Einhalten von Versprechen: Was sagen die Gelehrten dazu?
Fatwâ-Nummer: 17057

  • Fatwâ-Datum:14-9-2022
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Frage

Leute in meinem Stadtviertel haben mich gebeten, beim Bau einer Moschee mitzuhelfen. Daraufhin meinte ich, dass ich ein Stück Land besitze und mich nach dem Verkauf mit dem erzielten Preis beteiligen könne. Vor dem Verkauf zahlte ich bereits die Hälfte des Erlöses für den Bau der Moschee. Nach dem Verkauf des Grundstücks fand ich jedoch eine bedürftige Familie, die über kein Einkommen und tägliches Essen verfügt. Ist es erlaubt, den Rest des Verkaufspreises des Grundstücks oder einen Teil davon dieser Familie für ihren Lebensunterhalt zukommen zu lassen? Ich bitte um eine Antwort – möge es Ihnen reichlich gedankt sein.

Antwort

 Der Lobpreis gebührt Allâh und möge Allâh Seinen Gesandten sowie dessen Familie und Gefährten in Ehren halten und ihnen Wohlergehen schenken!

Möge Allâh Dir auf das Beste ausgleichen, was Du von deinem Vermögen für die Hilfe der Muslime und die Errichtung eines Hauses Allâhs ausgegeben hast. Möge Allâh es von Dir annehmen! Du sollst wissen, dass Du mit deiner Aussage nur versprochen hast, mit dem Erlös aus dem Grundstück Hilfe bei dem Bau der Moschee zu leisten. Über die Notwendigkeit Versprechen zu halten, gibt es unter den Fiqh-Gelehrten unterschiedliche Auffassungen.

Die Mehrheit unter den Hanafiten, Schâfiiten und Hanbaliten sieht die Erfüllung eines solchen Versprechens als erwünscht (mustahabb) an. Der hanafitische Gelehrte As-Sarachsî schreibt in „Al-Mabsût“: „Das Erfüllen eines Versprechens ist erwünscht (mandûb), ohne dass es sich dabei um eine Verpflichtung handelt.“

Der hanbalitische Gelehrte Al-Bahûtî bemerkt in „Kasschâf Al-Qinâ“: „Ein Versprechen muss nicht unbedingt erfüllt werden, denn so hat er (d. h. Imâm Ahmad) es ausgedrückt; und ebenso die meisten Gelehrten.“

An-Nawawî unter den Schâfiiten schreibt in „Al-Adhkâr“: „Die Gelehrten sind sich konsensmäßig einig, dass jemand, der einem anderen etwas verspricht, das nicht verboten ist, er sein Versprechen auszuführen hat. Doch ist dies eine Pflicht oder bloß erwünscht? Hierzu gibt es unterschiedliche Meinungen. As-Schâfiî, Abû Hanîfa und die Mehrheit der Gelehrten meinen, dass es erwünscht (mustahabb) sei. Wenn er (die Erfüllung) unterlässt, so ist ihm eine tugendhafte Tat entgangen und er hat etwas äußerst Verabscheutes (makrûh) – doch keine Sünde – begangen.“

Die Mâlikiten meinen, dass so jemand (zur Erfüllung des Versprechens) verpflichtet ist, wenn ein Grund dafür vorliegt und derjenige, dem etwas versprochen wurde, in Schwierigkeiten gerät (weil er sich auf das Versprechen verlassen hat; AdÜ). Al-Qarafî schreibt dazu in „Al-Furûq“ (Al-Farq 214): „Unter den angeführten Belegen weisen einige darauf hin, dass das Versprechen erfüllt werden muss und andere, dass dies nicht notwendig sei. Diese Belege können in Einklang gebracht werden, dass es (in einem Fall darum geht), dass er sein Versprechen auszuführen hat, weil er den anderen in eine Lage gebracht hat, wo der Betreffende vom Versprechen abhängig wird – so haben es Mâlik, Ibn al-Qâsim und Sahnûn entschieden – oder er es versprochen hat und damit die Nennung eines Grundes verbunden ist.“ An anderer Stelle sagt er: „Ein bloßes Versprechen muss nicht unbedingt gehalten werden, auch wenn eine Erfüllung zum edlen Charakter gehört.“

Die vorzuziehende Meinung – und Allâh weiß es am besten – ist die Meinung der Mehrheit. Dementsprechend ist es kein Problem, wenn du den Rest des Verkaufspreises aus dem Grundstück für einen anderen Zweck als die Moschee ausgibst, besonders wenn du siehst, dass das Bedürfnis der erwähnten Personen höher steht als die Notwendigkeit, (den Bau der) Moschee zu unterstützen.

Und Allâh weiß es am besten!

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