Schlechte Taten und gute im Widerstreit: die Ansicht der Scharîa Fatwâ-Nummer: 493486
- Fatwâ-Datum:24-10-2024
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Ich arbeite in einer nichtislâmischen Bank. Zu Lebzeiten meiner Mutter − möge Allâh ihr gnädig sein − war ich immer rechtschaffen zu ihr. Ich scheue auch keine Mühe, meinem Vater gegenüber gut zu handeln und ebenfalls gegenüber meiner Schwester, die geschieden ist, und ihren Töchtern, indem ich sie bei manchen Angelegenheiten unterstütze, weil sie dies aufgrund der Scheidung nötig hat. Ich möchte, dass meine Mutter nach ihrem Tod durch mein Handeln gegenüber meiner Schwester zufrieden wird − und ebenso mein Vater.
Werde ich für meine Rechtschaffenheit gegenüber meinen Eltern, meiner Schwester und ihren Töchtern belohnt, obwohl ich in einer mit Zins arbeitenden Bank tätig bin?
Bekomme ich eine Belohnung dafür, dass ich zu Lebzeiten meiner Mutter rechtschaffen gegenüber ihr gehandelt habe, und wird mir dies alles bei Allâh erhalten bleiben? Oder geht es mir wie jemandem, von dem man sagt, dass er „im Meer pflüge“ (so dass seine Bemühungen umsonst sind)?
Der Lobpreis gebührt Allâh und möge Allâh Seinen Gesandten sowie dessen Familie und Gefährten in Ehren halten und ihnen Wohlergehen schenken!
Allâh der Allmächtige ist ein gerechter Richter. So wie Er den Übeltäter für seine Untaten bestraft, belohnt Er den Gutes tuenden für seine Taten. Denn Er sagt: „Allâh gehört (alles), was in den Himmeln und was auf der Erde ist, auf dass Er denjenigen, die Böses tun, das vergelte, was sie tun, und dass Er denjenigen, die Gutes tun, mit dem (Allerbesten vergelte“ (Sûra 53:31). „Wer rechtschaffen handelt, der (tut es) zu seinem eigenen Vorteil, und wer Böses tut, der (tut es) zu seinem eigenen Nachteil. Und dein Herr ist keiner, der den Dienern Unrecht zufügt“ (Sûra 41:46). „Wir lassen den Lohn derer nicht verlorengehen, die die besten Taten begehen“ (Sûra 18:30).
Wer in einer mit Zins arbeitenden Bank tätig ist, aber seine Eltern ehrt und die Verwandtschaftsbande pflegt, auf dem lastet die Sünde des Zinses und doch erhält er den Lohn für sein rechtschaffenes Handeln. All dies wird am Tag des Gerichts abgewogen und das gilt allgemein für Rechtschaffenheit und das Einhalten der Verwandtschaftsbande.
Was das Finanzielle anbelangt, so wird man nicht belohnt, wenn man Spenden aus Harâm-Geldern für wohltätige Zwecke ausgibt. Allâh ist gut und rein (tayyib) und Er nimmt nur das Gute und Reine an. Im Hadîth heißt es: „Wer verbotenes Geld sammelt und es dann als Sadaqa spendet, dem ist kein Lohn dafür und (die Sünde) lastet auf ihm“ (Ibn Chuzaima u. Ibn Hibbân in ihren Sahîh-Werken, sowie Al-Hâkim).
At-Tabarânî überliefert dies mit dem Wortlaut: „Wer Geld aus Verbotenem verdient und damit einen Sklaven freikauft und die Verwandtschaftsbande pflegt, auf dem lastet (Sünde)“ (hasan nach Al-Albânî in „Sahîh Al-Targhîb“).
Verbotene Einnahmen und unreine Speisen haben einen unmittelbaren Einfluss auf die Annahme von Ibâda-Handlungen, insbesondere von Bittgebeten. Auf jeden Fall darf ein Muslim nie seine guten Taten zu einem Motiv oder einer Rechtfertigung für die Begehung von Harâm-Taten machen. Vielmehr gilt das Gegenteil: Er soll danach streben, alles Verbotene zu meiden, damit er seine guten Taten schützt, denn diese könnten durch schlechte Taten − insbesondere durch große Sünden − zunichte gemacht werden.
Ibn Al-Qayyim schreibt in „Zâd Al-Ma‘âd“: „Eine große und schlimme Sünde, unterhalb von Götzendienst, kann eine große gute Tat (die eigentlich Sünden tilgt) bedecken. Das ist genauso belegt wie im Fall des Auslöschens schlechter Taten durch gute. Dies wird klar durch das Gegenteil, das im Wort des Erhabenen genannt wird: „O die ihr glaubt, macht nicht eure Almosen durch Vorhaltungen und Beleidigungen zunichte“ (Sûra 2:264). „O die ihr glaubt, erhebt nicht eure Stimmen über die Stimme des Propheten, und sprecht nicht so laut zu ihm, wie ihr laut zueinander sprecht, auf dass (nicht) eure Werke hinfällig werden, ohne dass ihr merkt“ (Sûra 49:2).
Âischa sagte über Zaid ibn Arqam, als dieser etwas in der (verbotenen Form) des Al-Îna-Kaufes veräußerte: „Damit hat er seinen Dschihâd mit dem Gesandten Allâhs (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) ungültig gemacht, solange er nicht bereut.“ Al-Buchârî berichtet in seinem „Sahîh“ einen Hadîth, nach dem der Prophet sagte: „Wer das Nachmittagsgebet (Asr) unterlässt, dessen Taten gehen zugrunde.“
Es gibt noch weitere Texte und Überlieferungen, die aufzeigen, wie gute und schlechte Taten miteinander konkurrieren und einige von ihnen die anderen aufheben können und wie die starke Wirkung der einen Tat eine andere − schwächere − Wirkung beseitigen kann. Und darauf basiert das Prinzip des Abwiegens und der Ungültigmachung (von Taten).“
Niemand darf sich in Sicherheit vor dem Plan Allâhs wähnen. Und ebenso darf man nicht an der Gnade Allâhs verzweifeln. Man soll Allâhs den Erhabenen fürchten, sich aufrichtig auf Ihn verlassen und gut von Ihm denken, denn Er sagte: „Hätten aber die Bewohner der Städte geglaubt und wären sie gottesfürchtig gewesen, hätten Wir ihnen bestimmt Segnungen von dem Himmel und der Erde aufgetan. Aber sie erklärten (die Botschaft) für Lüge, und so ergriffen Wir sie für das, was sie erworben hatten. Glauben denn die Bewohner der Städte, sicher davor zu sein, dass Unsere Gewalt bei Nacht über sie kommt, während sie schlafen? Oder glauben die Bewohner der Städte, sicher davor zu sein, dass Unsere Gewalt am hellen Morgen über sie kommt, während sie spielen? Glauben sie denn, sicher vor Allâhs Ränken zu sein? Aber vor Allâhs Ränken sicher zu sein, glaubt nur das Volk derjenigen, die Verlierer sind. Ist denjenigen, die die Erde nach ihren (vorherigen) Bewohnern erben, nicht deutlich geworden, dass, wenn Wir wollten, Wir sie für ihre Sünden treffen würden? Und Wir versiegeln ihre Herzen, so dass sie nicht hören“ (Sûra 7:100).
Und Allâh weiß es am besten!