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Meinungsverschiedenheiten akzeptieren!

Meinungsverschiedenheiten akzeptieren!

Es ist weit verbreitet, nach Übereinstimmung und Harmonie zu streben, da Meinungsverschiedenheiten als bedrohlich und konfrontativ empfunden werden. Das ist richtig und verständlich, doch oft wird übersehen, dass die Forderung nach Übereinstimmung bei anderen auch eine Selbstverpflichtung beinhaltet!

Ihr jungen Menschen lebt in einer Zeit des Wachstums und der Vielfalt, die eine Fülle von Möglichkeiten eröffnet. Das hat eine größere Divergenz von Meinungen zur Folge und erfordert ein tieferes Verständnis für die Dynamik von Übereinstimmung und Dissens.

Folgende Punkte können dabei hilfreich sein:

- Meinungsverschiedenheiten sind eine Gesetzmäßigkeit Allâhs (Sunnatullâh) in der Schöpfung. Das verstehen wir aus dem, was Allâh sagt: „Und zu Seinen Zeichen gehört die Erschaffung der Himmel und der Erde und (auch) die Verschiedenheit eurer Sprachen und Farben. Darin sind wahrlich Zeichen für die Wissenden“ (Sûra 30:22) „Und wenn dein Herr wollte, hätte Er die Menschen wahrlich zu einer einzigen Gemeinschaft gemacht. Aber sie bleiben doch uneinig, außer denen, derer Sich dein Herr erbarmt hat. Dazu hat Er sie erschaffen“ (Sûra 11:118).

Einige Gelehrte erklären diese Verse wie folgt: „Dazu hat Er sie erschaffen“ – also für Barmherzigkeit und Andersartigkeit. Es gehört zu Allâhs Wesen, Seinen Dienern Barmherzigkeit zu erweisen, und es gehört zum Wesen Seiner Diener, untereinander uneins zu sein.

Wie schön sind die Worte des Propheten (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken): „Ihr werdet die Menschen wie hundert Kamele vorfinden, unter denen jemand kein einziges Reittier findet.“ Man mag hundert Kamele besitzen, ohne ein einziges zu finden, das alle Eigenschaften eines idealen Reittiers vereint. Ebenso kann man unter hundert oder zweihundert Bekannten vergeblich nach einer Person suchen, die in Gedanken, Gefühlen und Neigungen vollkommen übereinstimmt.

- Die Verschiedenheit unserer Geister, Seelen und Neigungen ist vergleichbar mit der Verschiedenheit unserer Gesichter. Es ist nahezu unmöglich, zwei völlig identische Gesichter zu finden. Dennoch teilen alle menschlichen Gesichter grundlegende Merkmale wie Wangen, Augen und einen Mund. Während die individuellen Details jedes Gesicht einzigartig machen, unterstreichen diese gemeinsamen Merkmale unsere grundlegende menschliche Natur. Diese Tatsache sollten wir akzeptieren.

- Allâh der Erhabene hat die Menschen mit einer Vielzahl von Charaktereigenschaften ausgestattet. Manche sind von Natur aus optimistisch, andere eher pessimistisch und misstrauisch. Einige zeichnen sich durch Geduld und Nachsicht aus, während andere zu Jähzorn und Engstirnigkeit neigen. Diese unterschiedlichen Charakterzüge sind oft Ursache für Konflikte im Alltag.

- Manche von euch sind in einer liebevollen und fürsorglichen Familie aufgewachsen, wo Sanftmut und Freundlichkeit vorherrschten. Diese Erfahrung kann dazu führen, dass man das Leben als einfacher wahrnimmt und den Menschen grundsätzlich vertraut. Andere wiederum sind in einer Umgebung aufgewachsen, die von Ungerechtigkeit geprägt war, wie die Ungerechtigkeit des Vaters, des Stiefvaters oder der Stiefmutter. Das hat zur Folge, dass sie die Welt mit einer schwarzen Brille sehen und jedem misstrauen, dem sie begegnen.

Was bedeutet das alles für junge Menschen?

Es vermittelt Folgenes:

1. Niemand von euch sollte sich selbst zum Maßstab für alles und jeden machen, so dass die anderen nur ein Abbild von ihm sein müssen. Jeder Mensch besitzt sowohl Stärken als auch Schwächen. Manchmal liegen sie richtig und manchmal falsch.

2. Bemüht euch darum, die Perspektiven, Hintergründe und Umstände anderer zu verstehen. Kultiviert Nachsicht und Vergebung als Leitprinzip in eurem Umgang miteinander.

3. Betrachtet Meinungsverschiedenheiten als eine Bereicherung, die unsere Gemeinschaft vielfältiger und reicher macht. Weder wird die Umma geschwächt noch die Harmonie gestört. Solange wir in den grundlegenden Werten übereinstimmen, schaden uns unterschiedliche Ansichten in Detailfragen nicht.

4. Handelt es sich um eine Frage der Interpretation, so liegt die Wahrheit meist bei der Mehrheit. Wenn sich aber die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Menschen auf klare und offensichtliche Dinge beziehen, dann liegt die Wahrheit bei denen, die im Recht sind und die Beweise und Argumente auf ihrer Seite haben. Das ist es, was Ibn Mas’ûd (möge Allâh mit ihm zufrieden sein) meinte, als er sagte: „Die Gemeinschaft (Al-Dschamâa) ist, auf der Wahrheit zu sein, auch wenn du allein bist.“ Betet also in einem Dorf nur ein Mann, so ist dieser Mann die Gemeinschaft, und alle Dorfbewohner müssen sich ihm anschließen.

5. Anstatt andere zu beschuldigen, sollten wir uns selbstkritisch hinterfragen.

6. Durch Dialog und Verhandlungen können wir gemeinsam nach den besten Lösungen suchen.

 

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