Vorschriften und Verhaltensregeln beim Besuch von Madîna - Teil 3

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Der Zustand des Todes ist indes etwas Anderes, das weder dem Lebenszustand des Menschen noch seinem Zustand nach der Wiederauferstehung ähnlich ist, da die Handlungen des Verstorbenen und dessen Abhängigkeit von dessen Tun nach dem Ableben bis auf die vom Propheten ausgenommenen Taten aufhören, wozu die Fürbitte nicht gehört. Der Prophet führt zweifellos nach seinem Ableben eine Art Übergangsleben (das Leben im Grab), das noch vollkommener ist als das der Märtyrer; es ist jedoch weder seinem Leben vor dem Tod noch dem im Jenseits ähnlich, nur Allâh der Hochgepriesene weiß um die Beschaffenheit und Art dieses Lebens. Deswegen sagte der Prophet im oben erwähnten Hadîth: „Es gibt niemanden, der mir den Friedensgruß entbietet, ohne dass Allâh mir meine Seele zurückgibt, bis ich ihn zurückgrüße.“ Das beweist, dass er tot ist und dass seine Seele den Körper verlassen hat, ihm beim Friedensgruß jedoch zurückgegeben wird.

 
Die Textbelege für den Tod des Propheten aus Qurân und Sunna sind bekannt, die Gelehrten sind sich diesbezüglich einig. Dies hindert allerdings nicht sein Übergangsleben,  ebenso wie der Tod der Märtyrer ihr Übergangsleben nicht hindert, das im folgenden Qurân-Vers erwähnt wird, der besagt: Und haltet diejenigen, die um Allâhs willen getötet wurden, ja nicht für tot! Sie sind vielmehr lebend bei ihrem Herrn; sie werden versorgt.“ (Sûra 3:169)
 
Wir haben dieses Thema ausführlich behandelt, weil es nötig ist und es dabei viele Angelegenheiten gibt, die nicht klar sind und folglich zur Beigesellung und zur Anbetung von Verstorbenen unter Ausschluss von Allâh einladen. Wir bitten Allah darum, uns und alle anderen Muslime von allem zu befreien, was Seiner Religion widerspricht. Und Allâh weiß es am besten!
 
Es ist nicht erlaubt, beim Grab des Propheten die Stimme zu erheben und dort lange zu bleiben, wie es einige Besucher tun. Denn Allâh der Hochgepriesene hat es der Umma verboten, ihre Stimme über die Stimme des Propheten zu erheben und zu ihm so laut zu sprechen, wie sie laut zueinander sprechen. Er hält sie dazu an, die Stimme bei ihm [dem Propheten] zu mäßigen. Allâh der Erhabene sagt: O ihr, die den Glauben verinnerlichen! Erhebt eure Stimmen nicht über die Stimme des Propheten! Und erhebt eure Stimme beim Reden mit ihm nicht zu sehr wie das Erheben der Stimme unter euch zueinander, so dass eure Werke misslingen und es ist euch nicht bewusst! Wahrhaftig! Diejenigen, die ihre Stimme beim Gesandten Allâhs dämpfen, jene sind es, deren Herzen Allâh auf Demut in Ehrfurcht Ihm gegenüber geprüft hat. Für sie ist Vergebung und immense Belohnung. (Sûra 49:2-3)
 
Der lange Aufenthalt bei seinem Grab und der oft wiederholte Friedensgruß führt zum Gedränge, zum Lärm und zu erhobenen Stimmen bei seinem Grab und dies alles widerspricht dem, was Allâh den Muslimen in diesen eindeutigen Versen vorgeschrieben hat. Der Prophet muss zu seinen Lebzeiten und nach seinem Ableben respektiert werden. Der Gläubige soll also bei seinem Grab nichts tun, was den religiösen Anstandsregeln widerspricht.
 
