In den 1950er Jahren lieh mein Vater jemandem einen Betrag von 5000 indischen Rupien, als der Handel in Katar noch in Rupien abgewickelt wurde. Jetzt sind die Erben des Kreditnehmers gekommen, um den Betrag zurückzuerstatten, jedoch als 5000 katarische Riyal, da Rupien in Katar heutzutage nicht mehr im Umlauf sind. Dabei ist anzumerken, dass 5000 Rupien von damals in der Kaufkraft mehr als 100 Mio. katarischen Riyal heute entsprechen. 5000 Riyal sind heutzutage vergleichsweise wenig wert, 5000 Rupien waren damals aber ein echtes Vermögen. Wie lautet hierzu die Fatwâ?
Der Lobpreis gebührt Allâh und möge Allâh Seinen Gesandten sowie dessen Familie und Gefährten in Ehren halten und ihnen Wohlergehen schenken!
Manche zeitgenössischen Gelehrten und Wissenschaftler haben sich eingehend mit dem Thema Papiergeld und den daraus resultierenden Beurteilungen befasst. Zu den problematischen Fragen gehören: Die Frage der Währungsabwertung aufgrund von Inflation; Auswirkungen des Wertverlusts auf zukünftige finanzielle Verpflichtungen und langfristige Schulden; die Frage, was in diesem Fall gerechter ist: die Berücksichtigung des Werts der Währung oder sein nomineller Betrag.
Dem „Islâmischen Fiqh-Rat“ wurde eine Reihe von Beiträgen vorgelegt, die dieser in der 9. Ausgabe seiner Zeitschrift veröffentlicht hat. Diese sind:
1. „Die Auswirkungen von Inflation und Rezession auf zukünftige Rechte und Pflichten und die Position des islâmischen Fiqh dazu“ (Dr. Alî Muhyiddîn Al-Qaradâghî)
2. „Abwertung bei Papiergeld aufgrund von Inflation und die Auswirkungen auf frühere Schulden: Zusammenhang von Wertverlust und Rezession“ (Dr. Mustafâ Ahmad Az-Zarqâ)
3. „Inflation und Rezession aus Sicht der islâmischen Fiqh-Lehre“ (Dr. Alî Ahmad As-Sâlûs)
4. „Anbindung von Rechten und Verbindlichkeiten an das Preisniveau“ (Schaich Abdullâh ibn Sulaimân ibn Manî)
5. „Auswirkungen von Papiergeldentwertung auf zukünftige Rechte und Verpflichtungen und Grenzen der Inflation: Ab wann gilt Papiergeld als entwertet?“ (Dr. Nâdschî ibn Muhammad Schafîq Adscham)
6. „Wertverlust, Entwertung, Teuerung und Verbilligung von Papiergeld: Auswirkungen auf Rechte und Verbindlichkeiten“ (Dr. Muhammad Alî Al-Qarî ibn Îd)
7. „Geldentwertung und Währungszusammenbruch in Fiqh und Wirtschaftslehre“ (Dr. Mundhir Qahf)
Die meisten dieser Studien tendieren dazu, bei der Beurteilung von zukünftigen Rechten den Wert der Währung zugrunde zu legen, falls es sonst zu einer groben Unterbewertung kommt oder ein Verfall der Währung vorliegt, wodurch dem Gläubiger oder dem Inhaber des Rechts ein erheblicher Schaden entstünde. Dies gilt, damit in solchen Ausnahmefällen Gerechtigkeit hergestellt wird, falls es zu Streitigkeiten zwischen Gläubiger und Schuldner kommt. Damit soll nach einem Kriterium gesucht werden, anhand dessen eine grobe Wertveränderung oder ein Währungsverfall und ein gerechter Maßstab zu deren Einschätzung gefunden werden kann.
