Eine Glaubensreise

4916 1866

Der Haddsch ist eine Elementarpflicht der Religion. Und er ist eine gesellschaftliche und spirituelle Säule. Denn er läutert die Seele und das Herz und wäscht die Verunreinigung des Schlechten ab. Es ist eine gesellschaftliche Begegnung, ein islâmisches Kennenlernen und eine Versammlung der gläubigen Seelen am sakrosankten Haus und den reinen Plätzen in Liebe, Barmherzigkeit und Spiritualität. An diesen Plätzen, die Allâh der Erhabene geehrt hat, indem Er sie zu einem Ort der Einkehr für die Menschen und zu einer Stätte der Sicherheit machte, offenbart sich der Geist, erblüht die Seele und erwacht das Empfinden. Mit diesem strahlenden Lichtglanz und dieser Ausstrahlung treffen sich Schatten, Geist, Körper und Seele.

 

Die Spiritualität erscheint und überdeckt die Gefühle und Emotionen des Haddschis, wenn er in den Ihrâm eintritt, indem er den Haddsch an der Grenze des geweihten Bezirks (Mîqât) beabsichtigt. Und der Mîqât des Haddsch ist der Ort, an dem er in den Ihrâm eintritt und das Ihrâm-Gewand anlegt. Jedes Land hat seinen Mîqât, einen bekannten Ort. Als ob die Orte, die den sakrosankten Bezirk wie eine Aura umgeben, die Grenzen zwischen den Genüssen und Vergänglichkeiten der Welt und dem geistigen Leben und dessen Glückseligkeit darstellen. Es sind Grenzen für den Ort, den Allâh für seine geistige Gastfreundschaft geschaffen hat. An ihm empfängt Er Seine gläubigen, anbetend Dienenden, die aus der ganzen Welt zu Ihm kommen. Sie haben ihr Herz und ihren Körper von jeglichem Materialismus befreit, um ihre Seele zu befreien und die Ehre der Gastfreundschaft an dieser göttlichen Tafel und dieser geistigen Nahrung zu erlangen.

 

Vom Propheten sind Formulierungen seiner Absicht zum Ihrâm-Zustand überliefert. Er lehrt uns damit, wie wir uns der Neigungen des weltlichen Lebens und der irdischen Gewohnheiten in unserem Herzen entledigen, um uns an die Himmelsseile zu hängen. Vom Propheten ist überliefert, dass er bei seinem Ihrâm sagte: „O Allâh, mache ihn zu einem Haddsch ohne Augendienerei und Ansehen in ihm!“ Überliefert von Ibn Mâdscha und von Al-Albânî als authentisch eingestuft.

 

Er wiederholte dies, damit wir von ihm lernen, wie wir uns der Augendienerei und des Strebens nach Ansehen entledigen. Die Augendienerei ist das Übel der Anbetungshandlung. Sie entfernt sie von den hohen Stufen der Spiritualität. Es ist an sich ein versteckter Schirk (Beigesellen Allâhs).

 

Mit dieser Pilgerweihe betritt der Gläubige einen geistigen Bereich und das Einzugsgebiet der Gastfreundschaft. Daher muss er bekunden, dass er das sakrosankte Tal betreten hat, das geistige Tal, das Tal der göttlichen Gastfreundschaft. Daher sagt er: „Hier bin ich, o Allâh, hier bin ich! Du hast keinen Teilhaber, hier bin ich! Dein ist der Lobpreis und dein sind die Gnade und die Herrschaft! Du hast keinen Teilhaber!“ Mit diesem Ruf, der das Bekenntnis zum Haddsch oder das Offenbaren seiner Spiritualität darstellt, begibt man sich in diese Gastfreundschaft. Man begibt sich von den tiefsten Stufen der Erde zu den geistigen Plätzen, als ob man mit seinem Haddsch dem Ruf Allâhs des Erhabenen folgt, wenn Er einen an diesen sakrosankten Tisch ruft. Man wiederholt die erwähnten Worte zu jeder Zeit, um sich ständig daran zu erinnern und nicht zu vergessen, dass man sich in einer göttlichen Gegenwart befindet und einer Gastfreundschaft des Allerbarmers.

 

Wenn der Muslim diese geistige Gastfreundschaft annimmt, muss er den äußeren Schmuck und die Dinge, die das weltliche Leben betreffen, ablegen. Er benutzt kein Parfum, schmückt sich nicht und schneidet oder rasiert seine Haare nicht. Er befindet sich nämlich in einer geistigen Unabhängigkeit und daher wäre es falsch, sich durch materielle Dinge abzulenken. Denn das geistige Leben bedarf der Ausgeglichenheit. Alle sind vor der Gewaltigkeit des Schöpfers gleich. Es besteht kein Vorzug zwischen einem Araber und einem Nichtaraber, einem Starken und einem Schwachen oder einem Reichen und einem Armen.

