Die Weisheit hinter den verschiedenen Qurânlesearten Fatwâ-Nummer: 335257
- Fatwâ-Datum:25-10-2020
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Bisweilen finde ich wenige ausreichende Begründungen aus dem Qurân selbst und den Schriften der Gelehrten, um islâmfeindliche Argumente zu entkräften. Wie kann man die Behauptung wiederlegen, dass der Qurân verfälscht sei, da es ja eine ganze Anzahl von verschiedenen mutawâtir-Lesearten gebe (überliefert auf zahlreichen Wegen)?
Gibt es hierfür eine rationale und plausible Erklärung? Möge Allâh Sie mit dem Besten belohnen!
Der Lobpreis gebührt Allâh und möge Allâh Seinen Gesandten sowie dessen Familie und Gefährten in Ehren halten und ihnen Wohlergehen schenken!
Die Vielzahl der Qurânlesearten hat nichts mit einer Verfälschung des Originals zu tun. Vielmehr ist dies eine Erleichterung Allâhs für diese Umma (Gemeinschaft). Der Qurân ist auf sieben grundlegenden Arten (Ahruf) herabgekommen, und es ist erlaubt, nach irgendeiner dieser Lesearten (Qirâ’a) zu lesen. In manchen dieser Lesearten sind zusätzliche Bedeutungen enthalten. Sie alle sind vom Gesandten Allâhs (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) in zahlreichen sich gegenseitig bestätigenden Überlieferungsketten (mutawâtir) durch bekannte Tradenten weitergegeben worden. Diese sind so zahlreich, dass es denkunmöglich ist, diese hätten sich auf eine gemeinsame Lüge geeinigt.
In den Rechtsgutachten des „Ständigen Komitees für wissenschaftliche Untersuchungen und Fatwa-Erteilung” heißt es hierzu: „Es geht klar auf den Propheten (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) zurück, dass der Qurân auf sieben grundlegende Arten (Ahruf) von Allâh herabgekommen ist. Dabei handelte es sich um Dialekte und Mundarten der Araber. Als Erleichterung für die Rezitation hat dies Allâh in Seiner Barmherzigkeit mit ihnen so bestimmt. Diese verschiedenen Arten wurden in zahlreichen sich gegenseitig stützenden Ketten (mutawâtir) überliefert. Dies ist in Übereinstimmung mit dem Qurân. In ihm finden sich verschiedene Lesearten, die alle herabgesandt wurden von Allâh, dem Weisen und Lobenswürdigen. Ihre Vielzahl hat nichts mit Veränderung und Entstellung des Buches zu tun. Zwischen den verschiedenen Bedeutungen der Lesearten gibt es keine Unstimmigkeiten und keine Widersprüche oder Unklarheiten. Die einen stützen und bestätigen die anderen Varianten und machen die allgemeine Botschaft klar. Bisweilen weichen zwar die Bedeutungen der Lesearten voneinander ab, doch jede einzelne enthält jeweils eine Bestimmung, welche den Zweck der göttlichen Gebotenlehre verwirklicht und etwas Nützliches für die Menschen beinhaltet. All diese Bestimmungen passen harmonisch zusammen in ihrer Bedeutung und ihren Zielen, und sie realisieren die Ordnung und Einheit der göttlichen Normen.
Ein Beispiel dafür, dass es keine Widersprüche zwischen verschiedenen Lesearten gibt, ist das folgende Wort Allâhs: „Jedem Menschen haben Wir sein Vorzeichen an seinem Hals befestigt. Und am Tag der Auferstehung bringen Wir (nuchridschu) ihm ein Buch heraus, das er aufgeschlagen vorfinden wird“ (Sûra 17:13). Das Wort für „vorfinden“ kann als „yalqâ“ gelesen werden. Die Bedeutung wäre demnach: „Wir bringen für den Menschen am Tage der Auferstehung ein Buch hervor, nämlich das Buch seiner Taten, und er wird es aufgeschlagen finden. Er wird es mit der rechten Hand entgegennehmen, wenn er zu den Rechtschaffenen und Glückseligen gehört, und mit seiner linken Hand, wenn er zu den Niederträchtige und Unglückseligen gehört.“ Genauso aber kann man das oben angegebene Wort als „yulaqqâ“ aussprechen. Statt „er wird es finden“ heißt dies „es wird ihm ausgehändigt“. Beide Lesearten ergänzen sich letzten Endes. Wer das Buch findet, dem wird es ausgehändigt, und wem es ausgehändigt wird, der findet es.
Ein anderes Beispiel ist das Wort des Erhabenen: „In ihren Herzen ist Krankheit, und da hat Allâh ihnen die Krankheit noch gemehrt. Für sie wird es schmerzhafte Strafe dafür geben, dass sie zu lügen pflegten“ (Sûra 2:10). Nach der Leseart, die der zitierten Übersetzung zugrundeliegt, wird das Wort „yakdhibûn“ ausgesprochen: „Sie lügen über Allâh und die Gläubigen“. Das Wort kann nach einer anderen Leseart auch als „yukaddhibûn“ vokalisiert werden: „Sie zeihen die Gesandten der Lüge bei dem, was diesen an Offenbarung von Allâh zuteil geworden ist.“ Beide Lesearten widersprechen sich nicht, sondern charakterisieren jeweils eine andere Eigenart der Heuchler: Einerseits lügen diese, wenn sie über Allâh, seine Gesandten oder die Menschen sprechen, andererseits bezichtigen sie die Gesandten Allâhs der Lüge, wenn diese Gebote von Allâh überbringen. Beide Charakterisierungen treffen auf die Heuchler zu.
Hieraus geht hervor, dass die Lesearten alle auf die Offenbarung (Wahy) Allâhs zurückgehen. Dahinter liegt eine Weisheit, und keine Entstellung oder Abänderung. Aus den Lesearten gehen keine abweichenden und widersprüchlichen Varianten hervor. Die unterschiedlichen Bedeutungen sind konsistent und die abzuleitenden Aussagen harmonieren miteinander. Aller Erfolg ist bei Allâh.
Und Allâh weiß es am besten!