen und frustrieren.“

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