Verzeihen und ـbersehen der Fehler anderer

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Die wichtigste Eigenschaft eines Muslims in dieser Welt ist nach der Ausführung der Pflichten, die Allâh ihm mit den Ibâda-Handlungen auferlegt hat, dass er sich mit dem Charakter des Islâms ausstattet. Wer sich damit auszeichnet, gehört zu denjenigen, die Allâh und Seinem Gesandten am nächsten stehen. Sie sind Allâh und Seinem Gesandten am liebsten. Mit gutem und schönem Charakter erreicht der Mensch den Rang von jemandem, der ständig fastet und im Gebet steht. Was in der Waage am Jüngsten Tag am schwersten wiegt, ist schöner Charakter. All dies wird uns in den Aussagen des Auserwählten (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) mitgeteilt. Zu diesem Charakter gehören Verzeihen und das Übersehen der Fehler anderer.

Von Anas (möge Allâh mit ihm zufrieden sein) wird berichtet: „Ich ging zusammen mit dem Gesandten Allâhs (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken), und er trug einen Umhang aus Nadschrân (Stadt im Jemen) mit dicker Borte. Da sah ihn ein Wüstenaraber und zog mit roher Gewalt an seinem Umhang. Ich sah die Schulter des Propheten und wie das feste Ziehen an der Borte eine Spur hinterlassen hatte. Er sagte: ‚Muhammad, gib mir auch was von dem Vermögen Allâhs, das Er dir gegeben hat!‘ Der Prophet wandte sich zu ihm, lachte und ließ ihm etwas geben“ (Al-Buchârî, Muslim).

Dieses Ereignis zeigt etwas von der großartigen Einstellung des Propheten (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) und wie vollkommen sein Charakter war, als er dem groben Verhalten dieses Wüstenarabers mit Nachsicht und Geduld begegnete. Er vergab ihm und war nachsichtig, indem er nur darüber lachte, obwohl der Beduine durch sein Zerren an dem Gewand eine richtige Spur an seiner Schulter hinterlassen hatte. Und doch gebot er, ihm etwas zu schenken. Ähnlich zeigte er auch Geduld und Milde am Tage von Uhud, als sein Zahn gebrochen wurde, er eine Wunde im Gesicht erhielt und auf seine Seite geworfen wurde. Und doch sagte er in diesem Zustand: „Allâh, vergib meinem Volk, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Al-Buchârî in „Al-Adab Al-Mufrad“)

Ein weiteres Beispiel für Verzeihung und Nachsicht, obwohl er imstande war, anders zu handeln, ist die Eröffnung von Mekka. Als der Prophet (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) siegreich in die Stadt einzog und sich in der Moschee (an der Ka‘ba) niedersetzte, sammelten sich die Menschen um ihn und blickten ihn an: Wie würde er nun mit den Götzendienern der Quraisch verfahren, die ihn so lange gequält, ihn aus der Stadt getrieben und danach sogar bekämpft hatten? Er legte jedoch edelsten Charakter an den Tag und behandelte sie mit Verzeihung, als er sagte: „Geht nur, ihr seid alle frei“ (As-Sunan Al-Kubrâ, Baihaqî).

Früchte von Vergebung und Nachsicht

• Man erhält Belohnung. Wer verzeiht und durch sein Handeln die Situation verbessert, dem kommt Lohn von Allâh zu. Allâh der Erhabene sagt: „Die Vergeltung für eine böse Tat ist etwas gleich Böses. Wer aber verzeiht und Besserung bringt, dessen Lohn obliegt Allâh“ (Sûra 42:40).

• Er erreicht Allâhs Liebe. Toleranz, Verzeihung und Nachsicht sind ein Teil von Ihsân (Gutes Handeln, als ob man Allâh sieht).

• Innere Ruhe und seelische Stabilität als Ergebnis eines gesunden Herzens. Dies ist der Gipfel von hohem Charakter: Man wird beleidigt und doch stört man sich nicht daran, sondern verhält sich nachsichtig. Von Abû Huraira (möge Allâh mit ihm zufrieden sein) wird überliefert, dass die Götzendiener den Propheten (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) beleidigten, doch er sprach zu seinen Gefährten: „Wundert es euch nicht, wie Allâh die Beleidung der Quraisch und ihre Flüche von mir abhält? Sie beschimpfen und verfluchen den Mudhammam (den Getadelten), doch bin ich ja Muhammad (der Gelobte)!“ (Al-Buchârî). In einem Gedicht heißt es: Dem Unwissenden ward befohlen, mich zu beschimpfen – doch ich ging vorbei, was kümmert es mich?

