Die erzieherischen Dimensionen des Haddsch – Teil 1

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Allâh sagt: "Der Haddsch - bekannte Monate. Wer in ihnen den Haddsch beschlossen hat, der darf keinen Beischlaf ausüben, keinen Frevel begehen und nicht Streit führen während des Haddsch.“ (Sûra 2:197)

 
Allâhs Gesandter wurde eines Tages gefragt: "Welche Anbetungshandlung ist besser?“ Er sagte: "Der Glaube an Allâh sowie an Seinen Gesandten.“ "Was dann?“ fragte man ihn. "Dann der Dschihâd um Allâhs willen.“ gab er zur Antwort. "Was dann?“ wurde er erneut gefragt. "Dann einfromm verrichteter Haddsch.“ erwiderte er. (Al-Buchârî)
 
Sowohl der oben erwähnte Vers als auch dieser Hadîth stellen eine Einführung in die islâmische Rechtswissenschaft dar, die wir besonders in der heutigen Zeit im Vergleich zu früheren Zeiten dringend brauchen: die Wissenschaft der Vorrangigkeiten oder anders ausgedrückt, die Wissenschaft über die Rangstufen der Anbetungshandlungen. Dank dieser Wissenschaft wird dem Muslim deutlich, dass sich die Anbetungshandlungen voneinander unterscheiden, und zwar hinsichtlich ihrer Wichtigkeit, ihrer Belohnung und ihrer Vorrangigkeit. Der Muslim lernt, dass es für jede Anbetungshandlung eine bestimmte Zeit gibt, innerhalb derer sie im Vergleich zu den sonstigen Anbetungshandlungen Vorrangstellung haben sollte. Dies nennt man "die zeitabhängige Anbetungshandlung".
 
Im Lichte dieser Wahrnehmung ist der Verstand eines Muslims in der Lage, seine Vorrangigkeiten richtig zusammenzufassen und sie neu zu ordnen. Die Wissenschaft der Vorrangigkeiten ist mithin wie folgt zu definieren: die Wahrnehmung der Beziehungen zwischen den Handlungen und den religiösen Verpflichtungen, die Wahrnehmung, dass jegliche Störung dieser Beziehung sowohl der Religion als auch dem Leben schädlich ist, die Wahrnehmung, dass der Glaube vor den Anbetungshandlungen den Vorrang haben soll, und die Wahrnehmung, dass sich die Anbetungshandlungen voneinander sehr unterscheiden und dass ihre Rangstufen bei Allâh wiederum unterschiedlich sind. Daher darf man der Sunna nicht den Vorrang vor den Verpflichtungen geben. Man darf weiterhin der Sozialpflicht nicht den Vorrang vor der Individualpflicht geben. Wir sollten genau wissen, welche Frage am wichtigsten ist, um ihr - im Vergleich zu anderen Fragen - mehr Mühe und Zeit zu widmen. Wir sollten auch wissen, wer uns gegenüber am feindlichsten gesinnt und welcher Kampf uns am wichtigsten ist, um uns darauf vorzubereiten und danach zu handeln.
 
Der Gelehrte Ibn Al-Qaiym wurde gefragt: „Welche Anbetungshandlungen sind die besten, die schwersten oder die den Menschen am nützlichsten?“ Er war der Meinung, dass es kein absolutes "besser", sondern für jede Anbetungshandlung eine bestimmte Zeit gibt, innerhalb derer sie die beste ist. (Madâridsch As-Sâlikîn Ibn Al-Qaiym, 1/9085)
Man sollte nicht vergessen, dass der Prophet die Vorrangigkeiten des Unterhalts ordnete, indem er sagte: "Und beginne mit dem, für den du Unterhalt leistest.“ (Al-Buchârî)
 
Der Prophet gab uns das klarste Beispiel überhaupt, um uns die Folgen der Nichtbeachtung von Vorrangigkeiten zu verdeutlichen, als er uns die Geschichte des frommen Dschuraidsch erzählte, der einer guten Anbetungshandlung den Vorrang vor einer anderen gab, die noch besser ist: er bevorzugte weiterzubeten, anstatt dem Ruf seiner Mutter zu folgen. Sie war auf ihn so böse, dass sie Allâh darum bat, dass er nicht sterben möge, bevor er die Gesichter der Huren sieht. Allâh erhörte das Bitten der Mutter, sodass eine Hure ihn der Unzucht bezichtigte. Nur wegen seiner Reue und Aufrichtigkeit wurde er gerettet. (Die Geschichte Dschuraidsch, der Anbetende: von Al-Buchârî und Muslim überliefert.)
 
Der einladend Aufrufende zum Islâm sollte unter allen Menschen derjenige sein, der über eine derartige Mentalität verfügt, die die Vorrangigkeiten sowie die Verpflichtung jeder Zeit kennt und wahrnimmt. Keineswegs darf er mit den Fragen unbedachterweise umgehen. Wie dumm ist derjenige, der einen fast ertrunkenen Menschen dazu verpflichetet, seine Schamteile zu bedecken, bevor er ihn rettet!
 