Auch dass einige Besucher darauf beharrend Bittgebete beim Grab mit erhobenen Händen und mit dem Gesicht zum Grab sprechen, widerspricht der Verhaltensweise der früheren frommen Muslime wie der Gefährten des Propheten und derjenigen, die ihnen gütig gefolgt sind; ja, es gehört sogar zu den unerlaubten Neuerungen in der Religion. Der Prophet sagte: „So haltet euch an meine Sunna und an die Sunna der rechtgeleiteten, rechtschaffenen Nachfolger! Beißt mit den Zähnen darauf, und hütet euch vor neuen Dingen [in Glaubensfragen]; denn alles Neue ist eine Neuerung, und jede Neuerung ein Fehlgehen.“ Von Abû Dâwûd und An-Nasâ'î mit guter Überliefererkette überliefert. Der Prophet sagte ferner: „Wer in dieser unserer Angelegenheit [Religion] etwas erfindet, was nicht dazu gehört, dem wird es zurückgewiesen.“ Bei Al-Buchârî und Muslim überliefert; und in einer Überlieferung bei Muslim steht: „Wer etwas tut, was zu unserer Religion nicht gehört, dem wird es zurückgewiesen.“ Ali ibn Al-Husain Zainulâbidîn sah einen Mann beim Grab des Propheten Bittgebete sprechen; da verbot er es ihm und sagte: „Soll ich dich nicht über einen Hadîth informieren, den ich von meinem Vater über meinen Großvater über den Gesandten Allâhs gehört habe, dass er nämlich sagte: Macht mein Grab nicht zum Fest und eure Häuser nicht zu Gräbern und sprecht den Segen für mich, denn euer Friedensgruß erreicht mich, wo auch immer ihr seid!“ Beim Hadîth-Gelehrten Muhammad ibn Abdulwâhid Al-Maqdisî in dessen Werk Al-Ahâdîthu-l-Muchtâra überliefert.
 
Auch was einige Besucher beim Friedensgruß für den Propheten tun, indem sie die rechte Hand auf die linke über oder unter der Brust legen, wie man es beim rituellen Gebet macht, ist beim Friedensgruß für den Propheten sowie für Könige, Häuptlinge und Ähnliche nicht erlaubt, weil es einen Zustand der Demut, Unterwürfigkeit und Anbetung ausdrückt, was nur Allâh gebührt, wie der Hadîth-Gelehrte Ibn Hadschar möge Allah sich seiner erbarmen in seinem Werk Fathu-l-Bârî von den Gelehrten berichtet hat. Diese Angelegenheit ist absolut klar und deutlich für denjenigen, der diesen Zustand betrachtet und dessen Ziel darin besteht, der Rechtleitung der frommen früheren Muslime zu folgen. Möge Allah diejenigen aber rechtleiten, die nur von Fanatismus, Zuneigung, blinder Nachahmung und von Vorurteilen gegenüber den Aufrufern zur Rechtleitung der guten Altvorderen geführt werden! Wir bitten Allâh, uns und sie zur Rechtleitung und zum Erfolg zu führen, um das Rechte alles Anderem vorzuziehen, denn Allâh der Hochgepriesene ist der Beste, den man bittet.
 
Auch dass man weit vom Grab steht und mit dem Gesicht zum edlen Grab Friedensgrüße oder Bittgebete murmelt und dabei die Lippen bewegt, wie es einige Leute tun, gehört wie das Obenerwähnte zu den unerlaubten Neurungen in der Religion. Der Muslim darf in seiner Religion nichts Neues einführen, was Allâh nicht erlaubt hat. Mit dieser letzterwähnten Tat ist man der Rauheit näher als der Loyalität und Freundlichkeit (gegenüber dem Propheten). Imam Mâlik möge Allah sich seiner erbarmen lehnte dieses Verhalten und Ähnliches ab und sagte: „Die Letzteren dieser Umma wird nur das verbessern, was die Ersteren der Umma verbessert hat.“ Es ist bekannt, dass es das Befolgen der Sunna des Propheten , dessen rechtgeleiteten Kalifen, zufriedenen Gefährten und deren gütigen Nachfolgegenerationen war, was die Ersteren der Umma verbessert hat. Nur daran festzuhalten und danach zu handeln, wird die Letzteren dieser Umma verbessern. Möge Allah die Muslime zur Rettung, Glückseligkeit und Macht im Diesseits und im Jenseits führen, denn Er ist der Freizügige und der Freigebige!
 