• Man erhält Gesundheit. Imâm Ahmad sagte hierzu: „Gesundheit umfasst neun Zehntel und alle stammen von Nachsichtigkeit.“

• Zunahme an Vertrautheit, Liebe und Solidarität. Al-Amasch sagte: „Nachsichtigkeit löscht großes Übel aus.“ Aktham ibn Saifî sagte: „Wer streng ist, der bringt (die Menschen) auseinander. Wer nachgiebig ist, der versöhnt. Wahre Freude steckt in der Nachsichtigkeit.“ Wahrhaftig hat gesprochen, wer sagte: „Tadelst du in allen Angelegenheiten, so findest du keinen Freund, den du nicht tadeln müsstest.“

• Würdevolles Verhalten: Wer jeden für seine Fehler zur Verantwortung zieht, der entwürdigt sich selbst. Und genau deshalb werden sich niederträchtige Menschen gegen ihn erkühnen. Ibn Al-Dschauzî (Allâh erbarme sich seiner) sagt: „Nachsichtigkeit gegenüber kleinen Ausrutschern gehört zu den wichtigsten Charaktereigenschaften edler Menschen. Menschen neigen nun mal zu Ausrutschern und Fehlern. Wenn der Mensch sich mit jedem Fehler abgibt, so wird er nur sich und andere ermüden.“ Im Gedicht heißt es: „Vor vielen Dingen verschließe ich meine Augen – dies, obgleich ich sie sehr wohl öffnen könnte!“

• Nachsichtigkeit gegenüber kleinen Fehlern gehört zur Tugendhaftigkeit (Murûa). Amr Al-Makkî (Allâh erbarme sich seiner) sagte: „Tugendhaftigkeit ist es, die Fehler der Brüder zu übersehen.“
 
Wie können Vergebung und Nachsichtigkeit erreicht werden?

Um Toleranz zwischen Muslimen im Besonderen und zwischen den Menschen im Allgemeinen zu verwirklichen, muss Folgendes umgesetzt werden:

• Man muss sich um ein gesundes Herz bemühen, das rein ist von den Krankheiten, die dem Menschen sein eigenes Leben und das Leben anderer vergällen – so wie Neid, Hass u. a. In einem Hadîth von Abdullâh ibn Amr berichtet dieser, dass der Gesandte Allâhs (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) gefragt wurde: „Wer ist der beste Mensch?“ Daraufhin sprach er: „Wer rein im Herzen und wahr in der Zunge ist.“ Da sagten sie: „Wahr in der Zunge zu sein, das kennen wir. Wer aber ist rein im Herzen?“ Er sagte: „Wer gottesfürchtig und rein ist. Keine Sünde ist in ihm und keine Missgunst (Baghy), kein Betrug und kein Neid“ (Ibn Mâdscha).

• Man muss erkennen, dass niemand frei von Fehlern und Ausrutschern ist. Denn das hat Allâh für die Kinder Adams bestimmt. Im Hadîth heißt es: „Jeder Sohn Adams sündigt. Und der beste der Sündigenden ist, wer reumütg umkehrt“ (At-Tirmidhî).

• Der Mensch begehrt die Verzeihung Allâhs, Seine Nachsicht und Seine Zufriedenheit. Da der Ausgleich im Jenseits genau der Art der diesseitigen Handlung entspricht, gilt: Wer einem Muslim seinen Fehler bedeckt, dem bedeckt Allâh ebenfalls seinen Fehler. Wer einem Mu‘min verzeiht, dem verzeiht Allâh.

• Man soll sich den Verdienst von Vergebung und tolerantem Handeln in Erinnerung rufen und daran denken, dass Allâh dies auch seinem Propheten aufgetragen hat: „Übe Nachsicht, gebiete das allgemein Gute und wende dich von den Toren ab!“ (Sûra 7:199).

• Die Bemühung, dem Beispiel des Auserwählten (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) nachzueifern. Denn er war von gewaltigem Charakter und zeichnete sich durch alle lobenswerten Züge und schönen Eigenschaften aus, die zu einem Vorbild gehören: Allâh der Erhabene sagt: „Ihr habt ja im Gesandten Allâhs ein schönes Vorbild, (und zwar) für einen jeden, der auf Allâh und den Jüngsten Tag hofft und Allâhs viel gedenkt“ (Sûra 33:21).

• Man soll sich daran gewöhnen, mit den Menschen auf beste Weise umzugehen. Dazu gehören Verzeihung, Nachsicht und das Übersehen etwaiger Fehler.

Vergebung und Achtlosigkeit gegenüber Fehltritten gehören zu der großartigen Moral, durch die sich der Prophet in seinem Leben und in seinem Aufruf zu Allâh auszeichnete. Ihm in all diesen Eigenschaften nachzueifern ist von größter Bedeutung, um Brüderlichkeit und Liebe zwischen den Muslimen hervorzubringen.
 

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