Durch den Haddsch werden nicht die ausstehenden rituellen Pflichthandlungen und die Rechte anderer Menschen gesühnt Fatwâ-Nummer: 34800
- Fatwâ-Datum:29-10-2018
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Es gibt einen Hadîth des Gesandten (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken), den ich zwar nicht komplett auswendig kenne, der jedoch Folgendes besagt: „Derjenige, der den Haddsch vollzieht, kehrt zurück wie am Tag, an dem ihn seine Mutter gebar…“ Bevor ich den Haddsch vollzog, hatte ich viele Sünden begangen und zahlreiche Sühneleistungen für Eidesbrüche auszustehen, sprich eine zweistellige Anzahl an Bedürftigen zu speisen. Muss ich nun für meine gebrochenen Eide sühnen, nachdem ich den Haddsch vollzogen habe, oder genügt der Haddsch? Denn der Haddsch macht mich ja wieder so wie am Tag, an dem mich meine Mutter gebar!
Der Lobpreis gebührt Allâh und möge Allâh Seinen Gesandten sowie dessen Familie und Gefährten in Ehren halten und ihnen Wohlergehen schenken!
Bei den Pflichten, die ein Mensch erfüllen muss, handelt es sich entweder um Pflichten gegenüber Allâh dem Hocherhabenen oder gegenüber Seinen anbetend Dienenden. Handelt es sich um Pflichten gegenüber Allâh dem Hocherhabenen, unterscheidet man hierbei zwei verschiedene Arten von Pflichten: Bei einer Art handelt es sich um Pflichten, die stets verrichtet werden müssen: Diese Pflichten können einzig dadurch erfüllt werden, indem man sie so verrichtet, wie es von der islâmischen Rechtsprechung verlangt wird. Hierbei handelt es sich beispielsweise um Sühneleistungen, Gelübde oder nachzuholende Pflicht-Gebete und Fastentage. Bei der zweiten Art handelt es sich um islâmische Rechtsverstöße, die ein Muslim begeht, wie beispielsweise Lügen, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Alkoholkonsum usw. Für diese sühnt man durch Reue, das Bitten um Vergebung dieser Sünden und durch einen angenommenen Haddsch, wie dem vom Fragenden erwähnten Hadîth zu entnehmen ist. Dieser lautet: „Wer den Haddsch für Allâh verrichtet, keinen Beischlaf hat und keinen Frevel begeht, kehrt zurück wie am Tag, an dem ihn seine Mutter gebar.“ (Al-Buchârî). Dies gilt gemäß dem Gelehrtenkonsens für kleine Sünden und gemäß der vorzugswürdigen Gelehrtenmeinung auch für große Sünden. Der Hadîth-Gelehrte Ibn Hadschar sagt in seinem Werk Fath Al-Bârî: „…kommt zurück wie am Tag, an dem ihn seine Mutter gebar bedeutet sündenfrei. Die offensichtliche Bedeutung dieser Aussage ist, dass es sich dabei um die Vergebung sowohl der kleinen als auch der großen Sünden handelt…“
Für Pflichten, die ein Mensch gegenüber anderen Menschen zu erfüllen hat, kann hingegen nicht durch den Haddsch gesühnt werden. Man muss den Besitzern von Rechten diese Rechte entweder im Diesseits oder im Jenseits zurückgeben, es sei denn, sie verzichten darauf und verzeihen es einem.
Als Ergebnis ist zu sagen, dass der Hadith, auf den der geehrte Fragende hinwies, ein authentischer Hadîth ist, jedoch keinesfalls von zu erfüllenden Pflichten wie beispielsweise Sühneleistungen und gemäß der vorzugswürdigen Gelehrtenmeinung auch nicht von den Rechten anderer Menschen handelt.
Und Allâh weiß es am besten!