Ein prophetischer Hinweis:
Die Einpflanzung des Soldatengeistes: Diese gesegnete Pilgerfahrt beginnt ab bestimmten Orten, die man örtliche Mawâqît nennt. Diese örtlichen Mawâqît sind fünf: Ibn 'Abbâs sagte: "Für die Bewohner Madînas bestimmte der Prophet Dhû Al-Hulaifa als Mîqât, für die Bewohner Syriens Dschuhfa, für die Bewohner von Nadschd Qarn Al-Manâzil und für die Bewohner des Jemens Jalamlam. Er sagte dann: "Diese (Orte) sind für diese (Länder), sowie für diejenigen, die sie passieren, während sie den Haddsch oder die Umra beabsichtigen. Wer von diesen (Orten) weit entfernt ist, der nimmt den Ihrâm in seiner Heimat vor. Die Bewohner Makkas treten in Makka in den Ihrâm in Makka ein.“ (Al-Buchârî und Muslim.)
 
Diese Orte darf man nicht überschreiten, es sei denn, dass man den Ihrâm schon vorgenommen hat, insofern man beabsichtigt, den Haddsch oder die Umra zu verrichten. Wer sie überschreitet, ohne in den Ihrâm einzutreten, der sollte zurückkehren, um in den Ihrâm einzutreten. Sonst ist er zur Schlachtung eines Opfertieres verpflichtet, das er an die Armen des makkanischen Bezirkes verteilen muss.
 
Diesem besonderen Ritus können wir einen tiefen Sinn entnehmen sowie eine erzieherische Dimension, die die Seele nach tiefem Nachdenken wahrnimmt: Jeder Muslim sollte lernen, dass es für jede Arbeit und jede Angelegenheit besondere Grenzen gibt, die nicht zu überschreiten sind, denn sie zu überscheiten könnte die Gefahr bergen, dass die Gültigkeit sowie das Annehmen der Arbeit beeinträchtigt sein könnte. Dieser tiefe erzieherische Sinn ist typisch für die islâmische Erziehungsweise, auf die der Muslim erzogen wird. Muslime sollen diszipliniert sein und sich in Selbstbeherrschung üben.
 
Dieser Geist bezieht sich wiederum auf die sonstigen Haddsch-Riten. Denke darüber nach: Diese große Verpflichtung besteht aus vier wesentlichen Bestandteilen: Ihrâm, Tawâf Al-Ifâda, das Verweilen in der 'Arafât-Ebene und Sa'î zwischen Safâ und Marwa. Wer einen dieser Bestandteile unterlässt, dessen Haddsch ist ungültig. Denke weiterhin darüber nach: Diese Bestandteile beinhalten wiederum Pflichten. Wer eine dieser Pflichten unterlässt, ist zur Schlachtung eines Opfertieres verpflichtet, das er unter den Armen des mekkanischen Bezirkes verteilen muss. Dieser Geist bezieht sich auf die sonstigen Anbetungshandlungen.
 
Anhand des Gebets können wir in diesem Zusammenhang ein Beispiel anführen: Es hat bestimmte überlieferte Voraussetzungen, wesentliche Bestandteile und Sunna-Handlungen, von denen keine zu überschreiten ist. Der Detailreichtum würde den Rahmen dieser Abhandlung sprengen.
 
Das Gleiche gilt auch für alle Beziehungen des Muslims zu seinem Herrn, zu seiner Seele und zu seiner Familie. All diese Beziehungen sind bestimmten Vorschriften unterworfen, die eingehalten werden müssen: "Wahrhaftig, du bist verpflichtet, deinem Herrn Sein Recht zu geben. Du bist verpflichtet, deiner Seele ihr Recht zu geben. Du bist verpflichtet, deiner Familie ihr Recht zu geben. gib also jedem sein Recht!“ (At-Tirmidhî)
 
Daraus ist zu schließen, dass die Selbstkontrolle sowie das Beachten der Vorschriften Allâhs für den echten Muslim kennzeichnend sind. Ganz im Gegensatz dazu stehen die Uneinigkeit, Gesetzlosigkeit sowie die Übertretung. Diese Frage übt einen tiefgreifenden Einfluss auf die Seelen sowie auf die Reihen der Muslime aus. Denken wir einmal über nachstehenden großartigen Rat des Propheten nach, der die Beziehung zwischen der Planmäßigkeit im Äußeren und der Planmäßigkeit im Inneren zum Ausdruck bringt! Dieser Rat ist wie eine rote Ampel, die als Vorwarnung dient und veranschaulicht, dass äußere Uneinigkeit zu innerer Uneinigkeit führt. Der Prophet sagte: "Seid nicht uneinig, sonst streiten eure Herzen miteinander!“ (Muslim)
 

Der zum Islâm einladend Aufrufende sollte am diszipliniertesten sein, insofern er über Verstand verfügt, vor allem wenn es der Prophet ist, der ihn dazu ermutigt, und zwar auf eine Weise, die nicht misszudeuten ist.

 

Die erzieherischen Dimensionen des Haddsch – Teil 2

 

Die erzieherischen Dimensionen des Haddsch – Teil 3

 

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