Wunden der Zunge und Rücksichtnahme – Teil 1

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Auf die Gefühle von anderen Rücksicht zu nehmen ist ein edler Charakterzug, eine vorzügliche Tat, ein Verhalten von Kultiviertheit und ein soziales Erfordernis. Dies ist auch ein Ziel der Scharîa, das der Qurân vorschreibt. Der edle und auserwählte Prophet war mit diesem Charakterzug ausgestattet. Als Allâh den Menschen erschuf, legte er in ihn Gefühle und Emotionen. Diese Gefühle werden durch die Interaktion mit anderen beeinflusst. Sie wirken auf die Psyche des jeweiligen Menschen und bringen entweder Freude und Glück oder Trauer und Niedergeschlagenheit hervor. Aus diesem Grund müssen diese Gefühle unbedingt respektiert und geachtet werden.

Der Islâm ist die Religion des Schönen und der Vollkommenheit, die Religion der Barmherzigkeit und des kultivierten Verhaltens und der geistigen Höherentwicklung. Er enthält Edles in seinen Aqîda-Überzeugungen und in seinen Scharîa-Geboten. Er enthält Hohes in seinen Achlâq-Normen und den Geboten des Zusammenlebens. Daher darf diese wichtige Seite der Wirkung auf die Psyche der Muslime und der Menschen im Allgemeinen nicht vernachlässigt werden.

Diese gewaltige Religion ist gekommen, um den Menschen aus den Finsternissen ins Licht zu führen; und aus den falschen Dogmen zu den richtigen Aqîda-Überzeugungen. Sie ist gekommen, um die Menschen von jeder schlechten und abstoßenden Charaktereigenschaft zu befreien und sie zum guten und edlen Charakter zu leiten. Der Islâm behandelte den Charakter der Beduinen, denn dieser war grob, ungeschliffen und hartherzig. Er verwandelte ihn in Barmherzigkeit, Nachsichtigkeit und Gnade, bis die Anhänger des Islâms sich auch in ihrem Sprechen gewählt ausdrückten: Ihre Worte und Äußerungen waren nicht mehr verletzend.

Der Allmächtige sagt: „Und sag Meinen Dienern, sie sollen das, was am besten ist, sagen. Gewiss, der Satan stachelt zwischen ihnen (zu Zwietracht) auf“ (Sûra 17:53). Allâh, gepriesen sei Er, trägt uns auf, dass man beim Sprechen die besten Worte und die schönsten und erhabensten Ausdrücke wählt und die klarste Bedeutung vermittelt. So lässt man dem Schaitân keine Chance, die Herzen der Mu‘minûn aufzustacheln. Du musst deine Worte und deine Ausdrücke gut wählen: Wähle immer das bessere, erhabenere und freundlichere Wort, das deinen Mund verlässt. Dies gilt nicht nur zwischen Muslimen. Die Werte des Islâm beziehen die Gefühle der nah und fern Stehenden mit ein: Sowohl der Muslim als auch der Nichtmuslim ist gemeint, sowohl der Gehorsame als auch derjenige, der sich verweigert. Der Erhabene sprach: „Und sagt Gutes zu den Menschen“ (Sûra 2:83). Gemeint sind hier alle Menschen.

Der Qurân enthält viele Anweisungen von dieser Art. Allâh, gepriesen sei Er, sagt: „Freundliche Worte und Vergebung sind besser als ein Almosen, dem Beleidigungen nachfolgen. Allâh ist Unbedürftig und Nachsichtig“ (Sûra 2:263). Ein gutes Wort, ohne etwas zu schenken, ist besser und tugendhafter als eine Gabe, die mit Vorhaltungen verbunden ist. In Vorhaltungen steckt etwas Unangenehmes für den anderen, sein Gemüt wird verletzt, sein Herz gebrochen und der Mensch gedemütigt. Wer so handelt, dessen Tat geht zu Grunde: „O die ihr glaubt, macht nicht eure Almosen durch Vorhaltungen und Beleidigungen zunichte“ (Sûra 2:264). Der Prophet (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) sagte: „Drei sind es, die Allâh am Jüngsten Tag nicht anspricht und nicht anschaut, die er nicht reinigt und denen eine schmerzhafte Strafe ist: Wer seine Kleider (aus Hochmut) herabhängen lässt, wer (seine Spende) anderen vorhält und wer seine Waren mit einem lügnerischen Schwur anpreist.“

In der Geschichte von Yûsuf sagte dieser: „Und Er hat mir Gutes erwiesen, als Er mich aus dem Gefängnis herauskommen ließ“ (Sûra 12:100). Dabei erwähnte er den Brunnen nicht, da er seine Brüder nicht an ihre schreckliche Tat und ihr vergangenes Unrecht erinnern wollte. Er erwähnte das Gefängnis, denn daran hatten sie keinen Anteil und waren nicht schuld daran, dass er dort hineingeworfen wurde. Was für ein besonderer Charakterzug, was für ein schönes Verhalten und wie sehr werden hier die Gefühle anderer geschützt!

Allâh der Erhabene sagt: „Durch Erbarmen von Allâh bist du mild zu ihnen gewesen; wärst du aber schroff und hartherzig, so würden sie wahrlich rings um dich auseinandergelaufen“ (Sûra 3:159). Das heißt: Wärest du von böser Rede und hartherzig zu ihnen gewesen, hätten sie dich verlassen, wären vor dir geflohen und hätten sich nicht um dich geschart. Doch der Prophet war barmherziger zu ihnen, als sie es selbst hätten sein können und er achtete ihre Gefühle aufs Genaueste, wenn er sie zum Islâm einlud oder ihre Fehler verbesserte.

Âischa (möge Allâh mit ihr zufrieden sein) sagte: „Wenn man ihm berichtete, dass einer seiner Gefährten etwas getan hatte, sagte er nicht: ‚Was ist dem bloß eingefallen!‘, sondern: ‚Was ist mit den Menschen, dass sie so etwas tun!' Er erwähnte den Namen einer solchen Person nicht, damit dieser nicht im Innersten gekränkt und vor den Menschen bloßgestellt würde. As-Sa‘b ibn Dschatthâma sagte nach den beiden Sahîh-Quellen: „Einmal schenkte ich dem Gesandten Allâhs einen Wildesel, doch er gab ihn mir zurück. Als er meinen Gesichtsausdruck sah, sagte er: „Wir haben ihn dir nur zurückgegeben, weil wir im Ihrâm-Zustand (auf der Pilgerfahrt) sind.“ Bekanntlich darf man in diesem Zustand (als Muhrim) nicht jagen und nichts von dem essen, was für einen gejagt wurde. Der Prophet (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) nahm die Gefühle dieses Mannes ernst und beruhigte ihn. Daher heißt es über ihn im Qurân: „Und du bist wahrlich von großartiger Wesensart“ (Sûra 68:4).

Al-Buchârî überliefert von Ibn Umar, wie der Prophet (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) sagte: „Man sollte nicht einen anderen von seinem Platz aufstehen lassen, um sich an dessen Stelle zu setzen.“ So etwas verletzt die Seele eines anderen. Sich an seine Stelle zu setzen erniedrigt und demütigt seinen Rang.
 

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