Es bedarf einer Religion – Teil 5

  • Veröffentlicht:12.12.2021
  • Kategorie:Frau
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Hadschars Schlüsselrolle in der Geschichte ihres Mannes ist im Qurân belegt und für alle Zeiten durch Riten in der Erinnerung der Menschen verankert, als sie allein mit ihrem hilflosen Kind zwischen den beiden Hügeln Safâ und Marwa hin- und herlief, um Wasser für ihren durstigen Sohn zu finden. Siebenmal lief sie tapfer zwischen beiden Hügeln hin und her, im Vertrauen auf Allâhs Hilfe, bis Er den Engel Dschibrîl (Gabriel) sandte, um das Gebet dieser makellosen Mutter zu erhören. Dschibrîl erschien und sprach Worte zu ihr. Sie blieb unerschrocken und hegte lediglich den Wunsch, ihrem Sohn zu helfen. Hadschar sagte: „Hilf uns, wenn du irgendeine Hilfe leisten kannst!“ Dschibrîl stieß mit seiner Ferse auf die Erde und als Folge sprudelte das Wasser auf wundersame Weise empor. In Anwesenheit des Engels fiel sie zu Boden und begann die Erde um den Brunnen aufzustauen, um Wasser für Ismâ’îl zu sammeln. Das Wasser floss stark, so dass Hadschar „Zamzam“ sagte, was so viel bedeutet wie: „Hör auf zu fließen!“ Auf diese Tatsache verwies der Prophet (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) in einem Ausspruch, der von Al-Buchârî verzeichnet wurde: „Möge Allâh mit der Mutter von Ismâ’îl barmherzig sein! Wenn sie das Zamzam-Wasser so gelassen hätte, wie es war (ohne es unter Kontrolle zu bringen, AdÜ), wäre es ein fließender Strom geworden.“

Es sind ihre Fußstapfen im Dienste ihres Sohnes, denen eine ganze Gemeinschaft beim Haddsch im Say (rituellen Lauf zwischen Safâ und Marwa, AdÜ) folgt. Dabei handelt es sich um eine Aufwertung der Rolle der Frau und der Mutterschaft, mit der die Werte keiner anderen Religion konkurrieren können.

Mûsâ und seine Mutter

Die Geschichte von Mûsâ (Moses) und seiner Mutter wird im Qurân mehrmals wiederholt. Historiker wie At-Tabarî und Ibn Kathîr verweisen zwar auf die Anwesenheit von Moses Vater bei seiner Geburt, doch spielt seine Mutter eine aktivere Rolle in seiner Lebensgeschichte. Die Mutter von Moses rettete nicht nur das Leben ihres eigenen Sohnes, als sie ihn in aller Eile in den Nil setzte, sondern damit auch einen Gesandten Allâhs: „Als Wir deiner Mutter eingaben, was (als Weisung) eingegeben werden sollte: ,Wirf ihn in den Kasten und wirf ihn ins Wasser‘, und das Wasser soll ihn ans Ufer setzen“ (Sûra 20:38-39).

Es besteht kein Zweifel daran, dass nur eine Frau mit ungewöhnlich großer Willenskraft eine solche potenziell gefährliche und äußerst schmerzhafte Aktion erfolgreich durchführen konnte. „Und das Herz der Mutter Mûsâs wurde leer. Beinahe hätte sie ihn fürwahr offen bekanntgegeben, wenn Wir nicht ihr Herz gestärkt hätten, damit sie zu den Gläubigen gehöre“ (Sûra 28:10).

Allein der Umstand, dass sie eine Art Eingebung von Allâh erhielt, ist ein Zeugnis für ihren Glauben und ihren hohen Rang. Es ist unbestreitbar, dass sie aufgrund ihrer Mutterschaft ihrer Pflicht als Gläubige Bedeutung beimaß.

Maryam und ihre Mutter

In ebenso entscheidender, wenn auch zunächst weniger dramatischer Weise, übergibt die Mutter Maryams ihre verwaiste Tochter dem Strom der göttlichen Geschichte, indem sie Maryam für den Hohen Tempel weiht; diese Weihe war bis dahin ausschließlich Jungen vorbehalten, die für ein religiöses Leben auserkoren wurden. Die meisten Mütter – eigentlich die ganze Gesellschaft – würden diesen Schritt heute als „unfair“ gegenüber dem jungen Mädchen empfinden, da diese dadurch von ihrer Familie getrennt und ihr keine Wahl bei ihrem Streben nach einem „normalen“ Lebensstil gelassen wird. So sind nun einmal alle bedeutenden Mütter: Geht es um das Wohl ihrer Kinder, sind sie stets gewillt, weltliche Maßstäbe zu sprengen. Maryams Mutter wollte ihre Tochter auf dem Pfad der Propheten wissen, damit sie das ewige Licht trägt und eine Dienerin Allâhs und nicht Diener der Menschen wird. Im konkreten Fall von Maryam haben die ungewöhnliche Hingabe und der schlichte Wille ihrer Mutter schon vor Maryams Geburt diese zum größten Wunder der Menschheit gemacht. „Als Imrâns (Amrams) Frau sagte: ‚Mein Herr, ich gelobe Dir, was in meinem Mutterleib ist, für Deinen Dienst freigestellt. So nimm (es) von mir an! Du bist ja der Allhörende und Allwissende‘“ (Sûra 3:35).

Der brillante tunesische Richter und Qurân-Kommentator Ibn Âschûr erklärte, dass das in diesem Vers vorkommende Wort „muharraran“ (hier übersetzt mit: freigestellt für Deinen Dienst) von „hurriyya“ stamme, was Freiheit bedeutet. Folglich stellte die Mutter Maryams durch ihr Gelübde sicher, dass Maryam durch den Dienst im Tempel von weltlichen Wünschen und Sorgen befreit war. Wann immer Imrâns Frau bzw. Maryams Mutter die Umstände beeinflussen konnte, ging sie stets bis zum äußersten Ende, um das Wohl ihres Kindes dauerhaft zu sichern: für die Glückseligkeit und Wonne im nächsten Leben. Maryams Mutter erwartete eigentlich einen Jungen, der für solch einen Dienst problemlos in Frage gekommen wäre. Als sie schließlich eine Tochter gebar, ließ sie sich nicht von ihrem Gelübde abbringen. Sie überwand alle Hürden und nutzte ihren Einfluss, um schließlich Maryam in den Dienst des Tempels zu stellen. Das Wunder Jesu und die Bewahrung von Maryams Reinheit, die trotz ihrer Mutterschaft unbefleckt blieb, waren Antworten auf das Gebet einer frommen und besorgten Mutter: „Als sie sie dann zur Welt gebracht hatte, sagte sie: ‚Mein Herr, ich habe ein Mädchen zur Welt gebracht.‘ Und Allâh wusste sehr wohl, was sie zur Welt gebracht hatte, und der Knabe ist nicht wie das Mädchen. ‚Ich habe sie Maryam genannt, und ich stelle sie und ihre Nachkommenschaft unter Deinen Schutz vor dem gesteinigten Satan‘“ (Sûra 3:36)
 

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