Die Bedeutung des Erbrechts im Islâm
Fatwâ-Nummer: 60835

  • Fatwâ-Datum:30-8-2023
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Frage

Vor einigen Tagen habe ich folgende Frage gestellt: Wenn ein Vater verstirbt und Kinder hinterlässt, und wenn nach einiger Zeit auch dessen Vater stirbt, haben dann die Kinder das Recht (nach dem Tode ihres Großvaters) auf den Anteil ihres Vaters, dem der Anteil des Großvaters zugestanden wäre? Sie hatten daraufhin geantwortet, dass den Kindern nicht der Anteil ihres Vaters zustehen würde, wenn sie Onkel väterlicherseits hätten. Wenn sie jedoch Tanten väterlicherseits hätten, dann wäre es ihnen erlaubt. Doch was ist die Weisheit dahinter? Geht der Anteil ihres Vaters verloren, weil sie weitere Onkel haben? Möge Allâh es Ihnen mit dem Besten vergelten!

Antwort

 Der Lobpreis gebührt Allâh und möge Allâh Seinen Gesandten sowie dessen Familie und Gefährten in Ehren halten und ihnen Wohlergehen schenken!

Wenn ein Sohn vor seinem Vater stirbt, so hat dieser kein Erbanrecht. Eine Bedingung des Vererbens ist, dass der Erbende nach dem Erblasser am Leben ist. Die direkten Söhne des Verstorbenen haben mehr Anrecht auf das Erbe ihres Vaters als nicht direkte Söhne (Enkel), da sie (als direkte Söhne) dem Vater näherstehen.
Auch beerben die Cousins ihren verstorbenen Vater vor dessen Vater ohne seine Brüder. Wenn Söhne also mehr Anrecht auf die Hinterlassenschaft ihres Vaters haben als dessen Brüder, so sind die direkten Söhne des Großvaters ebenfalls erbberechtigter als die Söhne seiner Söhne.
Wenn jedoch Tanten der Enkel (also der Töchter der Tochter) vorhanden sind, so haben sie einen bestimmten Anteil, wenn neben ihnen keine anderen Brüder auf ihrer Stufe vorhanden sind. Sie erhalten ihren Anteil und zwar zwei Drittel. Den Rest nimmt derjenige, der am nächsten ist von den väterlichen Verwandten und das wären die Enkel – oder andere, falls solche nicht vorhanden sind.
Die Weisheit ist also, dass ein Verwandter gegenüber seinem nächsten Verwandten erbberechtigter ist. Auch wenn wir nicht immer die Weisheit von allem verstehen, müssen wir wissen, dass das Erbrecht im Islâm einen wichtigen Rang aufweist. Es umfasst einen tieferen Sinn, der von Menschen mit großem Wissen verstanden wird, auch wenn manch einer dies nicht versteht. Ohnehin ist der Muslim verpflichtet, sich allen Geboten zu ergeben. Allâh der Erhabene sagt: „Weder für einen gläubigen Mann noch für eine gläubige Frau gibt es, wenn Allâh und Sein Gesandter eine Angelegenheit entschieden haben, die Möglichkeit, in ihrer Angelegenheit zu wählen“ (Sûra 33:36).

Wir möchten den Fragenden darauf hinweisen, dass es sich beim Erbrecht um eine enorm heikle Angelegenheit mit schwierigen Punkten handelt. Dementsprechend soll man sich nicht allein mit der Fatwâ begnügen, die wir entsprechend der Frage erteilt haben, und sich nicht allein auf sie stützen. Man muss die Angelegenheit vor ein Scharîa-Gericht bringen, damit dort der Fall genauer untersucht wird. Denn möglicherweise gibt es einen weiteren Erbberechtigten, den man erst ausfindig machen muss. Auch könnten ein Testament oder Schulden vorliegen oder andere Verpflichtungen, die den Erbberechtigten entgangen sind. Es ist bekannt, dass solche Verpflichtungen noch vor der Vermögensverteilung an die Erbberechtigten zu erledigen sind. Daher soll der Nachlass nicht aufgeteilt werden, bevor man sich nicht an ein Scharîa-Gericht gewandt hat, wenn ein solches zur Verfügung steht. Dies geschieht, um die Interessen der Lebenden und Toten zu wahren.

Und Allâh weiß es am besten!

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