 

Der Schmuck ist eine Sache, die der Gleichheit widerspricht, da nicht jeder die Möglichkeit dazu hat. Daher ist es der Gleichheit dienend und gerechter, dies zu verbieten. Die Einbildung entspringt dem Schmuck und der teuren Kleidung und lässt die wundervolle geistige Bedeutung des Haddsch vergehen. Ebenso verhindert sie die absolute Gleichheit, die vor Allâh und Seiner Gastfreundschaft herrschen muss. Denn die Menschen sind vor Allâh alle gleich. Niemand darf einem Anderen gegenüber in Seiner edlen Gegenwart und an diesem sakrosankten Ort, den - und was um ihn herum ist - Er gesegnet hat, selbstsüchtig sein.

 

Nachdem der Haddschi die Wüsten und die verlassenen Orte durchquert hat, sich von den Gelüsten, Neigungen und körperlichen Bedürfnissen befreit hat und ihm nur noch das Lebensnotwendigste geblieben ist, begibt er sich als Erstes zum sakrosankten Haus, zur sakrosankten Stätte, zur Ecke der Ka‘ba und zum Standort Abrahams. Dann regt sich in ihm das Gedenken des Propheten. Er erinnert sich an Muhammad , der seinen Aufruf oben vom Hügel Safâ begann. Er erinnert sich an Muhammad , der durch diese Häuser zog, zum Monotheismus und zur Zerstörung der Götzen einladend. Die Götzendiener fügten ihm Schaden zu und er setzte sich mit ihnen in Geduld, Weisheit und Milde auseinander und stritt mit ihnen auf die beste Weise: Wenn er beim Standort Abrahams steht, erinnert er sich an den Bau des Hauses und die Festlegung seiner unveränderten Regeln als Einigkeit der himmlischen Religionen. Er erinnert sich daran, dass es eine Gesetzgebung ist, weil sie von Einem herabgesandt wurde, nämlich Allâh dem Einen dem Einzigen, der weder Vater noch Sohn ist.

 

An diesem gesegneten Haus gibt es keinen Schleier zwischen dem anbetend Dienenden und seinem Herrn. Er hat sich von allen Unreinheiten der Neigung und des Frevels gelöst und bewegt sich lauter und aufrichtig.

 

Wenn der Gläubige den Tawâf (das Umschreiten) um das gewaltige Haus verrichtet hat, zwischen den Hügeln As-Safâ und Al-Marwa gelaufen ist und am Ort der Offenbarungen gebetet hat, begibt er sich danach zur gewaltigen Versammlung nach Arafa. Von diesem Berg aus hat Muhammad ibn Abdullâh seine abschließende Botschaft im Abschieds-Haddsch an die Weltenbewohner gerichtet. Dort, in dieser sakrosankten, geistigen Gesellschaft, treffen sich die Seelen der Muslime aus aller Welt. Sie flehen und spüren den Ruf des Allerbarmers, bei Dem sie zu Gast sind: „Gewiss, diese ist eure Gemeinschaft, eine einzige Gemeinschaft, und Ich bin euer Herr; so dient Mir!“ (Sûra 21:92).

Als ob sie zu diesem gewaltigen Ereignis von der Erde abgehoben sind und sich in das höchste Reich begeben haben, erhaben über die Wege der Differenz. Ihre Seelen, Zungen und Werke haben sich von ihr gereinigt.

 

Wenn sie den Haddsch mit Arafa und dem Umliegenden abgeschlossen haben, gehen sie nach Minâ, wo die letzte Schlacht zwischen ihnen und dem Teufel stattfindet. Sie haben sich mit einer geistigen Waffe bewaffnet und sich über die weltlichen Begebenheiten erhoben, durch die er in ihre Seele bläst. Es ist ein Zeichen des Sieges, dass sie ihn mit Steinen bewerfen und sagen: „Bismillâh, Allâhu Akbar (Im Namen Allâhs, Allâh ist größer)! Den Teufel steinigend, den Allerbarmer zufriedenstellend! O Allâh, lasse es einen angenommenen Haddsch und einen dankenswerten Weg werden!“ Dann lösen sie sich auf, um von diesem geistigen Platz zur irdischen Kampfstätte zurückzukehren. Sie haben sich stark bewaffnet und ihre Seelen von den Sünden gereinigt, wie das Gewand vom Schmutz gereinigt wird. Sie fallen unter die Aussage des Propheten : „Wer den Haddsch verrichtet und dabei weder geschlechtlich verkehrt noch frevelt, der kehrt aus seinen Sünden zurück wie an dem Tag, an dem ihn seine Mutter geboren hat.“ (Überliefert von Al-Buchârî)

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