Ehrgeiz und wahres Streben – Teil 1

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Wer über tiefen Verstand verfügt, darf sich nicht mit seinem momentanen Zustand zufriedengeben. Er soll Höheres anstreben und seine Situation verbessern in Richtung auf alles, was erhaben, edel und nützlich ist. Immer wenn er einen höheren Rang erklimmt, soll er weiter nach oben blicken und sich nicht von Niedrigerem nach unten ziehen lassen oder gar dazu, gegen die Gebote seines Herrn zu verstoßen.

Demnach sollte man kein anderes Ziel verfolgen, als in den Paradiesgarten zu gelangen. Und das ist das wahre Streben, denn die Seele verlangt stets nach dem, was perfekter, schöner und erhabener ist. Der Gesandte Allâhs (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) wies seine Gemeinschaft immerfort an, nach Höherem zu streben und sich von Niedrigem und Weltlichem fernzuhalten. So sagte er: „Wahrlich Allâh der Erhabene liebt das Höchste und das Edelste in allen Angelegenheiten. Und er verabscheut das Minderwertige an ihnen.“

Er ermunterte seine Gemeinschaft zu den Rängen hohen Strebens, als er sagte: „Das Paradies hat 100 Stufen. Zwischen zwei Stufen liegt so viel wie zwischen Himmel und Erde ist. Al-Firdaus ist der Teil des Paradieses, der am höchsten und in der Mitte liegt. Über ihm ist der Thron des Allerbarmers. Aus ihm entspringen die Flüsse des Paradieses. Wenn ihr also Allâh um etwas bittet, zu bittet Ihn um Al-Firdaus.“

Der Unterschied zwischen Ehrgeiz und hohem Streben

Zweifellos teilen sich Ehrgeiz und hohes Streben ein gemeinsames Ziel: Es geht um das Erreichen des Höchsten. Doch sie unterscheiden sich in ihrem inneren Antrieb und den Mitteln. Der Antrieb für hohes Streben kann der Wunsch sein, aus Trägheit aufzusteigen und Niedriges und Mangelhaftes hinter sich zu lassen. Die Triebfeder für Ehrgeiz ist es, die Seele stets auf eine höhere Stufe zu heben. Bei den Mitteln ist aber ein Unterschied: Im Falle von hohem Streben schlägt man nur die edelsten Wege ein, die mit den Geboten des Herrn der Welten übereinstimmen. Bei Ehrgeiz mag man jedoch den Wegen von Übertreibung und Verschwendung anheimfallen. Zweifellos wird eine ehrgeizige Person, wenn sie ihre Bemühungen nicht für ihr Ziel einsetzt, nur den reinsten Phantasievorstellungen verfallen. Positiver Ehrgeiz treibt den Menschen an, seine Wünsche zu erfüllen und er strengt sich dazu an.

In der Dichtung heißt es: „Sind die Seelen erhaben, so ermüden die Körper zu ihrem Zwecke.“ Schön drückten es auch andere aus: „Nicht erreicht den Ruhm, wer kein Wagnis eingeht. Nicht erreicht das Höchste, wer zu zaghaft ist. Wer das Höchste begehrt als Reinstes ohne Trübung, er hat es erreicht und begehrt nicht nach mehr.“

Doch die höchsten Angelegenheiten und die schändlichsten Wege – umhegt sind sie mit schwierigen Angelegenheiten. Mu‘âwiya (möge Allâh mit ihm zufrieden sein) sagte daher zu Amr ibn Al-Âs (möge Allâh mit ihm zufrieden sein): „Wer Großes und Gewaltiges anstrebt, setzt Gewaltiges aufs Spiel.“ Amr ibn Al-Âs sagte: „Wagt euch an das Gefährliche und Schwierige.“ Gemeint ist hiermit aber, dass man sich Dinge von Wichtigkeit und Größe vornehmen soll.

Grenzen von Ehrgeiz?

Abdullâh Al-Uthmân beantwortet diese Frage in seinem Buch „Nudschûm As-Samâ“ folgendermaßen: „Strebe ehrgeizig nach den äußersten Grenzen und nach allem Schönen und Nützlichen. Kremple deine Ärmel hoch für Großes, das geduldig auszuführen ist. Setze dir Ziele, die utopisch ausschauen mögen! Lasse den Zügeln deines Ehrgeizes freien Lauf, so wirst du den Himmel berühren. Löse die Ketten und Fesseln und setze den ersten Schritt. Zögere ihn nicht hinaus, denn auch ein Marsch von 1000 Meilen beginnt mit einem einzigen Schritt. Doch sollst du den zusätzlichen Wert erkennen, der sich hinter jedem Traum und jedem Ziel, das du anstrebst, verbirgt. Wähle nun unter den Zielen und Träumen das, was dich zu Allâh dem Erhabenen führt. Vertraue darauf, dass alles, wovon du träumst, sich eines Tages erfüllen wird.“

Alî Al-Dschârim dichtete: „Setze dem Ehrgeiz keine Grenze. Denn auch der Ruhm – keine Grenze kennt er.“ Somerset Maugham schreibt: „Vielleicht gehört Folgendes zum Sonderbarsten des Lebens: Verweigerst du dich allem, das unterhalb des Gipfels liegt, so wirst du diesen erreichen.“

Hüte dich vor Verzweiflung

Ehrgeiz, der dich zum Erreichen eines angestrebten Zieles führen soll, kennt keine Verzweiflung und keine Schwäche. Immer wenn man strauchelt, steht man schnellstens auf. Für so jemanden wäre Scheitern reinste Hoffnungslosigkeit.

Der Gesandte (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) lehrt uns dies mit den Worten: „Der starke Mu‘min ist besser und wird von Allâh mehr geliebt als der schwache Mu‘min. Doch in beiden ist Gutes. So strebe nach dem, das dir nützt, suche Hilfe bei Allâh und werde nicht matt. Trifft dich etwas, so sage nicht: ‚Hätte ich doch dies oder jenes gemacht.‘ Doch sage: ‚Die Bestimmung Allâhs – und was Er will, das tut Er‘, ansonsten eröffnest du dem Satan eine Tür zu handeln.“

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