Dr. Alî Al-Qaradâghî schreibt in seiner Studie: „Für uns ist es vorzuziehen, dass für Papiergeld grundlegend der Nennwert die Entsprechung ist. Auszunehmen davon ist jedoch der Fall, dass durch Wertverlust und eine entsprechende grobe Benachteiligung (des Gläubigers) keine Gleichwertigkeit mehr gegeben ist. Dies zeigt sich nur bei langfristigen Verbindlichkeiten, nicht bei kurzfristigen.“
Ebenso schreibt er: „Die Auffassung, bei der das Gewissen Ruhe findet, ist, dass bei Papiergeld dessen Wert zugrunde gelegt wird − und zwar bei allen zukünftigen Verbindlichkeiten, die mit Schulden verbunden sind: Darlehen, Morgengabe, Verkauf, Vermietung usw., solange es nicht zu einem Zusammenbruch der Währung und einer groben Benachteiligung (des Gläubigers) kommt, weil der Nennwert des Geldes, auf den sich die Vereinbarung bezieht, und seine Kaufkraft zwischen den beiden Zeitpunkten (Eingehen des Vertrags und Zeitpunkt der Vertragserfüllung) abweichen. Es spielt dabei keine Rolle, ob die betroffene Person Gläubiger oder Schuldner ist. Damit soll das Prinzip erreicht werden, das sich aus dem Qurân ableitet und vom Propheten (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) mit folgenden Worten ausgedrückt wurde: „(...) als entsprechender Wert, nicht untertrieben und nicht übertrieben.“ Dementsprechend wird Papiergeld grundlegend vom Nennwert her betrachtet. Es wird also genau das Gleiche (im Nennwert) zurückerstattet, ohne dass man geringfügige Wertunterschiede, die vorkommen könnten, berücksichtigt. Falls es zwischen den Zeitpunkten von Erhalt (des Kredits) und seiner Rückgabe zu großen Abweichungen kommt oder wenn die Währung ganz zusammenbricht, dann verliert das Prinzip der Gleichwertigkeit seine Gültigkeit.“
Über den Maßstab, um eine grobe Abweichung oder einen Wertverlust zu bestimmen, schreibt er: „Unter den Gelehrten gibt es unterschiedliche Ansichten über die Einschätzung dieser groben Abweichung. Einige haben sie mit einem Drittel des Werts des Gegenstandes festgelegt, andere mit einem Sechstel und andere mit 5 %. Die Mehrheit der Gelehrten neigt zu einem flexiblen Kriterium. Demnach gilt das, was nach den (momentanen) Gepflogenheiten der Kaufleute als grobe Benachteiligung angesehen wird. Auch wir favorisieren diesen Maßstab. Wir bevorzugen dieses Kriterium auch bei der Frage nach der Bewertung von Papiergeld. Was hier von den Kaufleuten gewohnheitsmäßig als erhebliche Benachteiligung angesehen wird, das gilt auch hier als Maßstab. Wenn sich die Beteiligten nicht einig sind, entscheidet der Richter entsprechend, wie es ihm nach Belegen, Umständen und Gegebenheiten des konkreten Falles förderlich erscheint.“
Über Methode und Standard der Bewertung heißt es bei ihm: „Wie bereits erwähnt, stützen wir uns nicht auf den Maßstab des (tatsächlichen) Werts − außer bei Währungszusammenbruch oder bei Vorliegen einer schwerwiegenden Unverhältnismäßigkeit. Wenn wir uns auf den tatsächlichen Wert stützen wollen, brauchen wir genaue Maßstäbe und vernünftige Kriterien für eine Bewertung. Nur so wird der Unterschied zwischen dem realen Wert der Papierwährung zu den beiden Zeitpunkten (Entgegennahme und Rückgabe) klar: Dazu benötigen wir folgende Maßstäbe:
1. Vergleichbarkeit mit Grundnahrungsmitteln wie Weizen, Gerste, Fleisch, Reis, so dass man den erforderlichen Betrag an Papiergeld zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses einschätzen kann: Wie viel konnte man (zu diesem Zeitpunkt) an solchen Grundnahrungsmitteln kaufen? Dann schaut man auf den Zeitpunkt der Rückerstattung der Verbindlichkeit und wie viel von den erwähnten Waren jetzt gekauft werden könnte. Auf diese Weise wird der Unterschied deutlich. Dies wird als Warenkorb bezeichnet und ist auch in vielen westlichen Ländern anerkannt. Dadurch kann man die Inflation und ihr Ausmaß feststellen und deren Auswirkungen insbesondere auf Löhne und Gehälter behandeln.
2) Wenn man sich auf Gold als Maßstab verlässt, berücksichtigt man (seinen Wert) bei Vertragsabschluss (der eine Zahlung von Papiergeld erfordert) und bei der Erfüllung und Rückerstattung dieser Verbindlichkeit. Hier schaut man also, wie viel Gold man von dem Betrag bei Vertragsabschluss kaufen konnte. Falls der vereinbarte Preis des Papiergeldes stark sinkt oder steigt, betrachtet man bei der Rückerstattung (und bei allen Rechten und Verbindlichkeiten) dessen Kaufkraft bei Gold. Wenn z. B. der vereinbarte Betrag 10.000 Riyal betrug und man damals 20 g Gold kaufen konnte, so muss bei Erfüllung der Verbindlichkeit ein Betrag zurückerstattet werden, mit dem man genau diese Menge Gold erwerben kann.“
Wir sind der Ansicht, dass sich der Fragesteller mit den Erben des Kreditnehmers auf einen einvernehmlichen Betrag einigen sollte. Anderenfalls bleibt ihm nur die Möglichkeit, die Angelegenheit vor einen Scharîa-Richter zu bringen, damit dieser entscheidet. Dr. Al-Qaradâghî sagt hierzu: „Wenn sich beide Parteien auf den Wert gütlich einigen, so wäre dies am besten. Anderenfalls wird die Angelegenheit an ein Gericht oder durch Schiedsverfahren entschieden. In diesem Fall gelten die allgemeinen Regeln für Klagen, Beweisführung und Gerichtsurteile.“
Und Allâh weiß es am besten!
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