Anmerkung: Der Besuch des Grabes des Propheten ist weder eine Pflicht noch eine Bedingung für die  Pilgerfahrt, wie einige einfache Menschen glauben; vielmehr ist es für denjenigen erwünscht, der die Moschee des Gesandten Allâhs besucht oder sich in deren Nähe begibt. Wer aber von Madîna weit entfernt ist, der darf nicht dorthin reisen, nur um das Grab zu besuchen; er darf sich indes dorthin begeben, um die edle Moschee zu besuchen, und wenn er dort ankommt, besucht er das ehrenvolle Grab und das Grab der beiden Gefährten [gemeint sind Abû Bakr und Umar], wobei der Besuch des Grabes des Propheten und dessen beiden Gefährten dem seiner Moschee untergeordnet ist, denn von Al-Buchârî und Muslim ist überliefert, dass der Prophet sagte: „Es wird nur zu drei Moscheen gereist: zur Harâm-Moschee, zu meiner Moschee hier und zur Aqsa-Moschee.“ Wäre die Reise zu seinem Grab oder zu anderen Gräbern erlaubt, dann hätte er [der Prophet] die Umma darauf und auf die Belohnung dafür hingewiesen, da er der aufrichtigste Ratgeber der Menschen war, von Allâh am meisten wusste und Ihn am meisten fürchtete. Er überbrachte die Botschaft vollends, wies seine Umma auf alles Gute hin und warnte sie vor allem Bösen. Er warnte ferner vor der Reise zu sakrosankten Orten bis auf die drei erwähnten Moscheen und sagte: „Macht mein Grab nicht zum Fest und eure Häuser nicht zu Gräbern und sprecht den Segen für mich, denn euer Friedensgruß erreicht mich, wo auch immer ihr seid!“ (Ahmad, Abû Dâwûd, von Al-Albânî als Hasan eingestuft)
 
Die Meinung, dass der Besuch des Prophetengrabs erlaubt ist, wird dazu führen, dass man das Grab zum Fest macht und zur Übertreibung und übermäßigen Verehrung, wovor der Prophet warnte und was er befürchtete. Das machen leider viele Menschen, weil sie glauben, dass die Reise zum Besuch des Prophetengrabes erlaubt sei.
 
Alle Hadîthe, die sich um dieses Thema drehen und die diejenigen als Beweis anwenden, die die Reise zum Besuch des Prophetengrabes für erlaubt halten, haben entweder schwache oder sogar erfundene Überliefererketten, worauf einige Hadith-Gelehrte wie Ad-Daraqutnî, Al-Baihaqî, Ibn Hadschar und Andere hinwiesen. Man darf also nicht mit diesen Hadîthen gegen die authentischen Hadîthe argumentieren, die die Reise zum Besuch von den Moscheen bis auf die drei Moscheen verbieten.
 
Die folgenden Hadîthe, lieber Leser, sind einige von diesen erfundenen Hadîthen über dieses Thema, damit du sie kennst und dich vor ihnen hütest:
 
Der erste Hadîth: Wer die Pilgerfahrt macht, ohne mich zu besuchen, der hat sich von mir abgewandt.
 
Der zweite Hadîth: Wer mich nach meinem Tod besucht, ist genauso wie derjenige, der mich in meinem Leben besucht hat.
 
Der dritte Hadîth: Wer mich und meinen Vater Abraham im selben Jahr besucht, dem garantiere ich, dass Allâh ihn das Paradies betreten lässt.
 
Der vierte Hadîth: Wer mein Grab besucht, der hat meine Fürbitte verdient.
 
An diesen und ähnlichen Hadîthen ist nichts Authentisches. Der Hadîth-Gelehrte Ibn Hadschar sagte in seinem Werk Talchîsu-l-Habîri fi Ahâdithi-r-Râfi'i-l-Kabîr, nachdem er die meisten Überlieferungen hier erwähnte: „Alle Überlieferungswege dieser Hadîthe sind schwach.“ Der Hadîth-Gelehrte Al-Uqîlî sagte: „Über dieses Thema ist nichts Richtiges überliefert.“ Und Scheich Al-Islâm Ibn Taimiya möge Allah sich seiner erbarmen sagte entschieden, dass all diese Hadîthe erfunden sind, und welch ein wissender und großer Gelehrte ist Ibn Taimiya!
 
Wäre an diesen Hadîthen etwas authentisch, wären die Gefährten des Propheten die Ersten gewesen, die es getan, der Umma erklärt und sie dazu angehalten hätten, weil die Gefährten nach den Propheten die besten Menschen und diejenigen von ihnen sind, die am besten von Allâhs Geboten und von dem wussten, was Er Seinen anbetend Dienenden vorgeschrieben hatte. Sie sind auch die Besten, die den Menschen um Allâhs Willen raten. Da von ihnen nichts darüber berichtet wurde, ist es Beweis genug, dass es nicht erlaubt ist.
 
Und falls etwas von diesen betroffenen Hadîthen authentisch ist, soll man es auf den religiös erlaubten Besuch zurückführen, der keine Reise zum Besuch des Grabes enthält, damit man allen Hadîthen gerecht wird.
 
Und Allâh der Erhabene weiß es am besten!
 
 

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