Reihenfolge versäumter Gebete ist keine Bedingung für deren Gültigkeit Fatwâ-Nummer: 32385
- Fatwâ-Datum:10-1-2018
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Mein Sohn betete mit mir das Abendgebet in Gemeinschaft und sagte mir danach, dass er das Nachmittagsgebet nicht gebetet habe. Es ist doch bekannt, dass die Gebete der Reihenfolge nach verrichtet werden müssen. Da sagte ich ihm, dass er danach das Nachmittagsgebet beten soll und anschließend die Reihenfolge einhalten muss. Was meinen Sie dazu?
Der Lobpreis gebührt Allâh und möge Allâh den Gesandten Allâhs sowie dessen Familie und Gefährten in Ehren halten und ihnen Wohlergehen schenken!
Die Einhaltung der Reihenfolge zwischen versäumtem Gebet und dem gerade zu betenden Gebet ist Pflicht, wenn man sich daran erinnert, aber keine Bedingung für die Gültigkeit des Gebets. Dies bezieht sich auf den Fall, dass nur wenige Gebete versäumt wurden, also vier Gebete oder weniger. Wenn es mehr sind, muss zuerst das aktuelle Gebet verrichtet werden. Wer vier Gebete versäumt hat, muss diese vor dem aktuellen Gebet verrichten, selbst wenn er dadurch die Zeit des aktuellen verpasst. Dies ist die Meinung der Malikiten.
Somit ist das Gebet deines Sohnes gültig, so Allâh will, weil er entweder das Nachmittagsgebet vergessen hatte oder nicht wusste, dass er das Abendgebet danach verrichten hätte müssen, oder es während des Gebets nicht wusste. Zudem ist die Reihenfolge keine Bedingung für die Gültigkeit des Gebets. Es ist jedoch erwünscht, das Abendgebet nochmals zu beten, wenn noch Zeit dafür ist.
Die Schafiiten hingegen sind der Meinung, dass die Reihenfolge der versäumten Gebete keine Pflicht ist, sondern nur eine Empfehlung.
Die Ursache der Meinungsverschiedenheit liegt wohl darin, dass in den beiden authentischen Hadîthbüchern und anderen Werken von Dschâbir überliefert ist, dass Umar am Tag der Grabenschlacht nach dem Sonnenuntergang kam und die Quraischiten verfluchte. Er sagte: "O Gesandter Allâhs, ich hätte beinahe das Nachmittagsgebet erst verrichtet, als die Sonne schon fast untergegangen war!" Da entgegnete der Prophet (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken): "Bei Allâh, ich habe es nicht gebetet!" Wir standen auf und gingen nach Buthân (einem Tal bei Madîna); dort wusch er sich zum Gebet und ebenso wir. Dann betete er das Nachmittagsgebet, nachdem die Sonne untergegangen war, anschließend betete er das Abendgebet.
Ibn Daqîq Al-Îd sagte in seinem Buch Ihkâm Al-Ahkâm: "Wenn man diesem Hadîth noch den Beweis hinzufügt, dass sich die Zeit des Abendgebets bis zum Erlöschen des Abendrots erstreckt, belegt dieser Hadîth nicht, dass es Pflicht ist, die Reihenfolge bei versäumten Gebeten einzuhalten, denn die alleinige Handlung spricht laut der renommierten Meinung der Gelehrten für Methodik und Grundlagen der Rechtslehre nicht für eine Pflicht. Bringt man diesen Hadîth in Verbindung mit dem Beleg, dass die Zeit des Abendgebets kurz ist, belegt der Hadîth hingegen, dass man das versäumte Gebet dem aktuellen vorziehen muss, selbst wenn nur wenig Zeit ist. Wäre es nämlich keine Pflicht, bestünde kein Anlass das aktuelle Gebet aufgrund einer nicht verpflichtenden Handlung außerhalb der Zeit zu beten. Die Aussagekraft dieses Hadîthes hinsichtlich der Beurteilung der Reihenfolge basiert auf der Bevorzugung eines der beiden Belege über das Ende der Zeit des Abendgebets oder auf der Meinung, dass die Handlungen (des Propheten (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) generell verpflichtend sind.
Kurz gesagt ist das Gebet deines Sohnes gültig, so Allâh der Erhabene will.
Und Allâh weiß es am besten!