Beginn der Fastenzeit: astronomische Gegebenheiten statt Kalender
Fatwâ-Nummer: 458857

  • Fatwâ-Datum:11-3-2024
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Frage

Wir sind eine muslimische Gemeinde in Kiel, einer Stadt im äußersten Norden Deutschlands. Vor mehr als 14 Jahren haben wir ein islâmisches Zentrum errichtet. Zuvor trafen wir uns zum Beten in den Moscheen der türkischen Brüder. Dort hatten einige Studenten gedruckte Gebetszeiten, die sie von islâmischen Websites übernommen hatten. Nach der Eröffnung des islâmischen Zentrums überprüften einige Brüder diese Angaben, um sich zu vergewissern, ob die Zeiten korrekt waren. Sie wollten die Zeiten für Sonnenauf- und -untergang mit den Daten astronomischer Einrichtungen und anderer islâmischer Kalender vergleichen, um sicherzugehen. Dann druckten sie einen Jahreskalender, der trotz einiger Unterschiede doch ähnlich wie der alte Kalender war. Die Gebetszeiten wurden allgemein angenommen. Jetzt, da einige Brüder eine weitere Moschee in der Stadt eröffnet haben, wollen sie andere Gebetszeiten drucken, mit der Behauptung, dass es bei einigen Zeiten einen Unterschied im Vergleich zu bestimmten Websites im Internet gebe. Der Unterschied ist beim Fadschr-Gebet offensichtlich, vor allem im Sommer, während die übrigen Zeiten fast gleich sind und nur geringe Abweichungen von ein oder zwei Minuten bis zu sieben Minuten in einigen wenigen Fällen aufweisen. Einige dieser Websites haben fast die gleichen Angaben wie unsere Zeiten. Bei einigen liegen sie im Sommer etwa 25 Minuten vor uns, bei anderen 25 Minuten dahinter. Das gilt, wie bereits gesagt, nur für das Fadschr-Gebet.
Die Frage lautet: Diese Brüder werfen uns vor, dass bei uns das Fadschr-Gebet anhand eines Dämmerungswinkels von 18 Grad berechnet sei, also mit einer festen Zeit, die das ganze Jahr über etwa zwei Stunden vor Sonnenaufgang liegt. Sie meinen, dass dies falsch sei und nicht der Scharîa entspreche.
Hat die feste Zeitangabe für das Fadschr-Gebet (also zwei Stunden vor Sonnenaufgang) keine scharîamäßige Begründung? Viele Schuyûch und Prediger aus der arabischen Welt haben uns besucht und diese Gebetszeiten akzeptiert. Können Sie uns bitte mitteilen, ob diese Methode in der Scharîa zulässig ist? Wenn nicht, was sollen wir tun und welchem Kalender folgen? Falls wir die Zeiten ändern sollen: Was raten Sie uns, den Menschen zu antworten, wenn sie uns fragen, was mit den seit 15 Jahren verrichteten Fadschr-Gebeten sei und ob diese in der falschen Zeit verrichtet wurden? Wir bitten um eine Klärung – möge Allâh Sie segnen.
Hinweis: Im Sommer haben wir eine Tageslänge von etwa 19 Stunden.

Antwort

 

Der Lobpreis gebührt Allâh und möge Allâh Seinen Gesandten sowie dessen Familie und Gefährten in Ehren halten und ihnen Wohlergehen schenken!

 

Man muss wissen, dass der Beginn der Gebetszeiten nicht durch mathematisch berechnete Kalender erfolgt, sondern durch sichtbare astronomische Merkmale. Allâh, der Scharîa-Geber, hat diese als Zeichen für den Eintritt der Zeit bestimmt. Am Morgen ist dies die „wahre“ Morgendämmerung (Al-Fadschr As-sâdiq), also das Morgenlicht, das sich am Horizont von Norden nach Süden ausbreitet. Die Grundlage zur Bestimmung von Beginn und Ende der Gebetszeiten sind die vom Scharîa-Geber festgelegten Anzeichen.

 

Die „Ständige Kommission für Fatwâ-Gebung“ (Fatwâ Nr. 4100) hat verkündet, dass man sich nicht ausschließlich auf diese Kalender verlassen und sie zur alleinigen Grundlage machen solle. Kalender sind eine Angelegenheit des Idschtihâd. Sie werden von Menschen erstellt, die Fehler machen oder richtig liegen können. Daher soll man Beginn und Ende der Fasten- und Gebetszeiten nicht daran festmachen. Beginn und Ende dieser Zeiten werden im Qurân und in der Sunna erwähnt, und man hat sich auf die Scharîa-Belege zu stützen. Astronomische Kalender können jedoch von den Gebetsrufern verwendet werden, damit sie sich für die Gebetszeiten daran orientieren.“

 

Dies gilt für Kalender, die auf Berechnungen und Schätzungen beruhen, aber nicht für solche, die auf einer genauen Untersuchung der Anzeichen basieren, wie sie von der Scharîa vorgegeben wurden.

Wenn eure Kalender voneinander stark abweichen, so wie du es für das Fadschr-Gebet erwähnt hast, so müsst ihr der Reihe nach Folgendes machen:

1) Erkundung der scharîagemäßen Anzeichen durch astronomische Sichtung, da der eine Kalender von euch keinen Vorzug gegenüber dem anderen hat und alle Berechnungen entweder falsch oder richtig sein können. Daher müsst ihr zu der eigentlich vorgesehenen Methode zurückkehren und das wäre die Suche nach den scharîagemäßen Merkmalen.

2) Falls es nicht möglich ist, die scharîagemäßen Anzeichen zu sichten, so sollt ihr erst dann das Gebet verrichten, wenn ihr euch ganz sicher seid, dass die Zeit angebrochen ist, bzw. wenn ihr zumindest Anhaltspunkte habt, nach denen die Zeit höchstwahrscheinlich eingetreten ist.

 

Was die Gebete betrifft, die früher nach dem Kalender verrichtet wurden, so braucht ihr sie nicht zu wiederholen, solange es euch wahrscheinlicher erscheint, dass ihr sie nach dem Eintritt der Zeit gebetet habt und diesem nichts Gegenteiliges widerspricht. Viele Gelehrte sind der Ansicht, dass es zur Verrichtung des Gebets nicht notwendig ist, vollständig vom Eintritt der Zeit überzeugt zu sein, sondern dass eine höchstwahrscheinliche Vermutung ausreicht. Wer also glaubt, dass die Zeit des Gebets höchstwahrscheinlich eingetreten ist, dessen Gebet ist gültig. Es ist nicht notwendig, dass er absolut sicher sein muss, dass diese Zeit eingetreten ist. Da euch ein Kalender vorliegt, könnt ihr in Zukunft bei eurer Bemühung zwischen dem tatsächlichen Eintritt der Gebetszeit und dem, was ihr im Kalender findet, vergleichen.

 

Und Allâh weiß es am besten!

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